Peter Grimm / 10.07.2019 / 11:00 / Foto: Raimond Spekking / 83 / Seite ausdrucken

Der Verbots-Vordenker

Wenn man gefragt würde, welcher Philosoph und Denker denn am besten zu unseren derzeitigen politischen Verantwortungs- oder besser Amtsträgern passt, läge die Antwort doch auf der Hand, oder? Von Richard David Prechts Werken sind wahrscheinlich die meisten Protagonisten in den breiten Kreisen, in denen die politische Klasse inzwischen immer öfter nahezu einheitsparteilich auftritt, angetan. Zumindest öffentlich.

Und wer ihm die Zuschreibung des großen Denkers nicht gönnt, sei darauf verwiesen, dass die Augsburger Allgemeine ihn „zu den meistgelesenen Denkern Deutschlands“ zählt. So haben ihn die Kollegen ihren Lesern anlässlich eines Interviews vorgestellt und Precht gab sich Mühe, diesem Ruf alle Ehre zu machen. Wer den bis zum Sommerferienbeginn allfreitaglich „hüpfenden Fruchtzwergen“ applaudiert, darf sich auch von der allseits beliebten Geistesgröße bestätigt sehen, wenn es um die Prioritäten unserer Zeit geht:

„Die ökologische Frage ist nicht nur die Frage unserer Zeit, sondern unserer Epoche. Aber dazu gehört nicht nur die Klimakrise, sondern auch der Ressourcenverbrauch – alle Folgen unseres extensiven Wirtschaftens.“

Also gut, nicht nur unserer Zeit, sondern unserer Epoche und nicht nur die „Klimakrise“. Fürs Kleine-Brötchen-Backen ist Richard David Precht ja auch wirklich ein zu großer Geist. Der weiß natürlich, dass allein die Träume vom reinen grünen Gewissen im Wohlstand eines Bionade-Biedermeier nicht reichen, sondern dass sich manche Mitmenschen für die Rettung der Welt auch eine „gewisse Verzichtskultur“ aneignen müssen.

„Und Verzichtskultur und Marktwirtschaft passen außerordentlich schlecht zusammen. Da haben wir eine sehr große Aufgabe vor uns.“

Wenn die Verzichtskultur so unglaublich wichtig für die Zukunft ist, dann verzichten wir eben auf die Marktwirtschaft. Blöderweise entsteht überall dort, wo der regulierende Arm einer Ordnungsmacht nicht zugreift, automatisch eine Art Marktwirtschaft. In jeder Planwirtschaft sind die Bereiche einer marktwirtschaftlichen Schattenökonomie oftmals überlebensnotwendig. Aber um solche Feinheiten geht es dem Großdenker in diesem Interview nicht. Doch er weiß natürlich, dass bei einem großen Teil der Bevölkerung, vor allem bei denen, die aktiv an der Wertschöpfung teilhaben, der Wechsel von der Markt- in die Zwangswirtschaft nicht gerade populär ist.

„Die Menschen lieben Verbote“

Und die Erkenntnis eines jeden drittklassigen Diktators, dass die neue Welt mit neuen Menschen ohne Verbote falschen Verhaltens nicht zu erreichen ist, blieb offenbar auch Precht nicht verborgen. Er will nun auch Nicht-Diktatoren Mut zum Verbieten machen, wie er der Augsburger Allgemeinen verraten hat:

Die Menschen lieben Verbote. Das ist etwas, was Politiker nicht verstehen. Die meisten Leute sind natürlich erst einmal dagegen, aber nachher sind sie froh, dass es die Verbote gibt. Denken Sie nur an das Verbot, in öffentlichen Räumen und Gaststätten nicht mehr rauchen zu dürfen. Wie haben viele gesagt: Das kann man in Deutschland nicht machen, das werden sich die Menschen sich nicht verbieten lassen! Die Mehrheit war gegen das Rauchverbot. Und heute? Es ist geradezu unvorstellbar, dass man mal überall mal rauchen durfte und dass Ihnen jemand im Restaurant seinen Zigarrenqualm ins Gesicht bläst. Bei einer Umfrage wären die meisten heute für das Verbot!“

Die freien, selbstbestimmten Bürger, die demokratisch entscheiden und nicht bevormundet werden wollen, entsprechen offenbar so gar nicht dem Bild, das Precht von der kommenden Gesellschaft hat. Er setzt offenbar auf devote Mündel, die nach Weisungen und Verboten lechzen. Dass es noch Politiker gibt, die ihre Wähler anders sehen, scheint er nicht verstehen zu können:

„Ich finde es furchtbar, dass die Politik vor Verboten eine solche Angst hat. Es ist schlimm, dass sie als Politiker heute, bis zur Blödigkeit darauf erpicht sein müssen, beliebt zu sein, und sich nie trauen, etwas zu machen, das vernünftig ist. Die Grünen sind da ein typisches Beispiel, weil man ihnen vorgeworfen hat, dass sie eine Verbotskultur einführen wollen. Und in jedem zweiten Satz sagen die Grünen: Nein, das wollen wir nicht! Aber wenn sie ihre Ziele umsetzen wollen, müssen sie genau das tun. Und es ist ja nicht so, als wären in diesem Land nicht schon ungezählte Dinge verboten, denken Sie nur an den Straßenverkehr. Da kommt es auf ein paar wichtige Verbote, die wir für die Zukunft der Menschheit hinzufügen müssen, nicht an.“

Wenn schon so viel verboten ist, dann kommt‘s also auf ein Verbot mehr oder weniger nicht mehr an. Für die „Zukunft der Menschheit“ opfern wir die Freiheit ja gern. Das haben unsere Vorfahren ja schließlich auch schon versucht.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de 

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Dr. Gerhard Giesemann / 10.07.2019

Der Herr Philosophus redet von “extensiver Industrie”. Bei dem Begriff “extensive Landwirtschaft” handelt es sich um Haltung von Rindviechern in der Pampa Argentiniens etwa, mit Riesenflächem, wo die sich satt fressen können, kein Schwein kümmert sich um sie, bis es soweit ist. Gegensatz: INTENSIVE Landwirtschaft mit Stallhaltung und Futtersilage, gerne Kraftfutter mit Soja. Also: “extensiv” ist grün und ökologisch, “intensiv” ist kapitalistisch, eine einzige Sauerei. Intensive Landwirtschaft und Industrie ist nur notwendig, wenn hohe Bevölkerungsdichten dazu zwingen - wie in Europa. Gerne erhöht man das als philosophus mansisses durch intensive Zuwanderung - offenbar ist es hier viel schöner, bei Stallhaltung der Leute wie’s Vieh als woanders, wo eher extensiv, also bisschen weniger dicht gehaust wird. Lärm und Hitze, isses das, was der Kerl gut findet? Kann ein Mensch, ich betone EIN Mensch wirklich so blöd sein? Mamamia.

E Ekat / 10.07.2019

Kommt immer darauf an, wer etwas sagt. Der Precht leuchtet aus, was mittlerweile weitgehend unbemerkt im Nebel des Tagesgeschäfts versinkt. Verbote allerorten. Hätte Gauland dergleichen gesagt, oder gar der Höcke, sowas hätte dann eine böswillige Erwartung der Leute getroffen.  Damit wäre eine herbeigesehnte Gelegenheit entstanden, eine weitere Ungeheuerlichkeit der AfD, Rechtspopulisten, Nazis zu skandalisieren. Precht hat recht, die Leute sind bescheuert.

Hjalmar Kreutzer / 10.07.2019

Bei jedem Artikel auf der Achse frage ich mich, ob ich den Beitrag selbst oder die Leserbriefe besser finden soll. Ich halte es mit Asterix bei den Belgiern: „Ach was, wir sind alle am tapfersten, und jetzt lasst uns nach Hause gehen!“

herbert binder / 10.07.2019

Welch eine Freude, liebe Frau Schönfelder, unmittelbar nach der Lektüre auf Ihren Kommentar zu stoßen. D’accord. Auch ich gehe meilenweit, um eine Begegnung der p.ten Art zu vermeiden. Und obwohl ich immer sehr hungrig bin - nach Bildung - aber von bestimmten Menschen, würde ich keine “Scheibe Brot” nehmen. Mein Beitrag zur Verzichtskultur. Beim Cicero wurde kürzlich ebenfalls dieser Name gehandelt. Mein bescheidener Leserbeitrag: “Howgh, ich habe gesprochen (Überschrift). Können wir denn nichts für dich tun, oh großer P.? Doch, geht mir aus meiner Sonne! Ein ins Eigene verliebt Seiendes. Eine Schallplatte.” [Ende des Zitats] Danke, lieber Herr Grimm - im Tennis wäre das ein Aß.

Gilbert Brands / 10.07.2019

Heißt das nun “Augsburger Allgemeine” oder “Augsburger Puppenkiste” oder “Pupsburger Augenkiste”? Egal! Das große Denken funktioniert auch nur, wenn jemand 50 ct in den Schlitz wirft. Leider hat nie jemand das nötige Kleingeld dabei.

Wiebke Lenz / 10.07.2019

Nun, da ich ja ein einigermaßen vernunftbegabtes Wesen bin, darf mir Herr Precht gerne mit Argumenten kommen. Ich argumentiere dagegen oder akzeptiere diese als richtig. Aber ganz ehrlich: Ich erwarte in der Hinsicht nichts von ihm. Wenn er also der “meistgelesene Denker” unserer Zeit ist, so bin ich wahrscheinlich der genialste Kopf unserer Zeit, der diese Zeit lediglich mit Diskussionen und dem Schreiben von Kommentaren verbringt. (Ach so, ich verkaufe auch noch meine Arbeitskraft. Sch… Marktwirtschaft aber auch.)

Max Demian / 10.07.2019

Wenn das stimmen würde , wäre ich nicht 1989 in Leipzig auf die Straße gegangen und in den Jahren vorher mein halber Bekanntenkreis in den Westen ausgereist , alles geschah aus dem selben Grund,wir hatten die Nase voll von Bevormundung , Verboten und Unfreiheit! 30 ,Jahre später stehen wir wieder am selben Punkt,die geballte Faust in der Tasche und bereit wieder auf die Straße zu gehen! Eigenartigerweise stehen neben mir wieder die selben Aufrechten wie damals,eine Frau .Lengsfeld,Hr. Weißgerber und viele Andere!

Sabine Schönfelder / 10.07.2019

Precht ist die Höchststrafe. Er ist das personifizierte geistige Armutszeugnis, eine kognitive Lachplatte, ein philosophischer Offenbarungseid, der geistige, schwachmatöse Überbau grün-linker Irrsinnspolitik. Ein Schwafel-Jesus im Armanianzug. Wolle mer ihn neilosse?? Auf gar keinen Fall!

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