Sollte der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt werden? Mein Contra im Kölner Stadt-Anzeiger von heute:
Der König ist tot, es lebe der Präsident. Die Sehnsucht nach einem überparteilichen, über den Niederungen von Lobbys und Gremien schwebenden echten Volksvertreter ist nicht kaputtzukriegen. Immer wieder taucht zumindest die Forderung auf, den Bundespräsidenten direkt wählen zu lassen. Das hat damit zu tun, dass die Deutschen mit dem Parlamentarismus immer noch nicht so richtig warm geworden sind.
Er ist vielen zu profan. Dazu kommt der falsche Eindruck, es fehle dem Präsidenten bisher an Legitimität. Dem ist nicht so. Dadurch, dass in der Bundesversammlung Bundestagsabgeordnete und Ländervertreter paritätisch vertreten sind, ist gewährleistet, dass die Wahl den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Lande Rechnung trägt.
Mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung für die Politikverdrossenen - das ist ein legitimes Ziel. Aber es wird nicht erreicht, indem die Bürger einen Präsidenten küren, der nichts zu sagen hat. Im Gegenteil: Einen Grußonkel direkt wählen zu lassen, dessen Unterschrift die Ehrenurkunden der Bundesjugendspiele ziert, könnte den Bürgern leicht als Mogelei vorkommen. Niemand braucht so einen Bonsaimonarchen. Also müsste dieser anders gewählte Präsident auch eine andere Rolle erhalten. Aber wie wichtig soll sie sein? Was soll der Bundespräsident fürderhin tun, was bisher die Aufgabe von Regierungen und Parlamenten ist? Soll er oberster Heerführer werden, damit die Schwächen einer lahmen Parlamentsarmee beseitigt werden können? Soll er den Bundestag auflösen können, wenn er ihm nicht mehr gefällt? Es ist sicher falsch, immer gleich den Vergleich mit der Weimarer Republik herbeizuziehen. Aber hier drängt er sich auf. Die Eltern des Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht, als sie keinen Platz für einen neuen Hindenburg vorsahen. Für eine Neubestimmung des Präsidentenamtes müsste also die Verfassung geändert werden. Das Staatsoberhaupt müsste Kompetenzen bekommen und zugleich unter die Kontrolle anderer Verfassungsorgane gestellt werden. Ein bisschen viel Aufwand für etwas, das keinen Sinn ergibt. Denn die Vorstellung von der Person, die über allen Wassern schwebt, ist Fantasterei. Auch ein direkt gewählter Präsident müsste von Parteien aufgestellt werden. Selbst wenn jemand sich als Vertreter des ganzen Volkes gerierte - er oder sie wird immer zu einem großen Teil die Dinge vertreten, wegen derer ihn die Mehrheit gewählt hat. Auch die Vorstellung, durch ein anderes Wahlprozedere würden die Kandidaten charismatischer, ist albern. Wenn Franz Beckenbauer Bundespräsident werden wollte, müsste er es nur sagen - der Wahlmodus ist nicht entscheidend.
Dem gestutzten deutschen Präsidenten mag der Glanz der Macht fehlen. Aber gerade das macht dieses Amt doch sympathisch. Nur so ist der romantische Gedanke, der Präsident habe mit niederem Parteienkampf wenig zu tun, überhaupt zu retten.
Kölner Stadt-Anzeiger, 26.6.07
Dass Heinrich August Winkler das genauso sieht, schmeichelt mir natürlich. Mein Kollege Horst Schiffmann sieht es anders. Hier sein Pro.