Peter Grimm / 05.06.2023 / 15:00 / Foto: Pixabay / 27 / Seite ausdrucken

Eine kleine Zuwanderungs-Zeitreise

Der Kanzler warnte vor ausländischen Extremisten und forderte von seinen Ministern Maßnahmen, um die Zuwanderung zu begrenzen.

„In dunkelsten Farben schilderte der Kanzler im Kabinett eine Gesellschaft, in der ferngesteuerte ausländische Extremistengruppen auf deutschem Boden ihre Kämpfe ausfechten, Gewerkschafter von auswärtigen Rechtsradikalen drangsaliert werden, die Ausländerfeindlichkeit der Bundesbürger zu Haß eskaliert."

Das schreibt der Spiegel. In welchem Jahr befinden wir uns? Wir schreiben das Jahr 1980, die SPD regierte in einer Koalition mit der FDP, und der Kanzler hieß Helmut Schmidt.

Das seinerzeit quasi alternativlose Nachrichtenmagazin beschreibt den Handlungsdruck 1980 so: „...trotz des 1973 eingeführten Anwerbestopps für ausländische Arbeiter steigt die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik, derzeit etwa vier Millionen, beunruhigend rasch -- das liberale westdeutsche Asylrecht macht es möglich."

Die Zahlen klingen aus heutiger Sicht recht harmlos, galten damaligen Politikern aber als alarmierend:

„Während im ganzen Jahr 1976 nur reichlich 11 000 Ausländer einen Asylantrag gestellt hatten, meldeten sich 1979 bereits 51 493 Flüchtlinge. In den ersten vier Monaten des Jahres 1980 war auch diese Rekordzahl schon fast erreicht; der Strom schwoll an auf knapp 50 000 Immigranten."

Manche Problembeschreibung klingt auch nach 43 Jahren noch sehr vertraut: 

„Die meisten der Asylbegehrenden drängen gar nicht wegen politischer Verfolgung in die Bundesrepublik, sondern wollen Geld verdienen. Nur neun Prozent der Ankömmlinge werden schließlich als politische Flüchtlinge anerkannt.

Der Reiz für die Petenten, sich mit oft fadenscheinigen Behauptungen als Politflüchtlinge zu geben, liegt in der langen Dauer des rechtsstaatlichen Anerkennungsverfahrens.

Bis zur endgültigen Ausweisung eines Asylbewerbers verstreichen im Extremfall neun Jahre."

Der Spiegel fasste das System der Schlepper damals übrigens treffend so zusammen:

„So sehr lohnt es sich, das Asylrecht zum eigenen Vorteil auszunutzen und zu mißbrauchen, daß sich in vielen Ländern professionelle Schlepperorganisationen gebildet haben. Diesen Reiseunternehmern, die ihre Landsleute busweise ins gelobte Land karren, will die Bundesrepublik nun das Handwerk legen."

Und raten Sie mal, welche Maßnahmen damals so diskutiert wurden:

„Das Anerkennungsverfahren für politische Flüchtlinge wird so drastisch verkürzt, daß es möglichst innerhalb eines Jahres beendet sein kann."

 

Peter Grimm, geboren 1965 in Ost-Berlin, war bis 1989 aktiv in der DDR-Opposition und arbeitet seitdem als Journalist, Autor und Dokumentarfilm–Regisseur.​​​​​​​

Foto: Pixabay

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Leserpost

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D. Katz / 05.06.2023

Was kümmert den LÜGEL seine journalistische Kompetenz von früher. Das Blatt betreibt heute die schmierige Aufgabe als Gates-Keeper unter einem einst ehrenwerten Namen. Kann weg.

Katharina Fuchs / 05.06.2023

Der große Unterschied ist der, daß es der damaligen Regierung um das Wohlergehen des Landes und seiner Bevölkerung ging - während die beiden Dinge der heutige Regierung im besten Falle völlig gleichgültig und im schlimmsten Falle abgrundtief verhaßt sind.

gerhard giesemann / 05.06.2023

SPD-Kommunalexperte Martin Neuffer (1924 - 2004) über die Ausländerpolitik der Bundesrepublik: Eine radikale Neuorientierung der Bonner Ausländerpolitik fordert der langjährige hannoversche Oberstadtdirektor, Städtetagpräside und NDR-Intendant Martin Neuffer, damals 57. In seinem soeben erschienenen Buch »Die Erde wächst nicht mit. Neue Politik in einer überbevölkerten Welt«. Verlag C. H. Beck, München; 195 Seiten; 17,80 Mark. plädiert der linke Sozialdemokrat dafür, die Einwanderung von Türken in die Bundesrepublik »scharf« zu drosseln und auch das Asylrecht »drastisch« auf Europäer zu beschränken. Auszüge: 18.04.1982, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 16/1982 . Vierzig Jahre lang die drei Affen machen hat ebend seinen Preis. Den zahlen sie jetzt.

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