Ulli Kulke / 22.01.2019 / 06:13 / Foto: Rama / 29 / Seite ausdrucken

Die Deutschlandklinik

In der Bundestagsdebatte darüber, ob die drei Maghreb-Länder Marokko, Algerien und Tunesien jetzt zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, hat sich Ulla Jelpke von den Linken schwer ins Zeug gelegt. Sie hat sich in ihrer Argumentation gegen eine Änderung des Status vor allem auf die sexuelle Diskriminierung von Minderheiten und besonders auch von Frauen in den drei arabischen Ländern konzentriert. Dabei sagte sie: „In Algerien gehen Männer, die minderjährige Frauen vergewaltigen, straffrei aus, wenn sie ihre Opfer heiraten.“ Deshalb – so ihre Logik – sei Algerien alles andere als sicher, jeder Antrag auf Asyl von Bürgern aus diesem Land müsse deshalb im Verfahren die Bevorzugung aus dem Status eines nicht sicheren Landes behalten (Hier zu sehen, etwa bei 3:12.)

Klingt nach starker Haltung. Was Jelpke allerdings vergisst: Es kommen nicht nur Frauen aus den Ländern, sondern auch Männer. Mit anderen Worten: Nicht nur die Opfer dieser von ihr zu Recht beklagten Situation in Algerien, sondern auch die Täter, diejenigen, die für dieses so schlimme Frauenbild dort verantwortlich sind. Aus den Maghrebstaaten beträgt der Anteil der Männer unter den Flüchtlingen mindestens zwei Drittel. Darunter vor allem: junge Männer.

Natürlich sind diese nicht alle pauschal nur Täter (das behauptet auch niemand, obwohl einst die feministische Nomenklatur alle Männer als „potenzielle Vergewaltiger“ gesehen hat). Doch wohlgemerkt: Genau diese Zusammensetzung der Flüchtlingsgruppen wird in der Statistik immer dann hervorgehoben, wenn es gilt, die signifikant höhere Kriminalitätsrate unter den Migranten der letzten Jahre möglichst weit in die Normalität zu schieben (verkauft als „Faktencheck“). Nach dem Motto: Das Profil jung, männlich, unbegleitet neigt nun mal stärker als der Bevölkerungsdurchschnitt zur Straftat, zumal sexueller. Deshalb sei jene höhere Rate auch nicht bemerkenswert. Daran mag was dran sein. Doch erstens ist diese signifikant höhere Kriminalitätsrate insbesondere bei Asylsuchenden aus den Maghrebstaaten dadurch keineswegs ausgebügelt. Und zweitens ist das Problem, das sich hierzulande auftut, dadurch schon gar nicht gelöst. Ganz im Gegenteil. Es wird durch diese Statistik nur untermalt.

Ein Grenzübertritt ändert das Gesellschaftsbild nicht 

Es gilt für die diskriminierten Frauen, für die Homosexuellen und Transsexuellen: Wer die Maghrebstaaten nicht für sichere Herkunftsländer erklärt haben will, sondern pauschal als unsicher erklärt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit nicht nur den Opfern von sexueller Gewalt, von Zwangsehen, Versklavung die Einreise oder das Asyl erleichtert. Diese Gruppen nämlich würden noch am ehesten Aussicht auf Asyl haben, selbst wenn die Länder als sicher gelten, aufgrund ihrer individuellen Verfolgung.

Wer dagegen von der Beibehaltung des Status „unsichere Herkunftsregion“ für die Maghrebstaaten profitiert, wäre die andere Seite dieser menschenverachtenden Diskriminierung: Die Täterseite, weil für sie allein der Status des unsicheren Herkunftslandes ihren Fall einfacher macht. Nochmal, aus bitterer Erfahrung heraus die Wiederholung des Hinweises: Damit erkläre ich nicht (!) alle Maghreb-Männer zu Tätern. Das Problem existiert dennoch.

Es geht schließlich nicht nur um Gesetze in jenen Staaten, die Frauen und sexuelle Minderheiten diskriminieren, sondern um ein Gesellschaftsbild, das von Menschen, in erster Linie (aber nicht nur) von Männern dort, getragen wird, und eben auch von einem erklecklichen Teil derer, die als Flüchtlinge oder Migranten zu uns ins Land kommen. Dieses Gesellschaftsbild ändert sich ja nicht durch einen Grenzübertritt. Das bedeutet, dass nicht nur die Opfer zu ihrem Schutz, sondern auch das komplette dahinterstehende Problem aus dem Herkunftsstaat zu uns ins Land geholt wird. Das haben die letzten drei Jahre eindrucksvoll gezeigt. Man kann das in Kauf nehmen, man kann sagen, das bewältigen wir hier durch aufgelegte Programme, durch soziale Betreuung, durch Therapien – kurz: „Wir schaffen das.“

Als dieser inzwischen legendäre Satz das erste Mal in dem Zusammenhang fiel, galt noch die Parole in Politik und Medien: Es kann gar nicht sein, dass mit den Flüchtlingen auch IS-Terroristen ins Land kommen. Heute sind wir klüger. So wie später, Wochen nach den massenhaften Sexualexzessen in Köln zu Silvester, nachdem die Bürgermeisterin zunächst den Ukas herausgegeben hatte, es sei unzulässig, anzunehmen, dass daran Flüchtlinge beteiligt gewesen seien.   

Wenn wir nicht nur die Schutzsuchenden aufnehmen, sondern auch diejenigen, vor denen diese geflüchtet sind, ist niemandem geholfen. Zwangsehen, Kinderehen oder Vielehen – es ist ja nicht so, dass diese Erscheinungen an den nicht mehr existierenden Grenzen abgefangen und zurückgewiesen werden.

Ganz offensichtlich bietet die Asylpraxis heute nicht nur Schutz vor der Diskriminierung, sie holt eben auch die Diskriminierung, vor der die Menschen Schutz suchen, ins Land. Das Problem wird geografisch verlagert: Europa, übernehmen Sie. Das sieht weniger nach einem sicheren Hafen für verfolgte Menschen aus, als nach einer Deutschlandklinik zur stationären Behandlung gesellschaftlicher Probleme in fernen Ländern. Wenn wir uns da mal nicht überheben. Ich bezweifele auch, dass dies die Absicht derer war, die die Asylgesetzgebung so ausgestaltet haben, wie sie heute besteht.

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Leserpost

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Klaus Klinner / 22.01.2019

Noch opportunistischer geht es kaum. “Nach islamischem Recht” geschlossene Kinderehen werden in Deutschland nicht moniert, im Gegenteil eher geschützt. Als Fluchtgrund aus islamischen Ländern allerdings dankbar entgegen genommen.

Michael Stoll / 22.01.2019

Ein kluger und weitgereister Journalist hat das Ganze schon vor vielen Jahren in einen einzigen Satz gepackt: “Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta!” (Peter Scholl-Latour) Heutzutage gibt es zu viele Menschen, die das Gesagte nicht verstehen oder dem Gesagtem keinen Glauben schenken. Ich fürchte, viele von uns werden den Wahrheitsgehalt der Aussage noch zu Lebzeiten überprüfen können.

Andreas Rühl / 22.01.2019

In Wahrheit geht es darum, unüberwindliche Abschiebehindernisse aufzubauen, sozusagen eine 2. Mauer, die als semipermeable Membran jeden reinlässt, aber niemanden gegen seinen Willen rauswirft. Das Praktische an derartigen rein moralischen Argumentationen ist, dass keine Abwägung mehr stattfindet: Zwischen dem angeblichen Guten und dem angeblich Bösen kann es keine freie Wahl mehr geben, die Entscheidung ist “alternativlos”. Die Linke war in ihrer politischen Religiösität schon immer manichäisch, daher ja auch die Selbstzerfleischung im Inneren, weil sich diese Art von voraussetzungsloser und von jeder Anbindung an die Realität und Vernunft befreite “Moral” beliebig unterteilen und spalten lässt. Marxisten, Leninisten, Trotzkisten, Maoisten und vieles andere: der Hass untereinander war mitunter größer als auf den “Klassenfeind”. Um so erstaunlicher, dass derartige Argumentationsmuster, diese Emanationen des Schwachsinns, wieder “hoffähig” sind; wären wir klar bei Verstand, würden wir diese Schwätzerin (symbolisch!) teeren und federn. Aber das genaue Gegenteil geschieht, wie der Beitrag zeigt: Es wird sich ernstlich mit dem politreligiös geprägten Verwirrtheit dieser Dame auseinandergesetzt, so als habe ihr “moralisches” Argument irgendeinen Gewicht oder könne auch nur relevant für eine Gesetzgebung in einem der Ratio verpflichteten System sein. Oder ist unser Staat nicht mehr der Ratio verpflichtet, wenn nein, wem dann?

gabriele bondzio / 22.01.2019

Das Problem wird geografisch verlagert: Europa, übernehmen Sie. “...meine Rede seit zwei Jahren in Foren. Siehe auch „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ für den Zeitraum vom 1.1. – 30.09. 2018. Gut versteckt und verschlüsselte (in %) kommt doch die Aussage rüber.  Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind gegenüber dem Vorjahr um 17 % gestiegen. Die Zahl der einheimischen Getöteten gar um 12%. Faktum, die “Schutzuchenden” (ein unmögl. Begriff auf mangchen Migranten) ging zwar zurück, aber die Straftaten nach oben.

Axel Kracke / 22.01.2019

„Ich bezweifele auch, dass dies die Absicht derer war, die die Asylgesetzgebung so ausgestaltet haben, wie sie heute besteht.“ Das interessiert mich nicht die Bohne. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten. Und ganz nach diesem Verursacherprinzip weise ich diesen Personen auch die Verantwortung zu, mögen sie auch noch so schreien. „Das habe ich nicht gewollt“ gilt nicht, sorry…

Zeller Hermann / 22.01.2019

Wenn man die Abschiebung gewalttätiger Migranten mit dem Argument ablehnt, daß auch unter den Einheimischen Gewalttäter sind, dann ist das nichts anderes als Gewalt mit Gewalt rechtfertigen. Damit setzt man eine Gewaltspirale in Gang. Würden keine Gewalttäter ins Land kommen oder abgeschoben, dann wäre das eine Bereicherung, weil dann die Gesamtsituation besser würde. Denn Ziel von Veränderung muß eine Verbesserung für alle sein.

Anders Dairie / 22.01.2019

Frau JELKPE ist nicht ernstzunehmen.  Fast immer reagiert SIE in einem Verhaltensmuster, das ungefähr so aussieht :  Tatsachen und Zusammenhänge sind sekundär,  solange sie dem Kapitalismus nützen könnten.  Von Sozialismus redet sie lieber nicht, denn es gibt noch zuviele, die dessen schmählichen Zusam-menbruch nahe miterlebten. Nicht, weil der Klassenfeind stänkerte, sondern weil den Genossen schon nach 1980 die West-Devisen ausgingen. Die Staatspleite des gesamten Soz. Lagers war ab 1982 absehbar . Vor den blutigen Folgen haben sich die JELPKE’s und GYSI’s ins Netz der Unberührbaren (Einigungsvertrag, 1990)  gerettet. Aus Jelpke spricht eine Loserin,  die von Gnaden der Demokraten lebt.  Aus sicherer Lage lässt sich prima opponieren und die Welt verbessern.

Klaus Reichert / 22.01.2019

Solche Statements werden seit geraumer Zeit ohne eine kritische Nachfrage in Tagesschau und Co abgesondert, und zwar von Politikern der Linken und besonders auch der Grünen, was die Sache wegen drohender Regierungsbeteiligung noch gefährlicher macht. Wir sollen erst dann ruhig schlafen können, wenn wir die Probleme der Welt gelöst haben.

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