Er hatte seinen Auftritt. Aber gewonnen hat er nicht. Der Satz, es gebe im Iran keine Homosexuellen, wird haften bleiben von der New-York-Reise des iranischen Präsidenten. Die Studenten an der Columbia-Universität haben ihn für diesen Satz ausgelacht. Die US-Medien haben ihn genüsslich zitiert. Denn die groteske Behauptung markierte nach der berechtigten Debatte über die Chancen und Grenzen der Redefreiheit vor allem die Grenzen des Mahmud Ahmadinedschad. Er war nicht darauf vorbereitet, dass Universitätspräsident Lee Bollinger ihn attackieren würde. Ahmadinedschad wollte den Westen vorführen, doch Bollingers bohrender Eloquenz war er nicht gewachsen.
Die Erleichterung, dass der Abend so verlief, ist den Kommentaren in den USA anzumerken. Der kleine rhetorische Sieg des Lee Bollinger über das Böse hat die liberale Selbstgewissheit gestärkt, die besseren Argumente zu haben. Um dies zu erreichen, muss man auch mal Positionen ertragen, die sonst zu Recht vom freien Diskurs ausgeschlossen sind - wie die Leugnung des Holocausts.
Bollinger hat zweierlei klargestellt. Erstens: Einem Menschen, dessen Ansichten man verabscheut, ein Forum zu geben bedeutet nicht, sich diese Ansichten zu eigen zu machen. Zweitens: Es ging nicht um die Rechte des Redners, sondern um die Interessen der Zuhörenden. In diesem akademischen Experiment ging es nicht darum, den Iraner zu überzeugen. Das wäre albern. Er sollte sich bekennen müssen. Das ist gelungen.
Irans Präsident hat in New York alles gesagt, was er zu sagen hat. Mehr ist da nicht - nichts Neues oder gar intellektuell Überzeugendes, nichts, was nicht von den offenen Gesellschaften des Westens widerlegbar wäre, die bereit sind zu argumentieren. Dafür wiederum müssen sie sich ihrer selbst sicher sein.
Wer über was wo mit wem reden darf - diese Fragen sind in der Politik allerdings komplizierter als im Freiraum einer Universität. Das zeigt der Auftritt Ahmadinedschads bei den UN. Dass ein Mitgliedsstaat einen Redner in die Vollversammlung entsenden darf, ist dort unstrittig. Egal, ob es sich um eine gewählte Bundeskanzlerin oder einen Despoten auf Lebenszeit handelt. Debatten über das Gesagte sind nicht vorgesehen.
So konnte Ahmadinedschad 40 Minuten lang die USA und Israel anklagen, ohne beide Namen auszusprechen. Er konnte sich zum Wahrer der Menschenrechte erklären und sogar sagen: „Seit mehr als 60 Jahren wird Palästina als Entschädigung für die Verluste während des Zweiten Weltkriegs in Europa vom illegalen zionistischen Regime besetzt.“ Wie schön wäre es gewesen, wenn an dieser Stelle ein Lee Bollinger hätte rufen können: „Sie lügen, Herr Präsident! Die Gründung eines legalen jüdischen Staates in Palästina wurde vor 60 Jahren von genau dem Gremium beschlossen, vor dem Sie gerade stehen.“
Die Spielregeln der UN verlangen es, dass man Inszenierungen wie die des Mahmud Ahmadinedschad über sich ergehen lassen muss. Das ist nicht leicht. Zumal es in der Vollversammlung auch Beifall gibt für Ahmadinedschads Vorwürfe. Aber am Ende kommt es auf das an, was Angela Merkel betont hat: Dass der UN-Sicherheitsrat sich im Atomstreit nicht spalten lässt von dem iranischen Blendwerk und seinen unnachgiebigen Kurs beibehält. Egal, was geredet wird.
Leitartikel im Kölner Stadt-Anzeiger, 27.9.07