Dirk Maxeiner / 30.12.2018 / 06:08 / Foto: Pixabay / 46 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer:  Deutsche Bank, VW, Spiegel

Während meiner Reisen durch die USA habe ich immer wieder Bekanntschaft mit amerikanischen Ordnungshütern gemacht. Meistens im Straßenverkehr, da neige ich am ehesten zur Schwerkriminalität. Einmal hab ich (als Beifahrer) eine Dose Bier (Bud light) getrunken. In den USA ist Konsumieren von Alkoholika im öffentlichen Raum allerdings verboten. Doch draußen war es heiß und das Bier eiskalt, außerdem wusste ich nicht, dass der Innenraum eines Autos der Öffentlichkeit zugerechnet wird (Ich halte es da mit „my car, is my castle“). Aber das reichte als Entschuldigung nicht. Im Gegenteil. Fremde Länder, fremde Sitten. Sollte man sich dran halten. Ich musste brav die Hände aufs Dach legen und mich abtasten lassen. Und bekam echt Schiss.

„Ordnungshüter“ heißt auf amerikanisch „Sheriff“. Und so sind die auch. Es handelt sich um meist humorlose Zeitgenossen, die ihrer Tätigkeit akribisch nachgehen. Bei uns sind Polizisten allerdings auch nicht besonders humorbegabt. Und auch sie pflegen zumindest Verkehrsvergehen gewissenhaft zu verfolgen. Und doch gibt es einen eklatanten Unterschied. Amerikaner stehen vor ihren Sheriffs auffällig stramm. Deutsche und besonders solche, die es werden wollen, halten den heimischen Polizisten eher für so eine Art Hobbit in grüner Uniform, den man nicht ernst nehmen muss. 

Damit ist eigentlich schon alles über die Rolle gesagt, die Recht und Ordnung in den jeweiligen Nationen einnehmen. Oder besser formuliert: Über den Respekt, den das Gesetz und seine jeweiligen Vertreter genießen. Und das ist nicht nur ganz unten so, sondern auch ganz oben. Und es führt immer wieder zu, sagen wir es mal so: kulturellen Missverständnissen. Die Volkswagen-Bosse beispielsweise hielten die amerikanischen Abgasvorschriften für so eine Art lockere Empfehlung eines zwar wohlhabenden aber insgesamt unterbelichteten Onkels aus Übersee. 

Dann wird der Onkel sehr böse 

Das war ein Fehler. Die Sache ist nämlich so: Onkel Sam bringt jedem zunächst mal das Grundvertrauen entgegen, dass er ihn nicht bescheißt. Hintergeht er ihn aber doch, dann wird der Onkel sehr böse. Als die Amerikaner Diesel-Gate pünktlich zur Automobil-Ausstellung 2015 in Frankfurt hochgehen ließen, verriet schon die Terminwahl: Uups, Onkel Sam ist gar nicht so unterbelichtet. Und hat ein gutes Gefühl für Dramaturgie. 12 Uhr mittags, High Noon und so. Es folgte ein Massaker, das noch nicht zu Ende ist. Wer gegen das Gesetz verstößt, landet im Knast. Da hilft auch keine unglückliche Kindheit.  

Auch die Deutsche Bank kann ein Lied davon singen, was es heißt, sich in USA nicht gesetzeskonform zu verhalten. Der Niedergang des Instituts hängt direkt mit seinem Engagement in den Vereinigten Staaten zusammen und mit den diversen Leichen, die man dort glaubte, im Keller deponieren zu können. Und wieder ist der Onkel aus Amerika äußerst nachtragend. 

Und jetzt Spiegel-Gate. Der Spiegel hielt den Onkel aus Amerika sogar für besonders unterbelichtet. Man dachte in Hamburg offensichtlich, im Tal der Ahnungslosen zwischen New York und Los Angeles sei niemand der deutschen Sprache mächtig und somit in der Lage, Märchen zu lesen. Es kam, wie es kommen musste. Nachdem klar war, dass die Bombe von Amerika aus gezündet werden würde, ging der Spiegel in letzter Minute mit den diversen Fälschungen selbst an die Öffentlichkeit. Und auch Spiegel-Gate wird ein unangenehmes juristisches Nachspiel haben, das zeichnet sich jetzt schon ab.

Von der derzeitigen Spiegel-Führungsriege wird – so oder so –  in ein paar Monaten nicht mehr viel übrig sein, das wird nicht anders laufen als bei VW. Der designierte neue Spiegel Chef Ullrich Fichtner lässt sein Amt bereits vorerst ruhen, ein euphemistische Umschreibung dafür, dass er es wohl nie antreten wird.

Wie ein Zimmerbrand, über den man eine Decke wirft

Wenn man die drei Beispiele betrachtet, ergibt sich ein interessantes Muster: Verfehlungen deutscher Institutionen oder Unternehmen werden in letzter Zeit auffällig oft erst im Ausland aufgedeckt, besonders in den USA. Offensichtlich funktionieren in der Bundesrepublik die „checks and balances“ nicht mehr, weder in der Wirtschaft noch in der Politik. Kritik und Widerspruch werden erstickt wie ein Zimmerbrand, über den man eine Decke wirft und ihm den Sauerstoff entzieht. Und genau da liegt das Problem dieses Landes.

„Wenn Entscheidungsträger mentalitäts- und weltanschauungsmäßig einander zu ähnlich sind, werden sie leicht Opfer des Gruppendenkens“ heißt es in dem Bestseller „Die Weisheit der Vielen“. Weil Informationen, die konventionelle Weisheit in Frage stellen könnten, von vornherein ausgeschlossen oder als offenkundig falsch abgetan würden, verfestige sich in solchen Gruppen eine abgeschottete Bunkermentalität, die häufig zu vollkommen falschen Einschätzungen der tatsächlichen Lage führt. Gescheite Gruppen bestehen aus Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, die unabhängig voneinander sind. Ohne Erkenntnisvielfalt geht es schief. Das gilt für Volkswagen, die Deutsche Bank, den Spiegel, aber auch für Deutschland als Ganzes.

Missstände benannt und Veränderungen ausgelöst werden derzeit jedenfalls, wenn überhaupt, sehr oft von außerhalb. So formuliert man beispielsweise verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken gegen die deutsche Migrationspolitik in Ländern wie Österreich, Polen, Ungarn, Italien oder Dänemark viel klarer als hierzulande und setzt auch entsprechende Maßnahmen durch. In Deutschland wird die Kontrolle der Regierenden immer seltener vom Parlament, den zuständigen Gerichten oder den großen Medien übernommen. 

Die juristische und publizistische Schlacht um Donald Trump in den USA beweist derweil, dass das System der Gewaltenteilung jenseits des Atlantik noch ziemlich gut funktioniert. Da bleibt nix unter der Decke. Und weil die Amerikaner das so gewohnt sind, verwundert es nicht, dass der amerikanische Botschafter Richard Grenell den Hamburger Blattmachern schon mal eine Abmahnung schickte und jenen Teil der amerikanischen Bevölkerung in Schutz nahm, den das Blatt mit seinen Fälschungen stigmatisierte. Es ist indes nicht zu erwarten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel jemals Teile der deutschen Bevölkerung gegen den Spiegel in Schutz nimmt. Oder, dass der Spiegel Teile der deutschen Bevölkerung gegen Merkel in Schutz nimmt.

Das ist das deutsche Drama: Eine Hand wäscht die andere, während doch eigentlich eine Hand die andere kontrollieren sollte.

Von Dirk Maxeiner ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ein ideales Geschenk für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, gleichsam als Zündkerze für das Fest der Ruhe und Besinnlichkeit. Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Chris Groll / 30.12.2018

Wie üblich großartig Herr Maxeiner. Wie klar und deutlich Sie die Dinge auf den Punkt bringen.  Mehr ist dazu nicht zu sagen.  Ihnen und dem ganzen Achgut-Team und auch allen Lesern ein friedliches und glückliches Jahr 2019.

Joachim Roux / 30.12.2018

Grün ist out, die Polizei trägt blau…

Robert Jankowski / 30.12.2018

Ein Verwandter von mir ist Polizist und meinte einmal. dass die Waffe des Polizisten das Wort sei. Das Problem dabei ist, dass Zugereiste das “Wort” zumeist gar nicht verstehen. und lesen können sie es leider oftmals auch nicht. Die Durchsetzung von Recht und Gesetz, also Law and Order, ist Etwas, mit dem man in den USA definitiv keine Scherze machen sollte. In Deutschland hingegen wird die Polizei in Etwa so ernst genommen, wie ein Schiedsrichter bei einem Fußballspiel zwischen Türkyemspor und Türk Sport in der Bezirksliga. Der kann nämlich froh sein, wenn er bei einer angeblichen Fehlentscheidung nicht auf die Fresse bekommt. Mit der deutschen Polizei verhält es sich ähnlich. Zusätzlich zeigen z.B. die Vorfälle in Nordrhein-Westfalen, dass sie sich mit weisungsbefugten Politikern auseinandersetzen muss, deren Weltbild aus der pädagogischen Bepuschelung Zugereitser besteht.  Man muss schließlich deren Kultur berücksichtigen. Was daraus resultiert sind NoGo Areas für weibliche Polizeibeamte, ein massiver Motivationsverlust und eben der “Hobbit in Uniform”. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin eigentlich kein Law and Order Typ, aber Respekt vor der Poizei ist für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und demokratie ein Muss und mit dem “Hobbit in Uniform” ist das nicht mehr gewährleistet.

Michael Scheffler / 30.12.2018

Sie beschreiben eine Facette des deutschen Untertanengeistes. Wie weiland Diederich Heßling alles machte, was die Obrigkeit verlangte, machen das heute in der FDGO viele und wundern sich, dass es ihnen trotz harter Arbeit schlechter geht als in anderen Staaten. Das das direkt mit ihrem (Wahl)-Verhalten zu tun haben könnte und mangelndem (demokratischen) Widerspruchsgeist - Fehlanzeige. Kaum jemand nutzt die noch bestehenden Möglichkeiten aus und dann wundert man sich, wenn der Gürtel in jeglicher Beziehung immer enger geschnallt wird.

Rainer Weiss / 30.12.2018

Unsere verstörende kulturelle Arroganz den Amerikanern gegenüber fiel mir bei meinem ersten Aufenthalt im mittlerem Westen auf: statt auf Armeen von ausgebeuteten armen Schluckern zu treffen, war ich gar nicht in der Lage, das Armenviertel von Nashville als solches zu identifizieren, sah es doch mit seinen von Rasenflächen eingerahmten weißen Bungalowss eher so aus wie eine typische deutsche Vorstadtsiedlung. Die Honkeytonks auf die ich traf, waren durch die Bank überaus freundlich und humorvolle Leute. Überhaupt scheinen mir die Amerikaner „ erwachsener“ zu sein, als unsere , zu Albernheiten und zum Nachplappern neigenden Mitbürger und Moraleliten. Bis jetzt hat Europa nicht einmal ein eigenes Computerbetriebssystem, ist digital auf ganzer Linie abgehängt, und gerade dabei, den einzigen Bereich , in dem sie noch führend sind, den Motorenbau, zu versenken.

Stefan Lanz / 30.12.2018

Guten Morgen Herr Maxeiner, als eben so ein Hobbit kann ich jedes Wort nur unterstreichen. Woran das liegt, hat viele Gründe, die meisten davon sind grundlegender, politischer Natur. Einer dieser Gründe ist, dass bei uns die Staatsanwaltschaften weisungsgebunden sind und nicht vom Bürger gewählt werden. U.a. führt dies dann zu grotesken Szenen, wenn man als Ermittlungsbeamter der Staatsanwaltschaft quasi den Gegenpol einnimmt und einem die Staatsanwälte/innen (gefühlt hat man nur noch mit jungen Staatsanwältinnen aus gutem Hause zu tun) vor lauter Einstellerei-Begründungen zugunsten der Beschuldigten um die Ohren hauen, die einem nur noch den Kopf schütteln lassen. Man hat immer öfters das Gefühl, dass Staatsanwälte eher die Rolle des Verteidigers einnehmen, als die des Staates. Als Hobbit hat man sich dann mit der Zeit angewöhnt, die Festnahme an sich und für sich als Erfolg zu werten und den weiteren Gang des Verfahrens auszublenden. Würde man dies nicht tun, würde man in eine Sinnkrise fallen und das Hobbitsein an sich in Frage stellen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum immer mehr Hobbitse sich so schnell als möglich in den Tagdienst verabschieden und den Strassenkampf den Halblingen überlassen, die den Wertekanon fest verbaut im Herzen tragen und jeden Tag aufs Neue gegen die Realität verteidigen… Ich wünsche allen Herausgebern, Autoren und Lesern der Achse einen schönen Sonntag, trotz schlechtem Wetters und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!    

René Nacht / 30.12.2018

Herr Maxeiner, hat es nicht auch etwas damit zu tun, dass der “Deutsche” an sich überzeugt davon ist, mit erhobenem Zeigefinger und herablassend auf das irrlichternde Nationengesocks herabblickend durch das hier und jetzt zu taumeln? Ich möchte es mal so sagen: der Nationalsozialismus hat seinerzeit ganz raffiniert und hinterfotzig den “Deutschen” in seiner latenten Eigenwahrnehmung bestärkt so etwas wie die Herrenrasse zu sein. Wie wir wissen, ist dieses Gefühl bei einem Teil der Bevölkerung dieses Landes, speziell und beinahe ausschließlich bei denen die hier momentan das Sagen haben rudimentär zwar, aber immer noch so präsent vorhanden, dass “wir” schon wieder wie der Elefant im Porzellanladen bräsig durch Raum und Zeit torkeln. Ich bin nicht sicher, auf welche Menschen das mehr zutreffend ist, als auf unsere vereinigten, grünrotschwarzen Eliten und Macher, die hierzulande Momentan mit stolzgeschwellter Gutmenschenbrust, voller Dünkel nach alter Manier agieren. Und mal ehrlich, ist dieses Verhalten nicht das eigentliche, genuine Nazi?

B.Kröger / 30.12.2018

Wer die Führung in Deutschland - auf welche Weise auch immer - übernommen hat, dem wird gefolgt. Da gibt es keine „checks and ballances“.

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