Roger Letsch / 06.04.2021 / 06:25 / Foto: Martin Bock/Pixabay / 45 / Seite ausdrucken

Angela im Bunker. Tom into the Great Wide Open

Ein Meme des Gesundheitsministeriums macht im Netz die Runde. Es zeigt unter dem Slogan „Wir bleiben zuhause“ eine Reihe von mehr oder weniger Prominenten, welche die Hände über dem Kopf zu einem Dach formen und dazu (je nach Begabung) fröhlich lächeln. Für Udo Lindenberg machte man wohl eine Ausnahme, der darf ins Hotel. Wir leben bekanntlich in postheroischen Zeiten, in denen mittlerweile jeder ein Held ist, der brav Regierungsparolen apportiert. Ein Held, wer Ökostrom bezieht, Helden, die sich vegan ernähren, Helden im simulierten Kampf gegen böse Parteien, Helden, wohin man schaut. Nun bleiben die Helden zuhause, „weil das Leben retten kann“. Leben retten durch Unterlassung – billiger ist Heldenmut nicht zu haben.

Der Faktencheck dieser heroischen Leistung bedarf natürlich des wissenschaftlichen Nachweises, des Experiments. Bis zum Beweis ist das deutsche „Hände hoch“ nichts als Hypothese oder fromme Einflüsterung (neudeutsch Nudging). Doch leider bringt uns die Wissenschaft hier nicht wirklich weiter.

Nicht eine der Maßnahmen und auch nicht der freiwillige und gut gelaunte Hausarrest hat bisher beweisbare Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen gezeigt. Wie auch, wenn anderenorts mit genau gegenteiligen Maßnahmen dieselben Ergebnisse erzieht werden? Oder, um ein Einstein zugewiesenes Bonmot abzuwandeln: Wenn die Fliege in jede Richtung fliegt und überall gegen Scheiben stößt, ist erratisches Herumgeflatter offenbar Energie- und Zeitverschwendung.

A rebel without a clue

Um die Hypothese „Zuhause bleiben rettet Leben“ zu falsifizieren, genügt ein einziger Fall oder ein einziges Experiment, dessen Ergebnis ihr klar widerspricht. Zugegeben, ganz so einfach ist es im vorliegenden Fall zwar nicht, schließlich geht es um einen bunten Strauß unterschiedlichster Bedingungen und Maßnahmen, die betrachtet und beurteilt werden müssen. Und doch kann man sagen, es hält sich derzeit in der europäischen Politik beharrlich die Einschätzung, dem vermaledeiten Virus sei durch Wegsperren, Kontaktverbot, Maske, Abstandsregeln und am besten noch Hausarrest am wirksamsten beizukommen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass überall dort, wo Menschen in direktem Kontakt miteinander stehen, keine Maske tragen, die Abstandsregeln nicht beachten und sich in Restaurants, an Stränden oder den Innenstädten treffen, das Virus Kirmes feiern müsste.

Schweden als Gegenbeispiel wird ja stets mit dem Hinweis abgetan, das könne man nicht mit Deutschland vergleichen! Schweden hätte ja nur eine Handvoll Einwohner, und da die Schweden nie einschränkende Maßnahmen hatten, hinkten Vergleiche sowieso. Schauen wir stattdessen in die USA, wo der lebendige Föderalismus der Bundesstaaten nach der anfänglichen Panik im Jahr 2020 gerade voll durchschlägt. Da unsere Medien für gewöhnlich mit zentralistischem Blick nach Washington schauen und von den müden Lippen Präsident Bidens „wear a mask“ lesen und glauben, der Anführer des Westens gebe Europa gutes Beispiel, gehen die einzelnen Bundesstaaten gänzlich andere Wege.

Georgia, Mississippi, Tennessee, Oklahoma, Missouri, Alaska, Iowa… und vorneweg die bevölkerungsreichen Staaten Florida und Texas sind längst ausgeschert aus der Front derer, die Corona mit möglichst restriktiven und freiheitseinschränkenden Maßnahmen in den Griff kriegen wollten. Die verfassungsmäßig garantierte Trennung von Bundes- und Landesrecht macht‘s möglich.

Glaubt man unseren Politikern, ist jede Menschenansammlung (besonders, wenn sogenannte Querdenker zusammenkommen) ein potenzielles Superspreader-Event. Seltsamerweise war es das tatsächlich bisher nie, auch wenn die Medien stets entsetzt betonten, dass Maskenpflicht und Abstandsregeln nicht eingehalten wurden. Wie schrecklich müssen da erst die Zustände in Texas sein, wo schon am 10.3.2021 alle Covid-bezogenen Restriktionen aufgehoben wurden!

Geschäfte: geöffnet. Restaurants und Bars: geöffnet. Kirchen, Synagogen und Moscheen: geöffnet. Theater, Kinos: geöffnet. Hotels, Strände, Freizeitaktivitäten: geöffnet, geöffnet, geöffnet. Alles! Und das schon seit fast vier Wochen. Wer nun glaubt, in Texas müssten die Infektionszahlen gerade durch die Decke gehen, irrt. Die Zahlen gehen weiter zurück (siehe hierhier und hier). Und das, obwohl es in Texas mit seinen 30 Millionen Einwohnern und großen Ballungszentren wie Dallas, Austin oder Houston auch seit einem Monat keine Maskenpflicht mehr gibt.

The Sky is the Limit

Leben retten durch striktes Nichtstun muss also nicht wie in Deutschland aussehen. In Texas und anderenorts in den Staaten interpretiert man die Aufgabe deutlich humaner: Die Regierung tut nichts, ergreift keine ungesetzlichen Maßnahmen, sondern leistet lediglich aktives Monitoring der Lage, gibt Empfehlungen und bietet Hilfe an. Ansonsten tut man nichts, verbietet nichts, beschränkt nichts, verordnet nichts und tritt die Grundrechte der Bürger nicht mit Füßen.

In Texas retten „aktiv werden“, „seinen Geschäften nachgehen“, „die frische Frühlingsluft genießen“ und „Freunde treffen“ ganz offensichtlich Leben, während sich Deutschland lächelnd und mit erhobenen Händen auf ein Leben im Bunker vorbereitet.

Die Musik zum Text kommt natürlich von Tom Petty & the Heartbreakers.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs „Unbesorgt".

Foto: Martin Bock/Pixabay Creative Commons CC0 Pixabay

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Leserpost

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dr. michael kubina / 06.04.2021

Viel Text, wenig Zahlen. Grafiken mit den relevanten Zahlen (Tests, Testergebnisse, Hospitalisierungen, Sterbefälle) wären durchaus hilfreich(er) gewesen, für alle genannten Bundesstaaten ...

Christian Schulz / 06.04.2021

Die “Helden” bilden kein Dach, sie schließen ihren Kopf und ihr Denken symbolisch in die #Merkelraute ein.

Gerald Weinbehr / 06.04.2021

Gestern wurde in den RTL-Nachrichten ausführlich über Portugal berichtet, wo ein harter Lockdown die Wende gebracht habe: “Mit knallhartem Lockdown von Inzidenz 800 auf unter 30 - Portugal hat’s geschafft: Vom Corona-Hotspot zum Vorbild”. Auch aus GB werden Erfolge mit einem harten Lockdown gemeldet. Das ist das, was auf dem Publikum in Deutschland präsentiert wird. Für mich gilt, dass ich aufgrund der Widersprüchlichkeit der Meldungen mal wieder nicht mehr weiß, was ich glauben soll. Aber ich bin überzeugt, dass für Deutschland bald ein harter Lockdown beschlossen werden wird. Merkel will es, die Medien propagieren das - wird kommen.

Bernhard Freiling / 06.04.2021

Gaaaanz falsche Interpretation. Was glauben Sie, wie viele Tote wir hätten, besäßen wir die Maskenpflicht nicht, würden unsere Rentner nicht wegsperren und liessen die Friseure an jedem Haarschopf rum(w)merkeln? Hunderttausende wären das. Vielleicht noch viel mehr. Fragen Sie Herrn Lauterbach oder Herrn Wieler. Die wissen das. ++ Und Sie glauben wirklich, mit diesen von den Trump-Gläubigen regierten US-Staaten einen Gegenbeweis antreten zu können? In diesen Staaten sterben die Menschen doch wie die Fliegen! Was natürlich von diesen verbrecherischen Reps-Regierungen fein unter der Decke gehalten wird. Das weiß doch Jeder. ++ Nee, nee, Herr Letsch. Damit überzeugen Sie die Lockdowner nicht.

W. Hoffmann / 06.04.2021

In der Politik hält sich die Einschätzung, dass Lockdowns gegen das Virus hülfen… Inzwischen wird allerdings die “Verschwörungstheorie” zur grausamen Realität, dass nämlich der “Great Reset” mittels Einschüchterung und Wegsperren durchgezogen werden soll. Hier sind Lockdowns geradezu Regieanweisungen, die offensichtlich strikt befolgt werden. Nebenher darf sich die Pharmaindustrie schamlos bereichern. Glauben Sie wirklich, die Politicos wüssten nicht, was sie tun?

Heiko Engel / 06.04.2021

Nichts Neues ! Gerade diese konformistischen und dem System ergebenen Künstler, die uns mit ihrem Quatsch die letzten 40 Jahre nur gelangweilt aber ihre Konto, dank Michels inhaltlicher und musikalischer Anspruchslosigkeit, satt gefüllt haben, sind kontinuierlich auf Agenda - Kurs der Nazis 2.0 in Berlin oder natürlich untergetaucht. Genau an diesem Punkt findet die Pervertierung der Kunst statt. Kunst war immer auch ein Vehikel des Diskurses, der Aufklärung und vor allem anderen auch der Systemkritik. Von deutschen Trotteln war anderes nicht zu erwarten. Nena und Naidoo mögen da als schon positiv auffallende Geister gelten. Das ist viel im Land des gebückten Ganges. Aber da Michel nichts lernt, wird er leiden. Schönen Wochenbeginn, den Restkritischen.

Wolfgang Rentzsch / 06.04.2021

Tija, was soll man noch sagen? Ich halte es mit Albert Einstein: “Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.” Und meine Variante (sozusagen eine Mutation) frei nach Albert Einstein: “It is my conviction that lock down people and vaccinate sick old people under the cloak of corona is nothing but an act of murder.”

Emmanuel Precht / 06.04.2021

Nun beginnt ja am 12.04.2021 das 30 tägige Intervallfasten beim mohammedanischen Teil der das Land Bewohnenden. Da kommt so ein Lascheter Brückenlockdown eher ungelegen. Um es mit Cpt Kirk zu sagen: “Das wird sicher ein Spaß”. Wohlan…

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