Liebe Frau Schwarz, ich bin beeindruckt von Ihrem mutigen Artikel. Auch ich bin der Meinung, dass es möglich sein muss, psychisch schwer erkrankte Menschen, die fremd oder eigengefährdend sind, auch längerfristig in einer geschlossenen Klinik unterzubringen. Es war mir nicht bewusst, dass dies in Berlin nicht geleistet werden kann. Dass es Ihnen nicht um ein leichtfertiges Wegsperren von unliebsamen Personen geht, sondern darum, die Gesellschaft vor Menschen zu schützen, die eine Gefahr für andere darstellen, haben Sie durchaus deutlich gemacht. Auch haben Sie interessante Einblicke in den Beruf des Betreuers gegeben. Vielen Dank dafür!
Es gibt die Elendsgestalten in der Öffentlichkeit als Verlorene, weil es die großen Familien nicht mehr gibt, die sie aufnehmen und auffangen. Das Einsperren, also der Entzug der Freiheitsrechte, stellt sich als Problem nur deswegen, weil öffentliche Einrichtungen diese Versorgungslücke nicht zu füllen vermögen. Für Richter stellt sich nur die Frage was höher steht: Freiheits- oder irgendwelche Ordnungsrechte. Wer in einer “Geschlossenen” die Behandlung ablehnt, zum Beispiel die Medikamenteneinnahme, wir nicht einbehalten. Freiheit heißt auch, sich nach eigenen Mäßstäben zugrunde richten zu dürfen ! Sorry, Frau SCHWARZ, dass ich Ihnen (und ihren gewiss ehrlichen Absichten) niemals zustimmen werde. Oder: Freiheit und Gerechtigkeit sind die Sehnsüchte unseres Lebens und unveräußerlich.
Ich wundere mich doch sehr über die Kommentare einiger anderer Leser, die zum Teil auch noch bekennende Psychiater sind. Frau Schwarz stellt in ihrem Artikel doch recht deutlich dar, dass man nicht jeden psychisch kranken Menschen wegsperren muss, wohl aber diejenigen, die für sich selbst und ihre Umwelt eine Gefahr darstellen. Erst mit der Stabilisierung der Betroffenen ist es möglich sie in die Gesellschaft wieder zu integrieren. Ich kann mir vorstellen, dass es für einige Nicht-Berliner schlicht nicht vorstellbar ist, welche Zustände hier herrschen. Wir haben hier eine ganze Reihe tatsächlich gefährlicher Personen, die regelmäßig aus schlecht bewachten Stationen entlaufen. Ich hatte selbst bereits eine Begegnung mit einer Psychotikerin, die auf dem Gelände der Charité ausgebüchst war und daraufhin Studenten attackierte. Anderseits verelenden die Menschen auf den Straßen Berlins und es ist auch nichts anderes als falsches Gutmenschentum, dass sich niemand ihres Schicksal annimmt und ihnen die Hilfe zukommen lässt, die sie tatsächlich benötigen. Sei es in einer wirklich geschlossenen Einrichtung.
Herzlichen Dank für diesen ziemlich schockierenden Beitrag. Da Sie wohl vorwiegend von Psychosen sprechen, muß man anmerken, dass diese bekanntlich nicht heilbar aber medikamentös zu dämpfen sind. Möglicherweise sind da Psychoanalytiker anderer Meinung, aber die halten ja auch den Freudschen Ödipuskomplex für wissenschaftlich. Mich wundert ein wenig, dass Sie einen entscheidenden Punkt nicht erwähnen. Nämlich: Nur ein Richter kann einen schwer Gestörten aus dem Verkehr ziehen. Und da liegt doch der Hase im Pfeffer. Dabei ist er auf die Prognosen von Psychologen angewiesen. Die Krux: Psychologen wiederum sind mitverantwortlich, wenn aufgrund falscher Prognosen potentielle Straftäter als geheilt wieder auf die Gesellschaft “losgelassen” werden. Ein Schelm, wer vermutet, dass Psychologen eben auch Erfolgserlebnisse benötigen, denn die entscheidenden Gutachten stammen von den behandelnden Psychologen .
Im Großen und Ganzen halte ich den Artikel für plausibel und sinnvoll und stimme der Autorin in Vielem zu. Ein absolutes Unding dieses Textes sind jedoch die mehrfachen Verallgemeinerungen, die pauschal alle psychsich kranken Menschen für gefährlich erklären. Ein Beispiel: “Die psychisch Kranken stellen eine Gefahr für ihre Umwelt dar. Sie bedrohen das Leben eines jeden, der sich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort befindet.” Als Psychologiestudentin sollte Frau Schwarz klar sein, dass als “psychisch Kranke” alle Menschen bezeichnet werden, die unter irgendeiner irgendwie geartetet psych. Störung leiden, also z.B. auch Depressive, Menschen mit diversen Angst- oder Essstörungen etc. Sie müsste auch wissen, dass in D jährlich ca. 12% der Bevölkerung zw. 18 und 65 Jahren allein an Depressionen leiden, also diese Menschen definitiv “psychisch Kranke” sind. Mit ihrer verallgemeinernden Formulierung erklärt Frau Schwarz also Millionen von kranken und leidenden Menschen, die für ihre Mitmenschen völlig harmlos sind, für allgemeingefährlich. Ein weiteres Beispiel: “Sobald die Leute aus den Krankenhäusern entlassen werden, verfallen sie einem Teufelskreis.” Wirklich? All die Leute? Oder nicht wohl eher viele, häufig, oftmals? Ich erwarte von einer Studentin, egal welchen Faches, ein gewisses basales Differenzierungsvermögen, über das die Autorin anscheinend nicht verfügt bzw. offenbar nicht dazu in der Lage ist, dieses angemessen schriftlich auszudrücken. Stattdessen werden schlimme Vorurteile pauschal gegen psychisch kranke Menschen geschürt, die ohnehin bereits genau damit und außerdem mit diversen anderen Problemen zu kämpfen haben, sowie oftmals auf Grund der Symptomatik wehr- und kraftlos sind. Dies mag nicht beabsichtigt gewesen sein, ändert aber nichts an der Brisanz. Ich halte es übrigens auch für ein Armutszeugnis der Redaktion, dass diese Fehler nicht aufgefallen sind. Unprofessionell.
Liebe Pauline, ich stimme der 100% zu. Der Irrsinn begann mit dem Werk des Poststrukturalisten und Kommunisten Michel Foucault “Maladie et Déraisonnement” (1961), das von den 68-igern enthusiastisch konsumiert wurde. 1970 bildete sich in Heidelberg das Sozialistische Patientenkollektiv, mit tatkräftiger Unterstützung des Friedensapostels Horst-Werner Richter, das später in der RAF aufging. Der Widerstand gegen diese Ideologie erfordert viel Zivilcourage, weil Du Dir sicher sein kannst von Medien und Politik viel Gegenwind zu bekommen. Die Hoffnung ist, das mit Hilfe der Molekularbiologie die biologischen Ursachen psychischer Erkrankungen immer besser verstanden werden. Dann stehen die Vertreter der Antipsychiatrie genauso blöd da wie die Vitalisten nach den Arbeiten von Luis Pasteur
Liebe Frau Schwarz. Vielen Dank für den prima Artikel. Ich hoffe man hört hier nun öfter etwas von Ihnen! Ich möchte ergänzend etwas beisteuern: Eine Bekannte hatte eine Anstellung in der Verwaltung bei einem freien Träger (Eingliederung benachteiligter Personen) bekommen. Es wurde ein Getränkemarkt betrieben, wo die einzugliedernden Personen arbeiten konnten. Es kam dazu, nach ungefähr einem halben Jahr, dass diese Bekannte kurz vor der Ladenöffnungszeit mit einer dieser Personen allein im Markt war. Dieser Mann fiel plötzlich und völlig unvermittelt über die Frau hinterrücks mit einem Messer her und versuchte sie zu töten. Es kam zu einem heftigen Kampf und es gelang ihr, sich mit letzter Kraft in einem Büro einzuschliessen und telefonisch Hilfe zu holen. Ein Kripo-Beamter sagte später vor Gericht aus, dass es am Tatort “wie in einem Schlachthaus” ausgesehen hätte. Der Anwalt der Bekannten erfuhr durch Akteneinsicht, dass es sich bei diesem Mann um einen vorbestraften Mörder und Vergewaltiger handelte. Welcher als einzugliedernde Person ganz normal in einem öffentlichen Getränkemarkt arbeitete, täglichen Kundenumgang hatte. Und auch niemand von den eigenen Verwaltungsmitarbeitern war von der Geschäftsleitung des Trägers informiert worden, um wen es sich bei diesem Mann eigentlich handelte. Man arbeitete arglos täglich zusammen, ohne etwas zu wissen. Die Geschäftsleitung liess es sogar zu, dass eine Frau alleine mit diesem Mann zur gleichen Schicht eingeteilt worden war. Es ist völlig unglaublich. Später vor Gericht gab der Mann offen zu, dass er die Absicht gehabt hatte, diese Frau zu töten. Er wurde schuldig gesprochen wegen versuchten Mordes und fuhr ein. Die Bekannte befand sich noch anderhalb Jahre nach der Tat in stationärer psychiatrischer Behandlung. Die ist fertig für die Welt. Und der lokalen Presse war der Vorfall nur eine winzige Meldung, ohne jegliche Nennung näherer Umstände wert.
Die Psychologie fragt selten nach den Ursachen für einen Zustand. Sie beschreibt das Symptom, sie gibt dafür Handlungsanweisungen und diese werden gelehrt. Aber mal einen leichten Fall von Depression in den Arm nehmen ist für viele Psychologen schon zuviel an angeforderter - unprofessioneller Empathie. Es gibt hirnorganisch bedingte Fälle, die tatsächlich aus medizinischen Gründen geschlossen untergebracht werden müssen. In den meisten Fällen sind jedoch soziale Prägungen für die Abart von dem undefiniert Normalen die Ursache. Wenn der Sohn eines Chefarztes zu klauen beginnt oder eine Sexbeziehung nach der anderen hinlegt, ist nicht der Sohn des Übermenschen in Weiß krank, sondern der Vater. Und wenn der so krank ist, eiskalt die Kompetenz schizophren an die Stelle des eigentlichen Ichs mit Vornamen und Schwächen zu stellen, dann ist es ein dynastisches Problem innerhalb der Familie. Spricht das einer heute in der Psychiatrie einmal aus ? Nein ! Und genau deshalb gilt höchstens der Satz von Erich Fromm, daß die Kranken, die glauben besser und gesund zu sein, die Gesunden, die immer noch krank werden als Folge eines Zustandes - behandeln, in der Meinung selber normal zu sein. Ich glaube, daß immer noch die Menschen am ehesten die Psyche studieren, die sie ohne Studium niemals ergründen würden. Das ist ein erlaubtes Mittel der Selbsthilfe.
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