Dirk Maxeiner / 02.05.2021 / 06:00 / Foto: Helgi Halldórsson / 125 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Ab heute angebotsorientiert!

Sie wollen den Sonntagsfahrer lesen? Echt jetzt? Pünktlich am Sonntagmorgen? Zum Frühstück womöglich? Tut mir leid, ich muss Sie hiermit darauf aufmerksam machen, dass Sie diese Kolumne künftig nicht etwa lesen können, wann Sie wollen, sondern zu jenem Zeitpunkt, an dem ich dem verehrten Publikum die Gnade erweise, ein Manuskript zuzuteilen.

Aber selbst wenn ich dieser Pflicht pünktlich nachkomme, sind Sie noch nicht auf der sicheren Seite. Ihre Versorgung mit Pointen ist nämlich nur dann sichergestellt, wenn auch der Energielieferant ihrer Wahl pünktlich den Strom zuteilt. Und das könnte knapp werden, wenn 80 Millionen Deutsche alle zugleich ihr Gerät anschalten, um beim Sonntagsfahrer einzusteigen. Bevor ich jetzt aus der Kurve getragen werde, lasse ich die Sache vorsichtshalber von Sylvia Kotting-Uhl erklären. Die ist nämlich schwer auf meiner Seite und nicht nur Frau, sondern auch grün. 

Frau Kotting-Uhl gilt als die Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses und hat für diese Tätigkeit beim Aufbau einer Kinderwerkstatt zehn Jahre lang wertvolle Erfahrung gesammelt. Ihr „erstes Leben“ fand laut Wikipedia im Kraichgau statt, „mit Selbstversorger-Tendenzen“ und dem Studium von Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte. Ihr zweites Leben verbrachte sie als Mitglied der Grünen, der Deutschen Rentenversicherung sowie „BUND, Greenpeace, WWF, Amnesty International, Gesellschaft für bedrohte Völker und diversen kulturellen und sozialen Einrichtungen Baden-Württembergs“ zuzüglich einer Reise nach Fukushima. Außerdem entfaltet sich ihr segensreiches Tun im „Aufsichtsrat der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), im Kuratorium der DBU – Deutsche Stiftung Umwelt, im Beirat der Gesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zur Sicherung des Nationalen Naturerbes mbH und im Deutsch-Japanischen Forum" (Wikipedia).

Endlich von der drückenden Grundlast befreit

In der vergangenen Woche erklärte Frau Kotting-Uhl im Bundestag, wie das künftig mit dem Sonntagsfahrer läuft. Und zwar der AfD, Gottseibeimir. In der Debatte zur „Energieversorgung in Deutschland“ rief sie den Abgeordneten zu:

Allein Ihre Unfähigkeit, sich unter Energieversorgung etwas anderes als Grundlast vorzustellen, das ist so von gestern wie Sie selbst. Die Zukunft wird flexibler sein, spannender, ja, auch anspruchsvoller: nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert…"

Will sagen: Strom gibt es künftig nicht, wenn er gebraucht wird, sondern dann, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. „Kaffee kochen? Warmes Wasser zum Duschen? PC anschalten? Hängt vom Wetter ab“, schrieb Manfred Haferburg auf Achgut.com dazu. Frau Kotting-Uhl versteht halt etwas von Endlagerung und weiß deshalb: Das Prinzip von Angebot und Nachfrage – man nennt es auch Marktwirtschaft – ist sowas von gestern. Das Land gehört endlich von der drückenden Grundlast befreit, und kapitalistische Irrlehren werden in den Salzstöcken von Gorleben vergraben, damit auch künftige Generationen nicht mehr verstrahlt werden können.

Ab sofort weist die Kunstgeschichte den Weg in die Zukunft: Schon Vincent van Gogh malte seinen Sämann bei untergehender Sonne. Danach ist der Saft weg und es wird für den Landmann spannend. Denn womöglich hat die junge Bauersfrau die Schnauze voll von Selbstversorger-Tendenzen und haut ab nach Frankreich, wo es Atomkraftwerke gibt.

Dazu passt ein alter Witz aus dem Großreich der Angebotsorientierung: Will ein Sowjetbürger einen Lada kaufen. Er füllt Anträge aus, besorgt sich die nötigen Stempel und legt den Kaufpreis bar auf den Tisch. Da sagt der Autoverkäufer zu ihm: „Kommen Sie in zehn Jahren wieder und holen Sie ihr Auto ab.“ Darauf geht der junge Mann seines Weges, dreht sich dann aber noch einmal um und fragt: „Morgens oder nachmittags?“ Und der Verkäufer fragt zurück: „Was für einen Unterschied macht das?“ Antwort: „Morgens kommt schon der Klempner.“

Sie ergänzen sich trefflich zu einer bipolaren Schaltstörung

Eine besondere Kompetenz auf diesem Gebiet besaß zweifellos die SED, die spannende und anspruchsvolle Angebotsorientierung zu ihrem Markenkern gemacht hatte. Mein Dreamteam für das neue Deutschland sind daher Sylvia Kotting-Uhl (Grüne, Kunstgeschichte) und Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke, Erziehungswissenschaften). Die beiden ergänzen sich trefflich zu einer bipolaren Schaltstörung, man könnte auch anerkennend sagen: zum personifizierten Blackout. 

Ein angebotsorientierter Fahrstuhl im Berliner Funkturm verspricht ebenso hochspannende und unvergessliche Momente wie die Verkehrsampel am Münchner Stachus und Omis Atemgerät im Seniorenheim. Auch am beschrankten Bahnübergang könnte es für den einen oder anderen Passanten angebotsorientiert überraschend dunkel werden. So ähnlich wie im Oberstübchen der Verantwortlichen, dort werden derzeit schätzungsweise 99,9 Prozent des einfallenden Lichts absorbiert. Das schafft außer unseren Regierenden nur ein Superschwarz, das eine britische Firma jüngst entwickelt hat.

Zum Glück hat der Sonntagsfahrer bereits begonnen, sich auf eine angebotsorientierte Lebensführung umzustellen. Führend ist auf diesem Gebiet ja bereits die Deutsche Bahn, die schon länger nicht mehr kommt, wann man sie braucht, sondern dann, wenn es gerade geht. Kürzlich fahndete ich nach der Ankunft eines mit Henryk Broder schwer beladenen ICE aus Berlin, der Augsburg dann erstaunlicherweise aus Richtung München erreichte. Und der Herr wurde auch einen halben Tag später angeliefert, als er eigentlich gebraucht wurde. Bei der Recherche entdeckte ich darüber hinaus zu meinem Erstaunen, dass an diesem Tag sämtliche Züge auf dieser Strecke bereits angebotsorientiert fuhren beziehungsweise nicht fuhren.

Ähnlich angebotsorientiert ist ja auch das deutsche Impfwesen, das in dieser Hinsicht Pionierarbeit leistete. Wer verreisen möchte, sollte sich tunlichst erkundigen, was es wo gerade nicht gibt. Keine Züge gibt’s bei der Bahn, keine Impfungen im Impfzentrum. Das sollte man nicht verwechseln, sonst gibt’s ein Déjà-vu mit einem vertrauten DDR-Kalauer. Frage an eine Verkäuferin im Centrum-Warenhaus: „Verzeihen Sie, haben Sie denn keine Strumpfhosen?“ Antwort: Hier haben wir keine Waschmaschinen, keine Strumpfhosen gibt es im ersten Stock.“ 

Und keine Alternativen im Bundeskanzleramt.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Alfred Alex / 02.05.2021

Was beschwert man sich? Der Bundestag hat mit der Verabschiedung des Messstellenbetriebsgesetz bereits die Rationierung vorbereitet. Jeder Haushalt in Deutschland bekommt in den nächsten Jahren einen digitalen Stromzähler – ob er will oder nicht. Digitale Messsysteme ermöglichen eine Fernabschaltung der Stromversorgung. Hat man irgendetwas darüber von Protesten, von Eingaben oder Petitionen gehört? Nein, es ist alles stillschweigend hingenommen worden. Frau Kotting-U. handelt nur folgerichtig. Die Bevölkerung ist zufrieden damit. Und Klaus Schwab lächelt feinsinnig: ” Ihr werdet nichts besitzen und ihr werdet glücklich sein.”

Albert Schelling / 02.05.2021

Bitte Bitte Herr Maxeiner, schreiben sie wieder mal was Lustiges. Wieso in letzter Zeit immer so traurige Geschichten.

Meikel Hoffmann / 02.05.2021

Da wir ja alle bereits auf Eventualitäten vorbereitet sind, haben wir bei unseren Stromanschlüssen 3 Farben verlegt. Wenn dann der Grün-Gelbe keinen Strom mehr liefert, klemmen wir auf Blau und bekommen sauberen Atomstrom aus Frankreich oder Polen oder Finnland. Den Schwarzen leiter will ja keiner mehr, ( Kohlestrom), der könnte dann für schnelles Internetgenutzt werden, oder wir ziehen roten Schrumpfschlauch drüber, für Stromzuteilungen. Wie schön das sich mit ein paar Farben die Welt so einfach erklären lässt. Das verstehen sogar Grüne.

Fritz kolb / 02.05.2021

Ich habe den Vortrag dieses sonderbaren, grünen Doppelnamen- (oder besser: Doppelmoral-) Wesens, das sich Kotting-Uhl nennt, bei YouTube angeschaut. Ich wollte schon Mitleid mit diesem verstrahlten Wesen entwickeln, aus normal-männlichem Schutzinstinkt. Aber dahinter sehe ich die kalte Fratze des Grün-Faschismus. Ich stelle mir nun wieder einmal die Frage, wie man dem Volk diese Fratze erkennbar machen kann.

Wolf von Fichtenberg / 02.05.2021

>>> SONDERANGEBOT!  Greifen Sie zu! >> Angebotsorientierte Intelligenz, nach Schwarz nun auch in Grün. Ab September erhältlich, damit der Blackdown zum umweltfreundlichen Greendown wird. Nutzen Sie beide Stimmen? Ja? Dann gibt es gratis den putzigen Knuddelkobold Stupido als Kinderspielzeug dazu. Preis? Supergünstig! Nur Ihre Zukunft!  Was ist das schon? Worauf warten Sie noch? Nimm Grün und alles wird blüh’n! – Freuen Sie sich auf Wildkrautbiotope in den sich rasch vermehrenden Industrieruinen, brummsingende Windanlagen sowie auf die körperliche Ertüchtigung per Lastenfahrrad. Güterschwertransporte per Pedale. - Doch das ist noch nicht alles: Gratis erhalten Sie zudem eine Zeitreise in das Jahr 1978. Eine nostalgische Dauerschleife hinein in den Moment als in der DDR das Licht ausging und der Kohleausstieg ein völlig neues Lebensgefühl vermittelte.  Das alles können Sie haben. Gemütliches Kienspanlicht und Schlaglochbiotope in den Straßen. Täglich! Dauerhaft. Worauf warten Sie noch?

Heiko Stadler / 02.05.2021

Seit 16 Jahren erleben wir angebotsorientiert kluge Entscheidungen der Regierung. Da wundert mich nichts mehr.

Jürgen Fischer / 02.05.2021

Gilt das mit dem „angebotsorientiert“ dann auch für die Grün*Innen oder haben die für sich eine klitzekleine Grundlast im Koboldnetz gespeichert?

G.Lindner / 02.05.2021

Ab September kann der angebotsorientierte Untergang mit automatisch steigender CO2 Zwangsabgabe gewählt werden. Grün steht für dieses Angebot. Mit garantierter funktionfreier Wirkung und Landfressender Energieerzeugung.

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