Cora Stephan / 15.11.2020 / 14:00 / Foto: Oliver Paul / 40 / Seite ausdrucken

Die harte Landung der “Kulturschaffenden”

Aber wir waren doch brav! Haben alles mitgemacht, im Frühjahr, als noch niemand so recht wusste, was da auf uns zurollte. Haben Abstand gehalten und Masken genäht, obwohl die angeblich nichts nutzten. Vielleicht, weil es gerade keine gab, die hatte man nach China geschickt. (Unsere Regierung hilft gern. Am liebsten weltweit.) Gaststätten und Versammlungsorte haben vorbildlich alles umgesetzt, was so empfohlen wurde, auch wenn es den Umsatz halbiert hat. Völlig egal, wie Gäste und Gastgeber das fanden, dass auch draußen im Biergarten die Maske aufgesetzt werden musste, wenn man aufs Klo ging, aber nicht, wenn man am Tisch saß. Wir haben Abstand gehalten, uns zur Begrüßung mit den Ellenbogen geknufft, gelacht und das Spiel gespielt. Better safe than sorry.

Es hatte ja auch alles seine Vorteile. Diese Entschleunigung! Herrlich! Und im Theater oder Kino konnte man endlich bequem sitzen, weil niemand mehr neben einem herumlümmelte – himmlisch! Lerneffekte hatte das Ganze auch. Wir Autoren haben unsere Lesungen aus dem Wohnzimmer gesendet, alle Veranstaltungen mit Menschenkontakt waren ja abgesagt, seither ist digital kein Neuland mehr für uns.

Und im Sommer, hatten wir gedacht, hat unsere Regierung Zeit, sich Gedanken zu machen, wie man mit so einem Virus lebt, ohne gleich das ganze Land vor die Wand zu fahren, das Ding verschwindet ja nicht, ebenso wenig wie das Grippevirus. Sicher hat man daran gedacht, die Risikogruppen in Alten- und Pflegeheimen besser zu schützen und darauf zu achten, dass sich im Krankenhaus niemand mit einem anderen dort grassierenden gefährlichen Keim ansteckt. Haben wir gedacht. Und die Gesundheitsämter hat man gewiss ertüchtigt, falls sie kommt, die viel beschworene zweite Welle! 

Die Wirtshäuser, schon immer Hort des Widerstands. 

Doch nichts dergleichen. Wie schon zu Jahresbeginn war man offenbar auf nichts vorbereitet, obzwar doch immer wieder vor der nächsten Welle gewarnt worden war. Und jetzt – frisch nach der Devise: der Mensch ist das Problem, nicht das Virus – wird plötzlich wieder in den Sack gesteckt und zugebunden, was den Bürger ja bloß unterhalten würde. Kinos, Theater, Oper, Museen, Galerien. Und jene Stätten, wo er sich treffen könnte, um am Stammtisch zur Rebellion aufzurufen: die Wirtshäuser aller Preisklassen, schon immer Hort des Widerstands. 

Und warum? Nicht, weil von diesen Orten des Amusements und der Verbrüderung die stärkste Infektionsgefahr ausginge, ganz und gar nicht. Schließlich wisse man von 75 Prozent der mutmaßlichen Infizierten gar nicht, wo sie sich angesteckt hätten, gibt die Kanzlerin zu. Warum also dann? Weil man es mit den Bravsten der Braven ja machen kann?

Ja, wir waren brav. Und sind es immer noch. Insbesondere meine Branche, die der Autoren. Obwohl der neue Lockdown den ganzen November über uns nun ein weiteres mal tief trifft. Wenn ich allein die Lesungen der Autoren meines Verlages zusammenzähle, die im November ausfallen, dann komme ich auf die beachtliche Zahl von fast siebzig Veranstaltungen. Entsprechend sind die Verdienstausfälle, bei den Großverdienern der Branche kommen da hübsche Summen zustande.

Ach, uns geht es doch noch gold, rufen wir da einander zu! Schaut nach Frankreich! Da sind die Buchhandlungen geschlossen und aus Egalité und Fraternité dürfen nun auch in anderen Einkaufsstätten keine Bücher mehr verkauft werden. Die Franzosen müssen nicht mehr nur von körperlichem Kontakt absehen, das fällt wegen der dortigen Bussikultur besonders schwer, sondern auch geistiger Nahrung entsagen! 

Amazon – der absolute Krisengewinnler

Doch halt. Es gibt auch in Frankreich amazon – der absolute Krisengewinnler, der überlebt alles, was man von vielen kleinen Buchhandlungen nicht sagen kann.

Egal. Wir bleiben brav, schlucken ein wenig, legen die Ohren an und ziehen uns an den Schreibtisch zurück, das ist unser natürliches Habitat, und schreiben an gegen die Feinde von Freiheit und Menschenrecht. Das regelmäßige Lüften nicht vergessen, Kollegen!

Widerstand ist von unsereins nicht zu erwarten. Das überlassen wir lieber den 36 tapferen Bürgermeistern aus Baden-Württemberg, die nicht verstehen wollen, warum ausgerechnet jene dicht machen sollen, von denen fürs Infektionsgeschehen die geringste Gefahr ausgeht. Weil sie am ehesten entbehrlich wären? „Dieser Auffassung treten wir entgegen. Kunst, Kultur und Gastronomie machen das Leben in unseren Städten wesentlich aus. Sie einfach abzuschalten, gefährdet auf Dauer Bürgersinn, Zusammenhalt und Lebensgeist der Stadtgesellschaften. Wir sehen die Gefahr, dass die Maßnahmen“ – „abstrakte Verbote“, heißt es an anderer Stelle – „damit das gefährden, was wir zuallererst brauchen, um die Pandemie durchzustehen.“ „Allein mit Geld kann man Unternehmergeist, Kreativität und Leistungswillen nicht erhalten.“

So kritisch sind unsere Musiker und Humoristen nicht, von Peter Maffay bis Dieter Nuhr, die in ihrem Appell unter anderem an Monika Grütters, Olaf Scholz und Jens Spahn „politischen Dank“ für die Bemühungen des Kulturbetriebs bei der Bekämpfung der Pandemie eingefordert haben. Ist die Veranstaltungsbranche nicht der sechstgrößte Wirtschaftszweig hierzulande, mit 1.7 Millionen Menschen Beschäftigten? Also „systemrelevant“? „Helfen Sie uns! Sonst werden wir in ein paar Monaten kulturell ein ärmeres Land sein“ – mit Geld. Als ob das derzeit nicht wie Kamelle beim Karneval unters Volk geworfen wird, um die nahende wirtschaftliche Katastrophe möglichst lange hinauszuzögern. 

Wenigstens der Musiker Till Brönner beklagt, dass sich die meisten Künstler immer noch viel zu vorsichtig äußerten. In der Tat: Zu vorsichtig, zu untertänig, zu unkritisch. Sie bitten, wenn es hochkommt, um Hilfe, ohne in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir tragen das nicht mit, diesen Irrsinn. 

Wir, die Braven. Seit Jahren haben sich die „Kulturschaffenden“ von dem verabschiedet, was einst ihr Markenzeichen war: eben nicht systemrelevant zu sein, sondern der Stachel im Fleische der Herrschenden. Allein, dass sie sich so titulieren lassen, ist schon verräterisch: So wurden sie in der DDR genannt, die Schriftsteller und Musiker, Arbeiter der Stirn, halt, als Hofnarren des Systems vereinnahmt. Und so verhalten sie sich auch jetzt. Um Hilfe wird gebettelt, um Anerkennung gebuhlt, die eigene Wichtigkeit hervorgehoben. Doch kaum einer wagt es, das Vorgehen dieser Regierung infrage zu stellen. Um Himmelswillen! Das nützt doch nur - na wem wohl?

Unsere „Kulturschaffenden“ werden schön stillehalten

Der Regisseur Leander Haußmann sagt’s, in einer herzzerreißenden Ergebenheitsadresse an die Kanzlerin - „lächeln Sie mal!“. Der Lockdown sei richtig, gewiss, aber es bestehe die Gefahr, „dass die rechtspolitischen Parteien als Gewinner aus der Krise hervorgehen“ und „das gemeinsame Lachen (...) der schmallippigen Fratze des Hasses“ weicht. Falls da was ironisch gemeint war: Das ist mir entgangen. 

Wenigstens Juli Zeh schert aus, Bestsellerautorin, Spitzenjuristin und Verfassungsrichterin in Brandenburg. Sie vermutet, dass der „Diskurs an den Lebensrealitäten vorbeigeht“. Und sie fürchtet, dass man nach der Pandemie in wieder ruhigerem Fahrwasser auf die Idee kommen könnte, „bei der nächsten massiven Grippewelle staatliches Eingreifen zu verlangen.“ Als ob der Staat Unsterblichkeit versprechen könne.

Es gibt, so kann man hoffen, noch Richter in diesem Land. Schon beim „Beherbergungsverbot“ haben sie eingegriffen. Unsere „Kulturschaffenden“ aber werden schön stillehalten, selbst jetzt noch, wo es ans Eingemachte geht. Und keinen Gedanken daran verschwenden, wie die Welt aussehen wird, wenn alles am Boden liegt, was Lebensqualität und Freiheit ausgemacht hat. 

Deutschland - eine Kulturnation? Ich fürchte, so wird das nichts mehr.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Tagespost.

Foto: Oliver Paul CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

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Ricardo Sanchis / 15.11.2020

Nehmen wir Beispielhaft “Die” Kulturschaffenden in Kölle. Da werden und wurden drittklassige Karneval-Bands von der Stadt, (Gewerkschaft, Parteien oder Kirche) gebucht und alimentiert, weil die ja die richtige Haltung haben. Die sollen jetzt was gegen die Cornamaßnahmen sagen? Dann wären sie ja genau das was ihresgleichen jeden Kritiker der Merkel Politik vorwerfen: Coronaleugner und Rechts. Das Denen grade der Geldhahn etwas abgedreht wird läßt verschiedene Reaktionen zu. Die aus Deren Sicht Schlechteste wäre: Doch die Regierung kritisieren.  Der Geldhahn wird zugedreht und sie müßten gegen sich selber singen denn sie gälten dann als Rechts. Sie würden weiterhin drittklassige Musik machen von der sie ohne Alimentierung nie leben könnten. Ich hab Verständnis für das Duckmäusertum der Hofmusikanten. Erst das Geld, dann die Moral.

Hans Buschmann / 15.11.2020

Hoffentlich! Dieses sich progressiv gebärdende feige untertänige Volk der “Kulturschaffenden” ist nicht systemrelevant. Sollen sie etwas Sinnvolles tun! Es werden noch Alten pfleger gesucht.

Peter Holschke / 15.11.2020

Wieso, dafür bekommen die doch drei Mark fuffzig? Ich rede nicht von den guten Künstlern, welche ohnehin schon immer um das Überleben kämpfen mußten. Ich rede von den kunstschaffenden Kunstaffen und kulturraffenden Kulturlaffen, welche wie Fettaugen auf der Wassersuppe schwimmen. Die hingen doch schon immer am Tropf der Kulturfödererungsprogramme und waren damit gekauft, korrumpiert und schlecht. Und wenigsten die Gemästeten und Selbstgerechten trifft es jetzt auch. Wird Zeit, dass sie an Kommunismuserfahrung gewinnen. Anpassung bringt im System gar nichts.

Paul Siemons / 15.11.2020

Kulturschaffende - das sind für mich heute die, die Konzerte gegen Rechts abhalten, Sportpalast-affine Reden bei ihren Auftritten halten, Autoren, die unliebsame Mitbewerber denunzieren, Kleinstkünstler, die Unterschriften sammeln, weil jemand mit jemandem gegessen hat, die die Beleuchtung ihrer Musentempel ausschalten, weil politisch Andersdenkende draußen demonstrieren und Schmierentheatermacher, die Bühnenklassiker zu linkem Agitationsmampf krempeln. Kulturschaffende, das sind für mich Tatort-Drehbuchautoren mit abstrusen Plots und Schauspieler, die sich dafür hergeben. Das sind für mich Mitwirkende an Erziehungstraktaten für Ohren und Augen in allen Sendern, getarnt als Kabarett oder Fernsehspiel oder Hörspiel. Das sind für mich PEN-Funktionäre und Verleger. Natürlich, es sind nicht alle so (kennt man vom Islam), aber in den letzten Jahren allzu viele. Diese Leute widern mich an. Sollen sie doch sehen, wie sie das System, an das sie sich seit Jahren anwanzen, jetzt verhungern lässt. Sie haben es sich verdient.

K Bucher / 15.11.2020

Nun ja ich sehe es so die Zeiten der Wahrlich Großen Kulturschaffenden die wo Rebellisch gegen die Jeweilige Obrigkeit waren ist so gesehen eh schon länger vorbei . Heutzutage geb es eben keinen Michelangelo mehr der des Öfteren schweren Streit und auch große Meinungsverschiedenheiten mit diversen Päpsten und sonstigen Adeligen hatte , da gibt es auch keinen Beethoven mehr der Wutentbrannt seine 3 .Symphonie Ursprünglich -an Napoleon gewidmet Zerrissen und in Eroica umbenannt hatte weil Er gemerkt hat was Napoleon Real für ein Monster war .Und da gibt es auch keinen Mozart mehr der mehr als einmal Größte Probleme hatte nicht mit der Kaiserlichen pseudo Anstands Zensur ins Gehege zu kommen .Und heutzutage gibt es eben solche wie nur als Beispiel diesen nach GB . Steuer flüchtenden Gröhlemayer der noch vor ein paar Jahren den Braven Nazi in dem DEUTSCHEN U- Boot Film gespielt hat , Und nur um dann in der Heutigen Zeit seinen Mitmenschen zu erzählen wie das Leben zu laufen hat. Man sollte sich mit solchen Islam faschistoiden Kommunistischen Total Versagern eigentlich gar nicht näher befassen da es pure Lebenszeit Verschwendung ist . ich denke jeder kann mal Fehler machen ,das ist und bleibt eben Menschlich , aber auch die Fehler wieder korrigieren ist beileibe kein Hexenwerk vorausgesetzt man hat halt Rückgrad aber nicht das von einem halb Halb Kaputten Gartenschlauch

Michael Lorenz / 15.11.2020

“Doch kaum einer wagt es, das Vorgehen dieser Regierung infragezustellen.” Genau. Geht auch gar nicht. Denn Gröhlemeier + Co.  sitzen nun in der eigenen Falle fest. Und so sehr ich mich auch bemühen könnte: da fühle ich an Mitleid ... nein, nicht keines. Ganz und gar nicht: es ist vielmehr deutlich im Minusbereich!

Claudius Pappe / 15.11.2020

Von mir kein Mitleid mehr. .........Ihr seit alle selbst Schuld. Was habt ihr seit 2017 bei der Bundestagswahl, Landtagswahlen, Europawahl und Kommunalwahl gewählt ? Über 90% haben ihr Kreuz bei der CDUCSUSPDFDPGRÜNENLINKE gemacht…....................... Deutschland verrecke…....................Deutschland du mieses Stück Scheiße…....war das nicht das Plakat, vor dem die Bundestagsvizepräsidentin vorherlief ?

Juliane Mertz / 15.11.2020

Das Infektionsschutzgesetz ist die Schwachstelle der Demokratie und am 18.11. wird dieses Einfallstor so weit geöffnet, dass es Richter nicht mehr schließen können.

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