Alle Personen dieses Berichts sind frei erfunden, doch hat er leider einen wahren Kern. Um zu verstehen, was geschah, braucht es keine Verschwörung.
Regentin beim Frühstück: Meine Güte, wie schrecklich war es doch vor der Pandemie.
Ehemann: Was meinst Du?
Regentin: Erinnerst Du Dich, wie ich manchmal gute Ansätze hatte, Deutschland voranzubringen? Die Sorge vor Einwänden der „Parteifreunde“ hielt mich ab, sie zu lancieren. Die Opposition hätte meine Ideen ohnehin zerrissen. Und dann erst die Leitartikler mit ihren schmierigen Kommentaren – das Echo in der Öffentlichkeit wäre verheerend gewesen! Also habe ich meist geschwiegen. Die Kritik an Banken- und Eurorettung, Kraftwerksschließungen und Grenzöffnung hat mir gereicht.
Ehemann: Und jetzt ist es besser?
Regentin: Aber hallo! Sämtliche Fraktionstreffen, Parlamentssitzungen und Pressekonferenzen sind abgesagt – aus Infektionsschutzgründen (kichert). Der Finanzminister hat mit seiner genialen „Bazooka“ Milliarden beschafft, die wir jetzt verteilen. Will gleich mal in mein Notizbuch schauen, wer sich in der Vergangenheit nett verhalten hat – ach, schon das erste Telefonat.
Intensivmediziner: Sie wollten mich dringend sprechen.
Regentin: Stimmt, es geht um die überfüllten Kliniken.
Intensivmediziner: Wir sind aber stark unterbelegt, rund 30 Prozent.
Regentin: Hören Sie mal gut zu: Sie erhalten so viel Geld für Ihre Stationen, wie Sie brauchen, aber dafür werden Sie den Fernsehsendern bestätigen, dass Sie an der Grenze angelangt sind, einverstanden?
Intensivmediziner: Deal! Ich fürchte nur, dass jeder die Lüge im DIVI-Intensivregister erkennen kann.
Regentin: Papperlapapp! Wer schaut denn ins DIVI-Intensivregister? Ein paar Twitternerds vielleicht, dieser @FrankfurtZack und ähnliche Typen. Verglichen mit meinen Sendern ist deren politische Relevanz gleich Null. Ich will dafür sorgen, dass Millionen vor der Kiste erschaudern. Der ÖRR hat alte Archivbilder von Intensivstationen besorgt, auf denen man ohnehin nicht erkennt, worum es geht. Wir werden jeden Abend Brennpunkte senden, bis auch der letzte Widerstand einknickt! Schönen Tag noch, es kommt gerade ein anderes Gespräch.
Fernsehdirektor: Guten Tag, das mit den Archivbildern haben wir arrangiert, wollen aber möglichst objektiv berichten, wenn es geht.
Regentin: Moment mal, von wem erhalten Sie Ihre Gebühren – zahlen die Zuschauer etwa freiwillig? Gefragt sind jetzt sind Solidarität und Engagement! Ich habe zwei Bitten an Sie. Erstens regelmäßige Interviews mit den Intensivmedizinern, damit die erzählen, wie krass die Kliniklage ist. Möglichst in Arztkitteln, das wirkt authentisch.
Fernsehdirektor: Ok, und zweitens?
Regentin: Holen Sie Virologen in die Studios.
Fernsehdirektor: Unsere Fachredakteure meinten, Experten wie Epidemiologen und Ärzte für Öffentliche Gesundheit wären besser geeignet.
Regentin: Nein, die habe ich schon abtelefoniert, die sind unkooperativ, halten die Maßnahmen für überzogen und faseln von Schweden. Die Zuschauer wissen doch nicht, dass Virologen keine Patienten haben, sondern im Labor stehen oder Biowaffen am PC kreieren. Also, bitteschön, viele Brennpunkte mit Virologen und Emotionen. Sie schaffen das.
Fernsehdirektor: Aber selbstverständlich!
Regentin beim Abendbrot: Insgesamt ein schöner Tag. Nur unwesentlich getrübt durch zwei Kabinettsmitglieder.
Ehemann: Wer schießt denn quer?
Regentin: Der Finanzminister sagt leider, wenn er die Bundestagswahl gewinnt, will er die Pandemie beenden.
Ehemann: Aber warum denn das – er profitiert doch auch vom Notstand?
Regentin: Er meint, wenn er keine Lockdowns mehr verhängt, behält er viel Geld im Topf, das er unter Umgehung der Schuldenbremse für Klimakram und ähnliches zweckentfremden kann.
Ehemann: Und der andere?
Regentin: Den Innenminister konnte ich nicht erreichen, er spielt wohl den ganzen Tag mit seiner Eisenbahn. Ich wollte ihn fragen, ob er für die Demos Hilfe von der Bundeswehr braucht. Schicke ihm morgen ein Fax. Technisch sind wir ja auf dem neuesten Stand.
Stefan Homburg ist Professor für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover im Ruhestand. Auf Twitter bzw. X folgen ihm unter @SHomburg über 120.000 Menschen.