Die deutschen Medien, die Wahl in Brasilien und was dort wirklich los ist

Von Paul M. Seidel.

Schaut man sich die Wahlergebnisse genauer an, fällt ins Auge, wie hoffnungslos gespalten Brasilien ist. Im wirtschaftlich starken Süden, in dem der Wohlstand des Landes zu großen Teilen erarbeitet wird, hat Bolsonaro deutlich gewonnen, teilweise mit großem Vorsprung. Es wird dort für seinen linken Nachfolger Lula schwer werden, Akzeptanz zu finden.

Noch im Sommer sagten Umfragen dem wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilten ehemaligen brasilianischen Staatschef und früheren Gewerkschaftsboss Luiz Inácio Lula da Silva, genannt Lula, einen haushohen Triumph bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Südamerikas größtem Land voraus. Schon im ersten Wahlgang könnte er die absolute Mehrheit erobern, hieß es. Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro, der wegen seines kompromisslosen Bekenntnisses zur traditionellen Familie und einer wirtschaftsfreundlichen Politik den unversöhnlichen Hass des woken Establishments in Medien und Universitäten auf sich gezogen hat, wurde zeitweise mit nur 30 Prozent gehandelt. 

Doch wieder mal kam alles anders. Bolsonaro konnte im ersten Wahlgang respektable 43,2 Prozent einfahren und Lula, der auf 48,4 Prozent kam, in die Stichwahl zwingen. Dort steigerte sich der Amtsinhaber nochmal. Einer seiner prominentesten Wahlhelfer war Brasiliens Fußball-Superstar Neymar, der bei Paris St. Germain spielt. Bolsonaro vertrete ähnliche Werte wie er selbst und seine Familie, begründete Neymar seine Unterstützung. Die Stichwahl am 30. Oktober wurde zum Kopf-an-Kopf-Rennen und endete mit dem knappsten Ergebnis aller Wahlen in Brasilien seit dem Ende der Militärherrschaft 1988: Lula gewann mit 50,9 Prozent, Bolsonaro erreichte 49,1 Prozent. Mit Lulas Erfolg setzt sich der Linksrutsch in Südamerika fort, der bereits bei den linken Wahlsiegen in Argentinien, Bolivien, Peru, Honduras, Chile und Kolumbien zu beobachten war.

Einige Medien streuten die Befürchtung, Bolsonaro könnte den Sieg seines Kontrahenten nicht anerkennen und seine Wähler zum Widerstand aufstacheln. Das ist nicht passiert. Zwar bekundeten Lastwagenfahrer mit Straßensperren ihren Ärger über Lulas Rückkehr an die Macht, doch Bolsonaro hat seine knappe Niederlage akzeptiert. Einige Linke machten ihrer Enttäuschung darüber Luft, dass der Sieg Lulas, der Ende Oktober seinen 77. Geburtstag gefeiert hat, nicht höher ausgefallen ist. Zu Lulas ersten Gratulanten zählte – Russlands Präsident Putin. Kein Wunder: Eine deutliche Positionierung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat der Brasilianer – wie andere südamerikanische Politiker –bisher vermieden. 

Die Industrieregion São Paulo ging klar an den Ex-Präsidenten

Blickt man auf die Kommentare in den meinungsbildenden deutschen Medien, sind Tenor und Tonfall fast überall gleich. „Die Demokratie hat in Brasilien gesiegt, wenn auch knapp", tönt der Deutschlandfunk. „Die faschistischen Ideen, die in den vergangenen Jahren zum Mainstream geworden sind, sollten in dem Abgrund verschwinden, aus dem sie nie hätten herauskommen dürfen", kommentiert man bei der Deutschen Welle. Die FAZ gibt immerhin zu bedenken, dass Lula von vielen Brasilianern als Hauptverantwortlicher eines riesigen Korruptionsskandals gesehen werde und seine Wahl für sie deshalb „ein Schlag ins Gesicht" sei.

Schaut man sich die Wahlergebnisse genauer an, fällt ins Auge, wie hoffnungslos gespalten Brasilien ist. Im wirtschaftlich starken Süden, in dem der Wohlstand des Landes zu großen Teilen erarbeitet wird, hat Bolsonaro deutlich gewonnen, teilweise mit großem Vorsprung. Im boomenden Bundesstaat Santa Catarina mit seiner schönen, am Atlantik gelegenen Hauptstadt Florianopolis errang Bolsonaro satte 69,3 Prozent. In Santa Catarina liegt auch die 1850 von dem deutschen Apotheker Dr. Hermann Blumenau gegründete Industriestadt Blumenau, bekannt durch Südamerikas größtes Textilunternehmen, die Firma Hering, und das zweitgrößte Oktoberfest der Welt. Die Industrieregion São Paulo fiel mit 55,2 Prozent ebenfalls klar an den bisherigen Präsidenten. Noch besser war Bolsonaros Wahlresultat in den beiden kleinen Agrarstaaten Acre (70,3 Prozent) und Roraima (76,1 Prozent) am Rand des Amazonas. Lulas Hochburgen liegen dagegen im armen und zurückgebliebenen Nordosten, wo man sich von ihm armutslindernde Wohltaten erhofft. Im Bundesstaat Bahia kam er auf 72,1 Prozent. 

Zugleich gab es in einigen Bundesstaaten Stichwahlen um das Amt des Gouverneurs. Interessant ist dabei besonders das Ergebnis im bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich mit Abstand wichtigsten Bundesstaat São Paulo. Dort gewann Bolsonaros früherer Infrastrukturminister Tarcísio de Freitas mit 55 Prozent gegen Lulas einstigen Bildungsminister und ehemaligen Bürgermeister der Stadt São Paulo, Fernando Haddad. Der soll nun einen Ministerposten in Brasilia bekommen. Die Linke sicherte sich mehrere Gouverneursposten im Nordosten Brasiliens. 

Lulas nicht aufgearbeitete politische Altlasten

Als Vize hat sich Lula einen alten politischen Gegner mit ins Boot geholt: Geraldo Alckmin, ehemaliger Gouverneur des Bundesstaates São Paulo. Alckmin gilt als wirtschaftsliberal und gemäßigt. Brasilianische Unternehmer sehen ihn als Opportunisten. Sie zweifeln daran, dass sich die wirtschaftliche Erholung (mit der besten Arbeitsmarktentwicklung aller G20-Staaten!), die das Land zuletzt unter Bolsonaro erlebt hat, fortsetzen wird. Brasilien stünden schwere Jahre bevor, ist aus Wirtschaftskreisen zu hören. Befürchtet wird auch, dass sich Lula rächen möchte für die 580 Tage, die er im Gefängnis verbringen musste, nachdem er 2018 wegen Korruption verurteilt worden war. 

Dass es Lula nicht leicht haben wird, räumen auch seine Anhänger ein. Die großen Erwartungen und Hoffnungen seiner Wähler darf er nicht enttäuschen. Im Kongress bilden die Konservativen eine starke Opposition und werden Lula das Leben schwer machen, auf regionaler und kommunaler Ebene sind sie ebenfalls massiv vertreten. Bolsonaros Anhänger sind sehr aktiv in den sozialen Netzen. Hinzu kommen Lulas nicht aufgearbeitete politische Altlasten, besonders die Verwicklung seiner Arbeiterpartei (PT) in große Korruptionsskandale. Das Urteil gegen ihn selbst wurde zwar wegen Verfahrensfehlern und der Befangenheit des Richters durch das Oberste Gericht annulliert, freigesprochen wurde er damit jedoch nicht. 

Foto: Marcello Casal Jr/ABr.(Agencia Brasil) via Wikimedia Commons

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Rainer Irrwitz / 03.11.2022

Wahlmaschinen an sich sind schon der Betrug! Wer ist denn so naiv dass er glaubt da ginge es mit rechten Dingen zu! Software kann IMMER manipuliert werden, ebenso die elektronische Übermittlung. Auch eine Briefwahl. Wenn man nicht auch nachträglich noch Hieb- und Stichfest beweisen kann, dass nicht betrogen worden ist, dann kann man sich das Wählen lassen ja gleich sparen. Was die USA anbelangt, ja Trump wurde die Wahl gestohlen, hätte man die Hunter Biden Laptopstory nicht “von Amts wegen” unterdrückt hätte Go Brandon keine Chance gehabt. Aber egal, die ganz Polarisierung Links gegen Rechts ist doch schon ein Fehler, vollkommen an der Realität einer lösungsorientierten Politik vorbei. Es geht dort wie hier einfach darum welche korrupte Mafiabande sich für die nächsten Jahre die Taschen vollstopfen darf. Und dann haben die Schurken noch die Chuzpe sich hinzustellen und was von Versöhnung und Präsident aller Bürger….blabla….zu verzapfen.

Wolfgang Rösner / 03.11.2022

um es noch zu ergänzen: wir waren gestern 7 Stunden demonstrieren vor dem Palacio Duque de Caxias in Rio de Janeiro und wir fordern eine Intervention des Bundes mit Absetzung der obersten Richtergarde, die alle (bis auf einen) von der PT nominiert wurden und das Land mit Absicht an die Wand fahren. Chancen haben wir keine - also nutzen wir sie. Das Militär ist satt und dicklich. Es war eine extrem fiedliche und freundliche Kundgebung bei der niemand verletzt wurde und nicht einmal Lula beschimpft wurde. Wir wollen einfach nur eine richtige Stimmenauszählung. Wenn dabei ein Sieg Lulas herauskäme, würden wir ihn akzeptieren. Gott stehe uns bei.

Wolfgang Rösner / 03.11.2022

Der Ablauf der Wahlergebnisberichterstattung war schon mehr als verdächtig und hinterläßt nicht nur “einen unguten Beigeschmack”, wie hier jemand in bewährt beschönigender Manier schrieb, sondern läßt auf die Anwendung eines Algorhithmus schließen, der so programmiert war, dass am Ende ein guter 1%-Punkt Vorsprung für Lula herauskam. Kein unvoreingenommener Brasilianer glaubt das Ergebnis. Man ließ, wie im ersten Wahlgang, zunächst mal Bolsonaro mit Vorsprung starten, ich meine es waren 51,8%. Mit jedem update der Hochrechnung gewann dann aber Lula ca. 0,1-0,2%Punkte dazu bis dann schließlich bei 67% Auszählung der Urnen Lula an Bolsonaro vorbeizog und in dem konstanten Rhythmus ging es dann weiter. Es ist normal, dass erste Hochrechnungen zunächst ein großes Konfidenzinterval haben. Hier aber war es so, dass zu keinem Zeitpunkt ein Zuwachs bei Bolsonaro ausgewiesen wurde, sondern über ca 50 Hochrechnungsupdates hinweg eine stetige Abwärtsbewegung bei Bolsonaro herbeigemanagt wurde. Bei “organischem” Verlauf wäre zu erwarten, dass es eine Wellenbewegung gibt. Die kann sicher auch eine Virada bringen, wie wir hier sagen, aber eine stetig ansteigende Gerade ist unnatürlich und gilt für uns als starkes Indiz einer Manipulation. Im Vorfeld gab es eine ausgedehnte Diskussion zur Kontrollierbarkeit der Ergebnisse. Das Wahlgericht, das von einem Richter geleitet wird, der von Dilma berufen wurde (Dilma ist eine Freundin Lulas und war seine Nachfolgerin im Amt), lehnte jedoch die Einrichtung eines Kontrollmechanismus ab. Nun geht das Gerücht um, das Militär habe doch eine Kontrollmöglichkeit. Es sind aber bereits 4 Tage seit der Auszählung vergangen und ich habe noch keinen Mucks vom Militär gehört…. Es erinnert sehr stark an den Trump-Wahlbetrug. Man hat allerdings seither offenbar dazugelernt, wie man unauffälliger betrügen kann. Bei Trump mußte ja die Auszählung irgendwann in der Nacht angehalten werden, weil es sonst für Biden nicht gereicht hätte. Bei uns ....

Gus Schiller / 03.11.2022

Bei der Niedersachsenwahl gewann rot/grün in den Städten. Wo es keinen tollen ÖPNV gibt aber jede Menge Windräder war es mit rot/grün nicht so weit her. Dass in Brasilien ein wg. Korruption verurteilter Präsident wird ist auch nicht schlechter als hier einen Cumex-Lügner zum Kanzler zu machen. Von Opa Joe gar nicht zu reden. Fazit: wenn Wahlen etwas ändern würden, hätte man sie schon verboten.

Dr Stefan Lehnhoff / 03.11.2022

Wie gehabt: Wahl gefälscht. Krimineller WEF - Mann wieder an die Macht gebracht. Bolsonaro protestiert nicht, weil er einfach weiterleben will. Länger hätte die Meldung nicht sein müssen.

Jörg Themlitz / 03.11.2022

@Marcel Seiler: Da Sie USA erwähnen. Ich hatte Wartezeit und in dem Raum lief ein Fernseher mit ZDF. Elmar Theveßen, was der so richtig treibt weiß ich nicht, nach dem gesehenen Filmausschnitt bin ich der Meinung Propagandist fürs ZDF und angeschlossene Organisationen. Der böse Trump hat gesagt: ´Wenn er wieder gewählt wird, werden einige von Demokraten besetzte Stellen durch Repubklikaner besetzt.`, In Theveßens Augen ein ganz schlimmes Verhalten. Die Frage, wie sind die Demokraten zu diesen Posten gekommen, stellt ein Propagandist natürlich nicht. Der normale Bürger, Jörg Themlitz, stellt sich dann die Frage, die Ampelregierung hat diverse Leute ihres Vertrauens und diverse kenntnisfreie Steigbügelhalter in den Ministerien etc. mit Posten versorgt, das ist gut, weil die das vorher nicht angekündigt haben und hinterher, meist unbemerkt, durchführen? (wie jede Regierung vorher) Trump Anhänger haben sogar die Wahl von Biden und wer kennt die Vizepräsidentin in Frage gestellt. ´So etwas undemokratisches.` Herr Theveßen schauen Sie mal ins ZDF Archiv. Suchen unter Verschlagwortung ´Die Russen haben den Wahlsieg für Trump ermöglicht`. Da werden Sie so etwas von fündig. Ja, ja “Wenn zwei das Gleiche tun, ist noch lange nicht dasselbe.”

giesemann gerhard / 03.11.2022

Brasilien, das Land der Zukunft - und das bleibt auch so. Die Rache des Dreieckhandels.

Guido Kirschke / 03.11.2022

Heute ist alles, was nicht links oder ultralinks ist faschistisch. Tolles Neusprech und die echten Faschisten freuen sich über die Verharmlosung des Begriffs durch die inkompetenen Haltungsschreiberlinge in den MSM.

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