Dirk Maxeiner / 10.11.2019 / 06:10 / Foto: Human evolution scheme / 36 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Udo und das Sackhüpfen

„Aufrechter Gang in Deutschland erfunden“ meldete Spiegel Online vor drei Tagen und BILD.de schloss in einem Video sogleich eine migrationspolitische Frage an: "Stand die Wiege der Menschheit doch nicht in Afrika?" Der bayerische Rundfunk beantwortete sie diplomatisch: „Der erste aufrecht gehende Menschenaffe war ein Bayer". Und der letzte auch, möchte ich hinzufügen, es war Franz Josef Strauß. Ich meine das nicht im Bezug auf den Terminus „Affen“, sondern in Bezug auf die Formulierung „aufrechter Gang“ und "Bayer". Schließlich ist der „aufrechte Gang“ auch eine politische Metapher. Inzwischen wurde er durch Sackhüpfen ersetzt, für das es Haltungsnoten gibt.

Schuld an der komplizierten Debatte ist Udo, mit vollem Namen heißt er Udo Danuvius guggenmosi und lebte im Allgäu. Dort zumindest wurden in einer Tongrube in der Nähe von Kaufbeuren jetzt die Überreste eines Primaten gefunden, der, als so eine Art Mittelwesen zwischen Mensch und Affe, vor acht Millionen Jahren von den Bäumen kletterte und schon mal aufrecht durch die Gegend lief. Bislang war diese Premiere auf die Zeit vor etwa fünf Millionen Jahren in Afrika datiert, als die Hominiden sich von den anderen Menschenaffen abzweigten. Ich hatte da schon immer meine Zweifel, denn auch mein Riesenschnauzer Fritz beherrschte den aufrechten Gang, wenn er den Postboten am Gartentor verscheuchte.

Gefunden wurden Udos Knochen von Wissenschaftlern der Universität Tübingen und des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment. Und die teilten über ihr Forschungsprojekt mit: "Rund 15.000 Fossilien von bisher 115 Wirbeltier-Arten konnten geborgen werden, darunter Fische, Riesensalamander, Schildkröten, Vögel, Elefanten und die weltweit ältesten Pandas. Vor fast 12 Millionen Jahren lebten sie hier in offenen Waldlandschaften, Flüssen und Tümpeln in einem warm-subtropischen Klima." Die zuständige Landrätin Maria Rita Zinnecker feiert den Fund in der Tongrube "Hammerschmiede": "Das heutige Ostallgäu ist eine der Wiegen der Menschheit." 

Huihuihui. Warmes subtropisches Klima im Allgäu. Vor 12 Millionen Jahren. Riesen-Artenvielfalt. Blühende Landschaften. Wiege der Menschheit! Wie geht denn das? Erderwärmung? Rudolf Diesel war doch noch gar nicht geboren! Und die Vorfahren des Menschen gehen – trotzig wie die Allgäuer nunmal sind –  einfach auf die Überholspur. Weshalb ich die Erklärung der Landrätin ergänzen möchte: Das heutige Ostallgäu ist somit auch eine Wiege der Klimaleugner (und ein beliebtes Rückzugsgebiet der Cosa Nostra und 'Ndrangheta, echt jetzt, ich wohne in der Gegend).

Große Transformation von zwei Beinen auf vier Räder

Die Geschichte der letzten zwölf Millionen Jahre führte mit ein paar Rückschlägen von Udo Danuvius guggenmosi zu Rudolf Christian Karl Diesel und von Kaufbeuren ins etwa eine Stunde entfernte Augsburg. Sie gipfelte am 17. Februar 1893 mit einem Knall: Diesels Motor machte das erste Bäuerchen und gab eine Zündung von sich. Dies ebnete der großen Transformation von zwei Beinen auf vier Räder den Weg. Entsprechende Überreste werden vermutlich in kommenden Millionen von Jahren von kleinen grünen Männchen aus Tongruben gebuddelt werden, und man wird sich die Frage stellen, warum unsere Spezies zu diesem Zeitpunkt wieder auf die Bäume zurückkehrte.  

Im nächsten Frühjahr werde ich mir deshalb von einem Freund seinen alten Strich-8 Mercedes-Diesel leihen und eine Emission-Rebellion Tour von Augsburg durchs Allgäu bis nach Südtirol unternehmen. Erste Station wird der Urdiesel in der Ausstellung von MAN in Augsburg sein, dann kommt der Ur-Udo in Pforzen dran. Danach geht’s weiter auf der Spur der Cosa Nostra in die Alpen nach Südtirol zu Ötzi, auch „Der Mann aus dem Eis“ und „Mumie vom Similaun“ genannt. 

Der alte gefriergetrockenete Geselle wurde vor 5.250 Jahren in den Ötztaler Alpen gemeuchelt, laut Pathologie hatte er obendrein Rücken. Die Leiche wurde eingeschneit und von der wachsenden Eismasse eines Gletschers eingeschlossen. Erst im heißen Sommer 1991 kam der Mordfall wieder zum Vorschein. So ähnlich wie die Baumreste, die allenthalben unter abschmelzenden Gletschern entdeckt werden, sind Erinnerungen an Prädiesel-Warmzeiten, aber nicht so gerne gesehen (defätistische Elemente zeigen aber beispielsweise im Heimatmuseum auf dem Großglockner eine Animation des Pasterzegletschers von 10.700 bis heute, die reinste JoJo-Diät).  

Der Yeti kommt nicht im Himalaya vor, sondern in Berlin

Falls dann noch Zeit ist, geht’s weiter in eines der Tiroler Museen von Reinhold Messner, meinem Lieblings-Grünen. Der kann nämlich klettern und weiß, wie man auf einen Baum hinauf kommt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Grünen weiß er aber auch, wie man wieder herunter kommt. Außerdem hat er die Menschheit so schön mit dem Yeti verkohlt. Der kommt nämlich gar nicht im Himalaya vor, sondern in Berlin. Nur heißt er dort Peter Altmaier. 

Womit wir wieder beim aufrechten Gang sind. Karrieretechnisch war der aufrechte Gang ja noch nie ein wirklicher Hit. Da kann man nur von Udo Danuvius guggenmosi lernen, der war nämlich so eine Art Hobbit, wog gerade mal 18 bis 30 Kilo und wurde nur knapp einen Meter groß. Dank seiner Körpergröße konnte er aufrecht unter so manchem Hindernis durchlaufen, genau wie Henryk M. Broder übrigens, der beim Moralhochsprung einfach die Latte unterwandert und freundlich grüßend fragt: Warum verrenkt ihr euch so

Udo Danuvius guggenmosi hatte überdies einen vorbildlich winzigen ökologischen Fußabdruck. Man stelle sich nur vor, wie viele Udos in einen Ferienflieger von Ryanair hineinpassen würden. Außerdem hatte er eine umweltfreundlich begrenzte Laufzeit von unter 30 Jahren und konnte deshalb niemals zum alten weißen Mann werden. 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Gabriele Kremmel / 10.11.2019

Die Wiege der Menschheit im Allgäu. Schlagzeilen mit dümmlichen Schlussfolgerungen waren mir schon immer ein Gräuel. Der älteste aufgefundene Affe mit aufrechtem Gang ist nicht automatisch der älteste existierende Affe mit aufrechtem Gang. Und stimmt, die Italiener lieben das Allgäu. Kempten ist einer der Lieblings-Zweitwohnsitze italienischer Geschäftstreibender. Doch wer sagt, dass das erst seit der Römerzeit so ist und warum also sollte Udo Danuvius guggenmosi nicht eigentlich Giuseppe Danuvius guggenmosi heißen, der es mithilfe des aufrechten Gangs bis nach Pforzen geschafft hat und dort an Altersschwäche verstorben ist. Zeit-Online sollte besser recherchieren oder seine Schlagzeilen präzisieren. So ähnlich verhält es sich übrigens auch mit den Klimawandelschlagzeilen.

Bernhard Krug-Fischer / 10.11.2019

Lieber Herr Maxeiner,  wieder ein köstlicher Artikel. Ich wünsche viel Spaß  bei der Tour im nächsten Frühjahr. Und wenn Sie von Südtirol über die Inntalautobahn zurückfahren, empfehle ich einen kleinen Abstecher in das Naturkunde Museum in Siegsdorf. (Das Museum habe ich vor 2 Wochen besucht). Dort gibt es auch eine schöne Animation vom Inntalgletscher (auch auf der Homepage des Museums im Internet zu finden). Und jetzt stelle ich mir bildlich vor, wie die Kinder von Udo sackhüpfen und vor dem Klimawandel warnen und schreien: Hilfe die Gletscher schmelzen, wir werden alle bald verbrennen und sterben. Und jetzt kommt natürlich sofort die 100.000 € Frage: wie haben die Nachkommen von Udo dennoch den Klimawandel überlebt? Und die haben nicht nur einen Klimawandel mitgemacht, sondern mehrere. Genau genommen dürfte es die Menschheit nach den FfF-Hysterikern gar nicht mehr geben. Ich habe aber eine Vermutung: das Hirn dieser Urmenschen war zwar noch nicht soweit entwickelt wie heute. Aber es wurde eingesetzt! Und jetzt kommt natürlich die nächste wissenschaftliche Fragestellung: ist das das “Resthirn”, von dem man öfter in manchen Blogs lesen kann???

J.G.R. Benthien / 10.11.2019

Herr Maxeiner, Sie haben mir einen der schönsten Morgen im November 2019 bereitet! Dabei haben Sie kein Wort über die kopfkranke Schwedengöre verloren — Hut ab!

Karl Mistelberger / 10.11.2019

Wie so oft schreibt DER SPIEGEL Käse. Der aufrechte Gang entwickelte sich mitnichten in Deutschland, sondern im Allgäu.

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