Dirk Maxeiner / 31.07.2022 / 06:05 / Foto: Unbekannt / 76 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Merz und die Faktenchecker

Privatflieger Friedrich Merz kann nicht nur alleine starten, sondern auch landen. Wie weiland Franz Josef Strauß, der ja schon mal im Schneetreiben in Moskau eingeschwebt ist. Merz fliegt allerdings lieber bei Sonnenschein.

Dank der Berichterstattung über Christian Lindners Hochzeit weiß ich nun, dass Friedrich Merz, ganz gerne zum Steuerknüppel greift. Der Mann fliegt und zwar selbst. Immerhin ist er in Berlin gestartet und anschließend erfolgreich auf Sylt gelandet. Ganz im Gegensatz zu Angela Merkel, die über 16 Jahre einem mit russischem Gas betriebenen Heißluftballon innewohnte. Und der jetzt irgendwo vor Mecklenburg-Vorpommern  in die Ostsee stürzt wie eine russische Raumkapsel ohne Fallschirm, weil Putin das Gas abdreht. 

Da lob ich mir doch den Friedrich Merz, das alte Fossil fliegt nämlich mit Diesel. Merz ist gewissermaßen ein Tyranno Saurus Rex, der sich vorübergehend als veganer Pflanzenfresser ausgibt, er changiert dabei zwischen Argentinosaurus, Diplotucus und Brachiosaurus. Charakteristisch für Pflanzenfresser war ihr langer Hals. Mit ihm konnten diese Dinosaurier leicht die Blätter in den Baumwipfeln erreichen.Trotz ihrer gewaltigen Körpergröße entsprach ihr Gehirn nur etwa der Größe eines Apfels. Das ist bei Merz aber eher nicht der Fall, sein Gehirn bewegt sich um den menschlichen Normwert von 1230 Kubikzentimetern und damit dem Hubraum eines aktuellen Kleinwagens. Man sieht also ganz klar: Der Mann verstellt sich. 

Möglicherweise handelt es sich bei Merz auch um einen Flugsaurier (Pterosauria). Sie waren durch ihre großen, tragflächenartigen Flughäute als erste Wirbeltiere in der Lage, aktiv zu fliegen. Kein Wunder dass als  letztes Aufgebot die Faktenchecker vom Redaktionsnetzwerk Deutschland auf den Plan gerufen wurden, um Pterosauria Merzens dreiste Verteidigung hinsichtlich seines ökologischen Fussabdrucks zu widerlegen. Der fliegende Sauerländer sprach nämlich, er verfliege weniger Kraftstoff als eine durchschnittliche Regierungskutsche. Das konnte man natürlich nicht durchgehen lassen. Die Drachentöter vom Redaktionsnetzwerk rechneten akribisch nach, wieviel Kraftstoff Merz bei der Anreise zur Hochzeit von Lindner verbraucht hat: „Privatflug nach Sylt: Wie viel Sprit hat Merz wirklich verbraucht?".

Die handwerkliche Manufaktur alternativer Fakten

Das Ergebnis entspricht einer mythologischen Erzählung, irgendwo zwichen Harry Potter, dem Herr der Ringe und dem Flugplan der Lufthansa. Sie erlauben unfreiwillig einen tiefen Einblick in die handwerkliche Manufaktur alternativer Fakten, denn diese Recherchekünstler können alles beweisen und auch das Gegenteil davon, je nachdem was gerade politisch erwünscht ist. Die Methoden sind stets die gleichen, dazu gehört es beispielsweise etwas mit großem Tamtam zu widerlegen, was gar nicht behauptet wurde oder Äpfel mit Birnen zu vergleichen. In diesem Fall wird der reale Flug von Merz anhand der Flugdaten mit dem theoretischen Normverbrauch eines Kanzler-Dienstwagens zwischen Berlin und Sylt verglichen.

Merz brauchte etwa zwei Stunden für die Strecke, vielleicht hat er seiner Frau unterwegs noch ein paar schöne Schlösser von oben gezeigt oder einem Bauern das holsteinische Milchvieh in den Stall getrieben. Vielleicht musste er auch bis zur Landeerlaubnis ein paar Runden über Sylt kreisen und hat der Hochzeitsgesellschaft schon mal mit den Tragflächen zugewunken.

Der Ausflug wird dann von den Faktencheckern einer theoretischen Autofahrt mit dem Normverbrauch eines dicken Dienstwagens auf dieser Strecke gegenübergestellt. Eine reale Fahrt sieht aber in der Regel ganz anders aus. Für die Strecke zwischen Berlin und Sylz muss man in der Reisezeit acht bis zehn Stunden veranschlagen. Wäre Merz mit einem schweren Benz Marke Scholz  angereist, hätte er wahrscheinlich alleine 45 Minuten gebraucht um aus dem notorisch mit Baustellen vernagelten Berlin herauszukommen und dann weitere kontemplative Stündchen mit laufender Klimaanlage in den sieben großen Autobahn-Baustellen zwischen Berlin und Sylt verbracht. All das braucht Sprit und zwar ordentlich. Da werden aus 20 Litern pro 100 Kilometer auch mal sehr, sehr viel mehr. Damit fällt die ganze Faktencheckerrechnung zusammen wie ein misslungenes Soufflé.

Besonders hübsch ist nebenbei auch der Verweis auf Cem Özdemirs Elektroauto, das "direkt gar keinen Sprit" braucht. Stimmt. Er braucht Kohle. Indirekt und wenn der Wind nicht weht. Wahrscheinlich aus einem der drei verbliebenen Berliner Steinkohlekraftwerke.

Die Vorführung der RND-Checker entspricht der einer Kunstflugstaffel mit Rolle rückwärts, Immelmann und energischen Trudel-Einlagen. Und deshalb muss bei der Argumentation semantisch ein wenig nachgeschärft werden, man beachte die Überschrift: „Privatflug nach Sylt: Wie viel Sprit hat Merz wirklich verbraucht? 

„Privatflug" klingt schon mal schwer neureich. Dabei ist doch so ziemlich jeder Flug ein Privatflug, was denn sonst. Selbst Faktenchecker fliegen privat nach Mallorca. Bei einer MIG 35 im Anflug auf Berlin handelt es sich hingegen um einen Dienstflug, das ist ein minder schweres Vergehen.

Die Frage „Was verbraucht er?" ist mir selbst sehr vertraut als die deutscheste aller deutschen Fragen, noch vor „Was bin ich?", „Woher komme ich?" und „Wohin gehe ich?", siehe oben Dinosaurier. Als Konduktor eines Cadillac, Baujahr 1956, den ich am ehesten der Gattung Triceraptos General Motorensis zuordnen würde, weiß ich wovon ich rede. Der vorzeitliche Gefährte verbraucht deutlich mehr als die Merzsche Diamond DA62 und sollte nicht allzu weit weg von der nächsten Raffinerie geparkt werden. Auf die dumme Frage nach dem Verbrauch habe ich mir eine passende Antwort angewöhnt: „200 Liter im Jahr". Das ist gemein, weil es ja ein Rätsel mit einer Unbekannten ist. Die Faktenchecker trollen sich dann und rufen in die Stille ihres Köpfchens, von wo aber nix zurück schallt. 

Ich fand das sehr mittelständisch

Und dann das Zauberwort „Sylt", mit dem der Trunk der Druiden angerührt wird. Aus irgendwelchen unter den Sylter Dünen schlummernden Gründen gilt das Eiland als Inbegriff des Luxus und der Dekadenz, weil dort ab und zu Menschen beim Verköstigen von Champagner und Krustentieren beobachtet werden. Wenn Aldi ein Partyzelt für den heimischen Garten offeriert, sehen die Fotomodelle im Prospekt immer genauso aus wie die Gäste der Sansibar und tragen Aldiletten und ein Champagnergläschen in der Hand. Deutschland ist letztendlich ein genügsames Biotop, selbst in der Upperclass. 

Ich war natürlich auch schon mal auf Sylt, mit Sabine und einer „Ente". Dieser Privatvogel ist prädestiniert für geringe Flughöhen und wurde von Citroën zwischen 1949 und Mitte 1990 gebaut. Geheiratet haben Sabine und ich auf Sylt aber nicht, sondern lediglich gewisse Vorbereitungen getroffen – und zwar in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz in Rantum. Ich fand das sehr mittelständisch.

„Privatflug". „Sylt". „Benzinverbrauch". Es ist putzig, mit welchen Bildern man Vorstellungen von Reichtum und Luxus simulieren kann. Wahlweise geht auch eine Zusammensetzung aus „Zahnarzt", „Swimmingpool", „Villa" oder „Yacht". Wenn es nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch kriminell sein soll, empfehle ich eine Kombination von „Schweizer Konto", „Rolex" und „Bodyguard".

Ich empfehle die Selbstbeschreibung "steuerbord"

Darüber hinaus wird es dann übersichtlich, respektive politisch: Es genügt der Begriff  „rechts". Als bewährter Kommunikationsberater empfehle ich daher den Betroffenen die Selbstbeschreibung als „steuerbord". Womit ich wieder bei Friedrich Merz gelandet bin.

Wieviel verbraucht denn sein todschicker kleiner Flugsaurier tatsächlich? Es handelt sich bei der Diamond DA62 zunächst einmal um ein in Österreich gebautes Leichtflugzeug mit zwei Diesel(!)-Motoren, einer Reichweite von 2.380 Kilometern und einer Reisegeschwindigkeit von 325 km/h. Sieht aus wie ein Rieseninsekt aus der Kreidezeit. Laut Wikipedia beträgt der Verbrauch 37 Liter in der Stunde, was ebenfalls laut Wikipedia  14,1 Liter pro 100 Kilometern entspricht. Merz sagt also nicht die Unwahrheit, wenn er feststellt, dass sein Flieger weniger verbraucht als ein Dienstwagen der Regierungsklasse. 

Ein bisschen neidisch auf den Merz bin ich schon. Leider übersteigt die Diamond DA62 mit 920.000 Euro aber meine Möglichkeiten, da hätte ich was Anständiges lernen müssen. Prinzipiell gefällt mir das Teil deutlich besser als fünf Mercedes S-Klassen. Leider habe ich nicht nur zu wenig Bares, sondern auch keinen Flugschein, weil ich schon bei der flugärztlichen Begutachtung unangenehm auffiel. Statt Kerosin tippte ich beim Geruchstest auf Kaffee. Das macht mir höchstens Annalena Baerbock nach.

Merz, der alte Streber, hat es natürlich geschafft. Und nun ist es raus: Er kann nicht nur alleine starten, sondern findet auch selbstständig eine Landebahn. Orientierungsvermögen scheint vorhanden, ein Talent für koordiniertes Handeln auch. Wie weiland Franz Josef Strauß, der ja schon mal im Schneetreiben in Moskau gelandet ist. Merz fliegt allerdings lieber bei Sonnenschein.

 

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Foto: Unbekannt via Wikimedia Commons

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Christoph Ernst / 31.07.2022

Diamond DA62 würde ich auch gern mal fliegen. Leider fehlt mir der Flugschein. Außerdem fände ich ein Sopwith Camel schicker, aber die wird schon eine Weile nicht mehr gebaut. Sie holte einst Richthofens Fokker Dr I vom Himmel. Zusammen mit dem roten Baron. Neid auf Flieger, die obendrein noch durch die Luft gleiten als mein betagter Dodge D 11 rollt, finde ich deplatziert. Aber so wie ein Cadillac von 1956 oder Dodge von 1939 durchaus nachhaltig sind, was Ressourcenersparnis angeht, ist Merzens Ausflug in Vorbereitung des Misstrauensvotums gegen Scholz und des Ausstiegs der FDP aus der aktuellen Koalition nur lobenswert und weise investiert. Dass das RND davor zittert, versteht sich von selbst. Aber das produziert ohnehin bloß woken, postfaktischen Kitsch.  Dabke für den hübschen Artikel!

Ralf.Michael / 31.07.2022

Immer wenn ich den Namen Friedrich lese und höre, assoziiere ich ihn mit dem Slogen : Hüte dich vor den ” Iden des März “.....

M.Müller / 31.07.2022

Handwerkszeug: Richtig ist: Es wurde Merz’ Behauptung überprüft, jeder Dienstwagen der Bundesregierung verbrauche mehr Sprit als sein Flugzeug. Falsch ist somit Ihre Darstellung, es wurde vornehmlich die Kanzlerlimo mit Merz’ Flug verglichen. Richtig ist, dass manche vieles so darstellen, wie sie es gerade brauchen: Beispiel: einerseits:  Für Sie ist heute Sylt ein Eiland wie jedes andere, um dem RND zu beweisen, dass sie Merz und Lindner böswillig als Schnösel darstellen. Andererseits: a) Herr Etscheint beschrieb die Sause hier auf diesem Blog (am 19.7.) als Luxushochzeit auf dem Prominenteneiland b) lt Frau Stockmann (12.7.) war die dreitägige Sause das falsche Zeichen zur falschen Zeit am falschen Ort, angesichts der Lage im Land. Zu Äpfel und Birnen: Während Sie die Staus in Berlin (nach Ihrer Prognose verantwortlich für+45 Sprit verbrauchende Autominuten) auf das Dienstwagenkonto aufschlagen, spielt der Weg zum Flugplatz (ebenfalls raus aus Berlin), den Merz irgendwie bewältigt haben muss, keine Rolle. Fazit :Zustimmungsfähig ist Ihr heutiger Satz: “Die Methoden sind stets die gleichen.”

Winston Schmitt / 31.07.2022

Er kann starten und landen, Nordstream 2 öffnen will, bzw. dürfte er aber auch nicht. Insofern, was hilft es, sich über unsere Polit-Marionetten in Berlin aufzuregen. Aber egal was Sie schreiben Herr Maxeiner, schon Ihr Cadillac macht uns (zumindest in diesem Bereich) zu Brüdern im Geiste. Allen ein schönes Wochenende.

Henry Winter / 31.07.2022

“.... weil Putin das Gas abdreht.” Was für ein Ding .... Ich Depp dachte doch tatsächlich, der Westen hätte damit angefangen Putin so einiges abzudrehen. Aber der wirre Geisteszustand, der einen glauben lässt, andere müssten sich an Verträge halten während man selbst den dicken Max macht scheint nicht nur die politischen “Eliten” befallen zu haben.

Hans-Peter Dollhopf / 31.07.2022

Herr Dr. Wolf, Sie schreiben: “Also ich bin nicht neidisch auf Herrn Lindners Hochzeit, finde sie aber trotzdem in Zeiten, in denen in Afrika Kinder verhungern oder verdursten, absolut daneben. Weil völlig empathielos.” - - - Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht. Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Paare in Afrika tagtäglich mehr oder weniger prunkvoll heiraten?

Thomas Kache / 31.07.2022

Wunderbar gefaktencheckt von den Faktenchecker*innnen. Haben die Naseweisen auch in ihre Milchmädchenrechnung mit einfliessen lassen, das das Kanzlermobil wohl kaum alleine auf weiter Flur unterwegs gewesen sein wird? Es werden auch Personenschützer mit CO 2 ausstossenden Gefährten in dem Kanzlerkordon mitgefahren sein. Bitte nachrechnen, ansonsten 6- setzen. Ergo ist das ganze eine Neiddebatte auf niedrigstem Niveau. Schönen Sonntag allerseits

Hans Kloss / 31.07.2022

Wie diese a.grigen auf Sylt geschafft haben, ist mir egal. Was Gas Abdrehen angeht - wir haben darüber gebeten oder wie bei ns2 selbst aktiv dat Ding nicht in Betrieb genommen. Man sollte aufpassen was man so schreibt. Anders gesehen solche (bei dieser Gelegenheit) Nebensachen und Kleinigkeiten zeigen uns den Geisteszustand des Autors. Jeder von uns akzeptiert bestimmte Dinge ohne fragen und dann entwickelt sich dar Glaube selbst weiter. Irgendwann wird es heißen, dass meine Gasheizung und mein Gasherd auch der Energiewende zuzuordnen sind. Sind sie nicht. Sie sind aber ein Zeichen dass ich meinem Gefühl “in diesem Land stimmt etwas mit den Leuten nicht”  doch damals glauben sollte, als ich mich entschieden habe, mich hier niederzulassen. Mit Kommunisten ist die schmerzhafte Zukunft sicher

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