Markus Vahlefeld / 09.02.2019 / 06:19 / Foto: Deutsche Fotothek‎ / 75 / Seite ausdrucken

Die Lust, den Lebensstandard abzusenken

Nach einem anstrengenden Wochenende saßen meine Frau und ich letzte Woche auf der Couch und ließen die Nachrichten im Fernsehen an uns vorbei passieren. Es war der Tag des "Kohleausstiegs", an dem endlich unsere Gesundheit, unser Klima und überhaupt die ganze Welt gerettet worden waren. Zum Ende des Berichts hieß es, dass die betroffenen Energieversorger ob den drohenden Stilllegungen der Kohlekraftwerke Schadensersatzansprüche gegen den deutschen Staat prüften. Meine kluge Frau kommentierte das mit der überaus simplen Frage: "Warum können wir eigentlich keine Schadensersatzansprüche gegen den deutschen Staat prüfen, wenn er uns das Fahren mit dem Diesel verbietet?"

So lapidar die Frage anmutet, sie beschäftigt mich seitdem täglich. Warum werde ich das Gefühl nicht los, jeden Tag von der Politik bevormundet, gemaßregelt und eingeschränkt zu werden, ohne dass ich dagegen etwas unternehmen kann? Um das etwas vage und trübe Gefühl zu konkretisieren: Warum wird überhaupt nur daran gedacht, für fast 15 Millionen Diesel-PKW in Deutschland Fahrverbote einzuführen, während die 15 größten Kreuzfahrt- und Containerschiffe mehr Schwefeloxid ausstoßen als alle 760 Millionen Autos weltweit? Wo sind wir in der politischen, ökologischen und sozialen Frage derart verkehrt abgebogen, dass die Maßregelung von 15 Millionen Menschen in Deutschland wahrscheinlicher ist als das Stilllegen von 15 Seeschiffen?

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin weder für das eine noch das andere. Und ich verstehe auch, dass der Welthandel in seiner jetzigen Form zusammenbrechen würde, wenn man den Containerschiffverkehr verbieten würde. Nur läuft eben momentan ein Programm ab, das irgendwann völlig falsch eingegeben wurde. Es lautet: Die großen Zusammenhänge werden immer gigantischer und für die Politik unkontrollierbarer, während dem Einzelnen ständig der Rammbock irgendwelcher politischen Verbote in den Rücken gehauen wird. Und je unkontrollierbarer das Große erscheint, desto attraktiver wird die Bevormundung des Einzelnen. Man könnte es auch die Rache der Politik im Angesicht ihrer Machtlosigkeit nennen. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. 

Deutschland auf dem letzten Platz der Privatvermögen 

Die andere Hälfte der Wahrheit ist eben, dass alles, was unter dem Stichwort Globalisierung firmiert, von der Politik nicht angetastet wird, während sie noch nie so machtvoll in die Leben ihrer Bürger – oder soll ich schreiben: Untertanen? – eingegriffen hat wie seit einigen Jahren. "Wir" – damit ist Deutschland gemeint – sind ein reiches Land, heißt es allenthalben. Wenn man jedoch die Vermögensverhältnisse in den EU-Staaten vergleicht, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Weit abgeschlagen liegt Deutschland auf dem letzten Platz der Privatvermögen

Deutschland als Ganzes ist wirtschaftsstark, die einzelnen Bürger jedoch können keine Vermögen mehr bilden. Stattdessen zahlen sie in die staatliche Rentenkasse ein und hoffen, irgendwann mal etwas davon zurück zu bekommen. Dass ein Großteil meiner Generation bis 70 wird arbeiten müssen, um dann eine karge Rente zu erhalten, die nochmals mit staatlichen Zuschüssen aufgepimpt wird, damit es für's Leben reicht, ist ja eine Wahrheit, die sich inzwischen durchgesetzt hat. Auch hier gilt: Das eigenverantwortliche Leben wurde eingetauscht gegen ein Leben in staatlicher Fürsorge.

Bei der Arbeitslosenversicherung sieht es ähnlich aus. Diese Leistung eine "Versicherung" zu nennen, ist nicht nur unverschämt, es ist eine glatte Lüge. Wer in die Abeitslosenversicherung einzahlt und sie schließlich in Anspruch nehmen muss, wird nach wenigen Monaten in den Hartz-IV-Bezug geschickt. Man zahlt also zuerst in eine "Versicherung", um dann von staatlicher Stütze zu leben, die in gleicher Höhe auch jenen zusteht, die nie in diese Versicherung eingezahlt haben. Das ist ein merkwürdiges Konzept, und ich könnte schwören, ein selbstbestimmtes Leben, bei dem Leistung und Gegenleistung in Relation stehen, sieht anders aus.

Nennen Sie mich bürgerlich, von mir aus auch bourgeois, aber es war nie mein Lebensentwurf, irgendwann mal von staatlicher Stütze leben zu müssen. Nur sind die Sozialsysteme so angelegt – und inzwischen leider auch in dem Zustand –, dass sie direkt in die Alimentation durch den Staat führen. Überhaupt scheint ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wirtschaft darauf angelegt zu sein, ohne staatliche Eingriffe und Beihilfen nicht mehr funktionieren zu können. Und damit meine ich gar nicht die schier unendliche Zahl an Förderprogrammen. 

Ein Blick hinüber ins Nachbarland Schweiz

Wenn man bedenkt, dass Millionen Jobs in der Wirtschaft so schlecht bezahlt sind, dass nur eine Bezuschussung durch die Arbeitsagentur die Arbeitenden über die Runden kommen lässt, wird deutlich, dass die Löhne in Deutschland viel zu niedrig sind. Zwar ist gewährleistet, dass Deutschland in Zeiten der Globalisierung dadurch halbwegs konkurrenzfähig bleibt, an der Tatsache, dass Vollzeit arbeitende Menschen trotzdem von ihren Einkünften nicht leben können, ändert es nichts. Man hat sich halt damit abgefunden, dass das Geld, das die Wirtschaftsunternehmen nicht zu zahlen bereit sind, von der Allgemeinheit bereitgestellt wird. Die einzige Frage, die sich dann noch stellt, lautet: Wie nennt man dieses Wirtschaftssystem eigentlich? Marktwirtschaft wohl nicht und Kapitalismus schon gar nicht. Ist das schon der berühmte Sozialismus mit menschlichem Antlitz?

Ein Blick hinüber ins Nachbarland Schweiz zeigt ja auf, wohin reale Löhne und reale Kosten ohne staatliche Intervention führen. Dort lehnte eine Volksabstimmung 2016 zwar ein bedingungsloses Grundeinkommen ab, aber allein die taxierte Höhe des Grundeinkommens war beachtlich: es sollte 2.500 Franken betragen, das sind umgerechnet 2.200 Euro. Der Mindestlohn für Vollzeitarbeitskräfte in der Schweiz beträgt knapp 3.500 Franken. Das heißt ja nicht, dass jeder Arbeitende in der Schweiz wohlhabend ist, es zeigt aber eine reale Lohnentwicklung, die nicht von staatlicher Bezuschussung verunreinigt wurde. Langsam verstehe ich, warum ich mir Urlaub in der Schweiz nicht mehr leisten kann, während in Kindheitstagen die Schweiz ein ganz normales Reiseland für meine Familie und mich war.

Glaubten die Menschen früher an einen gütigen oder zornigen Gott, der die Welt zubereitete, so glauben wir Deutschen heute an den allmächtigen Staat, der alles zu regeln imstande ist. Von Frauenquoten, über Gendersprachregelungen und Einheitslöhne, bis hin zu Fahrverboten – nur zu gerne treten wir freie Entscheidungen an die staatlichen Reglementierungsorgane ab. Selten ehrlich hat sich die taz am 29. Januar gemacht, als sie das Tempolimit auf deutschen Autobahnen mit dem Argument forderte, das Auto sei immer auch "die maschinengewordene Identität des deutschen Mannes. Fortschrittlich, frei, uneingeschränkt und dabei immer auch ein bisschen dreckig."

Der deutsche "Dachschadenanzeiger"

Und weil diese Identität neuerdings unter "toxischer Männlichkeit" firmiert, sei das Tempolimit dringend geboten, um dieses "anstrengende Männlichkeitsbild" zu brechen.

"Es müssten sich eben andere identitätsstiftende Dinge finden. Deutschland, Ort der Gleichstellung. Deutschland, Land sozialer Gerechtigkeit. Deutschland, wo selbst eine vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus voll Zuversicht in den Sonnenuntergang flattern kann. Und das alles dank des Tempolimits. (...) An irgendeiner Säule der sogenannten deutschen Leitkultur muss man auf dem Weg zur postnationalen Gesellschaft ja zu sägen anfangen."

Nun war es der vortreffliche Wolfgang Röhl, der hier auf der Achse die taz den deutschen "Dachschadenanzeiger" unter den Tageszeitungen nannte. Und trotzdem überrascht die Penetranz, mit der eine neue Ordnung gefordert wird, immer wieder aufs Neue. Hier wird sich gar nicht mehr die Mühe gemacht, ein Tempolimit mit irgendwelchen ökologischen Notwendigkeiten zu verbrämen. Hier geht es nur noch darum, das Bestehende zu zersägen, um einem neuen Menschen voller Gleichstellung, sozialer Gerechtigkeit und Sonnenuntergangsflattern den Weg zu bereiten. Und natürlich ist es der Staat, der dafür Sorge zu tragen hat, dass dieser neue Mensch zu seinem Recht kommt.

Das große Versprechen des Abendlandes war die Freiheit des Einzelnen. Sie machte seine Würde aus. Was wir bekommen haben, ist ein überbordender Staat und Menschen, die Reglementierungswut und Verbote zur Lenkung einfordern. Was läuft in diesem Land falsch, dass ein deutscher Wirtschaftsminister davon träumen kann, Unternehmen zu verstaatlichen? Dass in der Hauptstadt Berlin Pläne reifen können, private Wohnungsgesellschaften zu enteignen? Und dass in Brandenburg – ganz offenbar grundgesetzwidrig – die Pflicht zur paritätischen Wahl von Frauen und Männern eingeführt wird? Was läuft falsch in diesem Land, dass die grünbekannte Verbotslüsternheit der taz genauso von der altehrwürdigen ZEIT vertreten wird, wenn der stellvertretende Chefredakteur Bernd Ulrich twittert: "weil mir Freiheit das wichtigste ist, will ich einen starken Staat, auch einen ökologisch tatkräftigen. Freiheit gegenüber dem Staat ist mehr so 20. Jahrhundert, Freiheit durch den Staat mehr so 21." 

"Freiheit durch den Staat", das ist Orwell-Sprech, und nein, das habe ich mir jetzt nicht ausgedacht, das hat Bernd Ulrich ernst gemeint.

Siehe, das Ende ist nah

Was stimmt: Die drei Säulen der westlichen Kultur – Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Solidarität – werden momentan in einer Schnelligkeit zersägt, die sprachlos macht. Und immer, wenn es um die staatliche Einschränkung der Freiheit geht, wird das Argument der Klima- und Weltrettung als letztes Damoklesschwert über der toxischen Männlichkeit geschwungen. Siehe, das Ende ist nah und deswegen müssen wir alles verbieten, was in den jetzigen Zustand geführt hat. Und wem kann man besser die Schuld in die Schuhe schieben als dem alten weißen Mann, der nur vom Staat in Ruhe gelassen werden und sein Leben halbwegs eigenverantwortlich zu Ende bringen will.

Schrieb ich "alles verbieten"? Nein, das ist ja auch nicht wahr. Es werden ja nur die Spielräume des Einzelnen beständig eingeengt, während das Große – das Postnationale, die Globalisierung, die Weltwirtschaft – sich am besten regellos ständig weiter ausbreiten soll. Das ist am Ende der Fluch, der aus der unsichtbaren Verbrüderung von postnationaler Ökoreligion und Neoliberalismus erwachsen ist. 

Das erste Opfer dieses Fluchs ist die systemische Einschränkung der Eigenverantwortung zugunsten regelloser Weltbewegungen. Das zweite Opfer ist die Aushöhlung der Solidarität. Dass die westlichen Gesellschaften so massiv gespalten sind, kann man auf irgendwelche Rechts- und Linksrucke zurückführen oder auf die immer konträrer werdenden ländlichen und urbanen Lebensverhältnisse. Aber wenn die SPD ihre Stammwählerschaft, die Arbeiter, bereits als verloren ansieht, weil sie mit ihnen und nur mit sehr viel Glück noch Wahlergebnisse im niedrigen zweistelligen Bereich einfahren kann, dann hat es zum einen mit der geringer werdenden Zahl der Arbeiter in postindustriellen Gesellschaften zu tun. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Solidarität unter denen, die noch Arbeit haben, nicht mehr existent ist. 

Die Arbeiterklasse ist perdu, und trotz aller Genderkorrektheit ist eine „Arbeitenden-Klasse“ nicht in Sicht. Stattdessen versteht sich der vegan-urbane postnationale Progressive als Ich-AG und damit unfähig, ein Klassenbewusstsein zu entwickeln. Die Zersplitterung des Wirtschaftslebens in Millionen nomadenhafte Ich-AGs kennt nur zwei Gewinner: die Wirtschaft, die sich keinem geschlossenen Block aus Ausgebeuteten mehr gegenüber sehen muss, und die Politik, die der sozialen Frage vor dem Hintergrund der viel, viel anspruchsvolleren Weltklimarettung einfach aus dem Weg gehen kann. Und zur sozialen Frage gehört auch: Wie kann man den Menschen ihre eigenverantwortliche Würde lassen.

Die Lust, den Lebensstandard abzusenken

Als vor 10 Jahren Thilo Sarrazin, damals Finanzsenator in Berlin, Sozialtarife für Arme bei den Energiekosten ablehnte und den Rat aussprach, lieber einen dicken Pullover in der Wohnung anzuziehen, war das Geschrei riesengroß. Soziale Kälte im wahrsten Sinne des Wortes. Heute führen Schulen sogenannte "warme-Pulli-Tage" ein, um an sogenannten "Energiesparprogrammen" des Staates teilzunehmen und den Kleinen aufzuzeigen, dass man Heizungen auch durch dicke Pullover ersetzen kann. Das führt zwar zu Kopfschütteln, aber für die Rettung des Klimas sind wir Deutschen bereit, aus Überzeugung und mit Freuden auch zu frieren. Die Lust, den Lebensstandard abzusenken, um irgendein Klima zu retten, hat sich als nationale Aufgabe durchgesetzt. Wir wollen gar nicht mehr für jeden den Wohlstand mehren. Soziale Kälte war gestern, heute heißt es: Frieren fürs Weltklima.

Wohin es mit der Solidarität gekommen ist, kann man ja am besten am Zustand der Linken in Deutschland erkennen, die ihre Sammlungsbewegung "Aufstehen" nicht vom Fleck bekommen. Die Überdehnung des Solidarbegriffes für jeden ausländischen Straftäter steht ja im eklatanten Widerspruch zu den ausbleibenden Solidaritätsbekundungen für die Gelbwesten, die nur wenige Kilometer westlich des Rheins ihre Revolution proben. Warum das so ist? Die Ausgebeuteten sind in der postnationalen Ideologie alle Menschen außerhalb des eigenen Kulturkreises. Innerhalb des eigenen Kulturkreises kann es gar keine Ausgebeuteten mehr geben, denn es wird ja der gesamte westliche Kulturkreis als männliche Ausbeuterkultur definiert. Der Wunsch nach Teilhabe an ihr ist also bereits Ausweis einer Ausbeuterhaltung.

Und es ist ja auch so, dass sich die Protestbewegungen in den westlichen Ländern – die Trump-Wähler, die Brexit-Befürworter, die Gelbwesten – nicht als Bewegungen der Ausgebeuteten verstehen, sondern als Bewegungen der Verarschten. Sie fühlen sich vom Staat wie Weihnachtsgänse ausgenommen, aber sie fühlen sich nicht von einem bösen Kapitalisten mit Frack und Zylinder ausgebeutet. Dass sich aber die Linken, die die größten Nutznießer des Staates sind, gegen die Kuh wenden, die sie so schön melken können, ist sehr unwahrscheinlich und lässt ihre Solidarität mit den Protestierenden gen Null schwinden.

Die einzige Solidarität, die man sich innerhalb der deutschen linksliberalen Denkblase noch vorstellen kann, ist diese merkwürdige Solidarität mit einer imaginierten Natur und dem ausgebeuteten Klima. Keine einzige Gelbweste in Frankreich erhält so viel mediale Aufmerksamkeit wie eine minderjährige Klima-Ikone, die davon träumt, die Menschen in Panik zu versetzen. Das ist so erschütternd, weil es so infantil und vor allem: so hässlich ist. 

Menschen in Panik versetzen zu wollen, gilt gemeinhin als Hetze. Geht es aber ums Klima, gilt es als Weisheit. Und jedes Medium, das lustvoll mit Greta mittrommelt, sollte vor ideologischer Borniertheit entabonniert werden. Man kann über Greta als interessantes Phänomen einer fiebrig-kranken Gesellschaft berichten, aber man kann doch nicht ernsthaft den Quatsch, den sie absondert, als Nachricht verkaufen.

Ich kann nur zu Gott beten, dass in einigen Jahrzehnten Historiker in schallendes Gelächter ausbrechen ob der Absurdität des Bildes, dass ein junges Mädchen, im Schnee sitzend und schwer eingemümmelt in Wollmütze und Schal, gegen eine vermeintliche Erwärmung des Klimas demonstriert, während die Gesellschaften, in denen sie ernst genommen wird, zersplittern und zerreißen. Es ist nicht zum Aushalten!

Das und noch viel mehr behandelt Markus Vahlefeld in seinem neuen Buch: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Oktober 2018, erhältlich hier: www.markus-vahlefeld.de

Foto: Deutsche Fotothek‎ CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Gabriele Schulze / 09.02.2019

@Silvia Polak: so sehe ich das auch - es ist Desinteresse. Trefflicher Artikel, Herr Vahlefeld! Zur Verarmung und Freiheitsberaubung gehört auch der Verlust an harmlosem Sprachwitz. Erst heute, als ich fremdgehenderweise im Bio-Laden ein Süppchen schlürfte, erlebte ich gelinde Schadenfreude. Ein wohlbestalltes Ehepaar, Anfang 60, saß neben mir. Der Mann sagte: “Hier haben sie auch Berliner. Ist doch aber eigentlich diskriminierend. Wir dürfen doch auch nicht Negerkuss und Zigeunerschnitzel sagen”. Er setzte die Rede fort, aber in Bitternis, nicht aufmüpfigem Witz. Und ich dachte: Tja, das werdet ihr ja wohl gewählt haben. Will damit sagen, die Leute werden sich über Einschränkungen beschweren, aber seltenst Zusammenhänge herstellen. Es sei denn, sie lesen die Achse…..

Helmut Driesel / 09.02.2019

  Auf Carta steht ein Artikel von Katja Kipping, der Ihnen, sehr geehrter Herr Vahlefeld, rundum recht gibt. Wahrscheinlich ohne jede Absicht. Was mich angeht, glaube ich nicht, dass man das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Staat so einfach ausloten und gestalten kann. Die Freiheit jedes Einzelnen beschränkt ja die Möglichkeiten aller übrigen. Je länger eine Gesellschaft sehr freiheitlich organisiert sind, je mehr Individuen es also schaffen, sich ein Leben zu gestalten, das ein Maximum an Freiheit verwirklicht, je deutlicher wird den Übrigen, dass ihre Vorstellungen von einem ebenso freien und erfüllten Leben sich nicht ohne weiteres, gegebenenfalls nicht ohne größte Anstrengungen erfüllen können. Das mündet periodisch in der Forderung, der Staat möge mehr Gleichheit herstellen, indem er die jeweils Freiesten mehr oder minder willkürlich beschränkt. Der Staat, der Gleichheit ja immer als Chancengleichheit versteht, beschränkt dann immer einheitlich, er tut z.B. etwas gegen zu hohe Mieten oder besteuert Reiche besonders krass. Das geschieht in einem fortlaufend sich kulminierenden Prozess so lange, bis Mehrheiten ihre Lage als zu unfrei empfinden. Ganz allgemein wollen Menschen, die einen hohen Lebensstandard haben, dass der Staat seine Ressourcen aufwendet, um Sicherheit und Kontinuität zu garantieren. Menschen, die ihre Situation als schlecht oder unterprivilegiert empfinden, wollen dagegen vom Staat, dass sich etwas daran ändert, dass sie begünstigt oder gefördert werden. Das ist ein grundsätzlicher Widerspruch, den die staatlichen Aktoren versuchen müssen auszutarieren. Erschwerend wirkt, dass Individuen nicht immer realistische Urteile zur eigenen Lage treffen. Während der Staat immer an der Ökonomie entlang denken und handeln muss und keine Rücksicht auf das gefühlte Befinden seiner Bürger nehmen kann. Zusammenfassend denke ich also, dass hier viel Gesetzmäßiges vor sich geht, dass die gutmeinenden fortschrittlichen Liberalen so nicht wahr haben wollen.

Steffen Rascher / 09.02.2019

Leute - mal kurz gefass: Die BRD ist der DDR beigetreten. Dafür läuft es doch noch ganz gut.

Dr. Roland Mock / 09.02.2019

Ein ziemlich starker Text von Vahlefeld. Ausnahme: Die angebliche „ Verbrüderung von postnationaler Ökoreligion und Neoliberalismus“. Ich weiß nicht, was der Autor unter „Neoliberalismus“ versteht. Ich verstehe darunter einen Kampfbegriff der Linken, welcher die Marktwirtschaft (den „Kapitalismus“)  denunzieren soll. Und Marktwirtschaft ist doch nun gerade das, was wir brauchen, um den von Vahlefeld trefflich beschriebenen Zug zum kollektiven Wahnsinn noch aufhalten zu können. Warum der Autor - gottlob kein Freund der Linken- hier nun ausgerechnet diesen abgestandenen Begriff aus der Klamottenkiste der Klassenkämpfer benutzt, ist mir ein Rätsel.

Wolfgang Kaufmann / 09.02.2019

Vielleicht liegt hier ein perverser Generationenvertrag zu Grunde: Die Mama jagt den Papa zum Teufel und biedert sich dem Nachwuchs an. Als Morgengabe verspricht sie eine infantile Spielewelt ohne Rechnen, Schreiben, Lesen, ein Größerwerden ohne Konkurrenz, Hänseleien oder Rückschläge, also total kuschel-konform. Bedingung in diesem ödipalen Pakt ist, dass Mamas williger Klon das Nest nicht verlässt; gerne trans-queer-homo-mäßigen Spaß hat, aber um Gottes Willen niemals erwachsen wird, eine Familie gründet und die Seniora aufs Altenteil abschiebt. Vollversorgung erst durch den Ex und dann durch das eigene Kind – das perfekte Loser-Leben. Was nach ihrem Tod geschieht, ist der Parasitin egal.

Klaus Schmid / 09.02.2019

Der typische Deutsche ist grenzenlos obrigkeits-hörig. Diese Obrigkeitshörigkeit hat zum Adolf-Wahn, zur “Tapferkeit” der Soldaten in den Weltkriegen und jetzt eben zur Merkel-Grünen-Anbetung geführt. Man gibt sich mit aller Kraft seiner gestellten Aufgabe hin und kümmert sich darüber hinaus nur um seinen eigenen kleinen Mikrokosmos. Den meisten Deutschen fehlt eben das Kritik-Gen, vom Revolutions-Gen ganz zu schweigen.

Matthias Braun / 09.02.2019

“Den Sozialismus in seinem Lauf ,halten weder Ochs, noch Esel (und Schlafschaf) auf.”

Ralf Pöhling / 09.02.2019

Fantastischer Artikel, Herr Vahlefeld. Während des Lesens ging es mir bereits durch den Kopf: “Frieren gegen die Klimaerwärmung.”. Mein Gott, was für ein geistesgestörter Blödsinn! Dieses Land hat einen ganz massiven Dachschaden. Diese Gesellschaft ist irre geworden. Und sie hält sich dabei auch noch für den Nabel der Welt und die Vollendung der Intelligenz. Ich habe in meinem Leben eins auf die harte Tour gelernt: Einem Irren klar zu machen, dass er irre ist, um ihn so dazu zu bewegen das richtige zu tun, ist niemals von Erfolg gekrönt. Also braucht es andere Methoden, um den Wahnsinn zu beenden. Die Esel brauchen frische Möhren vor ihrer Nase. Andere Möhren, die sie in die richtige Richtung lenken.

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