Ob eine 23-Jährige Psychologiestudentin das schon abschließend beurteilen kann, wage ich zu bezweifeln. Aber ich habe auch oft diese Gedanken. Diskutieren kann und sollte man über dieses Thema auf jeden Fall. Insoweit für das Erste mal ein Danke für diese Gedanken. Es laufen zu viele gewaltbereite (und auch gewalttätige) Menschen mit psychologischen Störungen in unserem Land frei herum.
Frau Schwarz - viele Bemerkungen sind gut, die Sie machen, und decken sich z. T. mit Profesor Lütz’ Beobachtungen in “Irre - wir helfen den Falschen”. Am härtesten ist in meinen Augen die Gerichtsszene, die Sie beschreiben: “Die Anhörung des Angeklagten durch den Richter war das eigentlich Schockierende: Der Richter war so unglaublich freundlich und verständnisvoll, als würden sich alte Freunde bei Kaffee und Kuchen wiedersehen.” - Das ist - auch da gebe ich Ihnen recht, leider symptomatisch. Und es ist auch ein Beispiel von Vorsicht, denn nicht wahr: Besser der Angeklagte entwickelt keinen Groll auf den Richter. - Zudem ist es, wie ich ebenfalls beipflichte, ein Akt der Taktlosigkeit gegenüber der verletzten Frau. Insgesamt würde man jedenfalls sagen, dass diese Zustände kritikwürdig sind durch und durch. Noch was: Lockere Anspielungen auf Drogenkonsum sind in diesem Kontext nicht ratsam. Da hat die Achse-Redaktion beim Redigieren einen entfernt vergleichbaren Fehler gemacht, wie Sie ihn aufseiten des Richters beobachtet haben - (ist aber nur eine Kleinigkeit).
Sehr schöner und kluger Artikel. Hier kann man anhand eines weiteren Themas, diesmal ‘Umgang mit psychisch Kranken’ sehen, welch schlimme Folgen es hat, wenn die Durchsetzung einer schönen Idee (‘Alle Menschen sollen frei und selbstbestimmt leben können’) wichtiger ist, als dass das Verständnis einer komplexen Realität die Basis von Handlungen sein sollte. Psychisch Kranke sind eben grad aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, selbstbestimmt für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen, wie ja die Autorin auch ausführlich darlegt. Mediziner sind nach wie vor geneigt, von psychischen Störungen zu sprechen und willens, den betroffenen Menschen medikamentös in ihrem Elend zu helfen. Denn im Elend leben diese von wahnhaften (Angst-)Vorstellungen gepeinigten Menschen. Leider sind die akademischen Psychologen seit den 70er Jahren zunehmend in der Gegenrichtung unterwegs und klinische Psychologen und auch Psychotherapeuten sprechen nicht mehr davon, dass ein Patient aufgrund von verzerrten Wahrnehmungen die Realität nur eingeschränkt bis völlig entstellt erlebt, sondern jeder Patient hat seine eigene Realität, als gäbe es verschiedene Realitäten. Weitergedacht, wird es demnächst ein Recht geben müssen, sich als Jesus Christus oder Napoleon beim Einwohnermeldeamt eintragen zu lassen, weil: Wenn ich das doch so fühle, dass ich Jesus Christus bin, dann bin ich das auch! Liebe Pauline Schwarz: bitte weiter so!
Es mag ja einiges an Ihrem Artikel für die Stadt Berlin stimmen, aber überspitzt geschrieben, gibt es doch in Berlin genug „verrückte“. Ja, der „Export“ von bestimmten Menschen in Heime anderer BL ist mir auch bekannt, liegt wohl eher an der Berliner Regierung. Nicht für ungut Frau Schwarz, Sie sind 23 Jahre, Sie haben sicherlich schon viel mitbekommen bei Ihrer Tätigkeit, sind Sie aber tatsächlich gerichtlich bestellt worden? Auch Ihre Fälle mit Mängel an Daueringewahrsamnahme möge für Berlin so gelten. Ich kann Ihnen jedoch genügend Fälle mitteilen, bei dehnen genau das Gegenteil passieren sollte. Wegen „Lappalien“ sozusagen Lebenslang, oder weil Interessen von Familienangehörigen(sehr sehr oft) der Grund waren, Leute weg zusperren. Sehr oft haben auch Dritte Interessen, unbequeme Menschen unter dem Mantel der Gutmenschlichkeit los zuwerfen. Es ist eben vieles nicht so schwarz und weiß, wie Sie es hier beschreiben. Das Sie hier soviel Zustimmung erfahren ist der Tatsache geschuldet, dass hier keiner Ahnung über diesen Job hat. Ich erlebe auch nach 25 Jahren in diesem Metier genug Überraschungen. Aber ich stimme Ihnen zu, dass man nicht so viele in Dreck und Fäkalien leben lassen sollte, aber dass ist eine Sache des Sozialstaates. Es ist doch schöner und sieht besser aus, haufenweise Geld für die Integration der Flüchtlinge auszugeben, als für die Querulanten Mitmenschen mit Handycap.
Als Gegner des Sozialstaats sehe ich nicht, weshalb ich dazu gezwungen werden sollte, für die Unterbringung und Lebenserhaltung von Menschen zu bezahlen, wie sie hier beschrieben werden. Die Unterbringung und Betreuung mag in der Theorie zwar schön klingen, ist in der Praxis jedoch Verschwendung, die zudem noch mehr Elend erzeugt, als sie verhindert. Diese Menschen sind durch ihre eigenen Entscheidungen zu dem geworden, was sie sind, und sie verlagern die Kosten dafür auf die Allgemeinheit. Wenn die Allgemeinheit die Lebensumstände dieser Menschen verbessert, verlieren sie ihre Funktion als abschreckendes Beispiel für die, die noch keine schlechten Entscheidungen getroffen haben, und sie reduziert auch die Gründe, die gegen solche Entscheidungen sprechen, weil sie deren Konsequenzen auf fremde Kosten erträglich macht. Der Sozialstaat erzeugt Armut und Elend, anstatt diese Dinge zu bekämpfen. Zudem wurde die Psychiatrie in der Sovietunion zur Entmündigung von Dissidenten gebraucht, die oftmals eine Diagnose bekamen, und ruhig gestellt wurden, sobald sie sich gegen den Staat aussprachen. Diese Gefahr wird umso größer, je niedriger die Schwelle zur Hospitalisierung liegt. Die klinischen Diagnosen im DSM werden von einigen Menschen gemacht, die einfach definieren, was eine Krankheit ist, und was nicht. Heutzutage werden Kinder, die früher als normal gegolten hätten, und die sich nur schlecht mit den unnatürlichen Aufwuchsbedingungen (aka. Schule) arrangieren können, als ADHS-Kranke klassifiziert, und mit einem Amphetaminderivat behandelt, während sich ihr Gehirn noch in der Entwicklung befindet. Das Missbrauchspotenzial der Psychiatrie ist zu groß, um nicht so weit wie möglich beschränkt zu werden. Ist Ihnen zudem klar, dass mehr als die Hälfte der psychologischen Studien nicht reproduzierbar sind, und die Krankheitsverläufe von Depressiven und Schizophrenen heute trotz Behandlung durchschnittlich viel negativer verlaufen, als vor 70 Jahren?
Die Unterbringung nach PsychKG ist ein Ländergesetz - das Berliner kenne ich nicht. Das PsychKG in NRW ist anscheinend anders, und auch die Möglichkeit einer Unterbringung nach BtG - also nach Betreuungsgesetz - wird „hier“ durchaus angewendet
Berlin scheint ja in vielen Bereichen eine unrühmliche Ausnahme zu sein aber es gibt sie durchaus noch, die geschlossenen Einrichtungen und da kommt keiner raus. Therapie ist dort kaum möglich. Zum einen zu wenig Psychologen zum anderen, mit Neuroleptika zugedröhnte Patienten sind nicht therapiefähig. Also zurück in den Knast, von dort aus werden sie dann irgendwann entlassen aber erst nach einem psychologischen Gutachten von einem ihrer Kollegen(innen).
Die Psychiatrie ist ein sehr komplexes Thema. Die Psychiatrie wurde schon immer und wird auch in der Zukunft weiterhin von Politik, Gesellschaft, aber auch von einigen Betroffenen selbst, instrumentalisiert und stigmatisiert. Die Psychiatrie hat sich in den letzten hundert Jahren von Verwahrung und Wegsperren hin zu Entstigmatisierung fundamental gewandelt. Darüber auszulassen würde den Rahmen eines Kommentars völlig sprengen. Da die Autorin noch Studentin ist, vermute ich, dass ihr eine gewisse Arbeitserfahrung i.S.v. Therapie psychisch kranker Menschen fehlt. Sie schreibt: “Die psychisch Kranken stellen eine Gefahr für ihre Umwelt dar”. Ich hoffe, mit “Die psychisch Kranken” meint sie lediglich einen sehr kleinen Teil der Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung. Ca. 1% der Bevölkerung leidet an einer Schizophrenie, sie konzentrieren sich in den Städten mehr als auf dem Land. Wenn dieser Personenkreis wirklich so gefährlich sein sollte, wie hier suggeriert wird, wie viele Taten mit schlimmen Folgen wären dann täglich in Berlin passiert!? Eine Frage an dieser Stelle noch an die Autorin: Meinen Sie mit “Die psychisch Kranken” auch Menschen mit Depression, Burn-Out, Angststörung, Phobien, etc.? Wie gefährlich sind denn diese Menschen für ihre Umwelt? Wenn ich psychisch krank wäre, ich würde mich nur ungern von Ihnen behandeln lassen wollen. Noch eine Notiz am Rande: Die Autorin schreibt: “Krankenhaus des Maßregelvollzuges (= Knastkrankenhaus)”. Sie meint vermutlich ein forensisches Krankenhaus, die forensische Psychiatrie. Das ist ein psychiatrisches Krankenhaus, wo vereinfacht gesagt psychisch kranke Straftäter behandelt werden. Was meinen Sie mit einem “Knastkrankenhaus”? Abgesehen davon, in unserem modernen Rechtsstaat ist es eine essentielle Aufgabe des Gerichtes zur Feststellung der Schuldfähigkeit. Das ist im Gesetz klar geregelt, natürlich nicht immer klar bei der Anwendung. Mit “freundlichem Richter” hat dies nichts zu tun.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.