Privatflieger Friedrich Merz kann nicht nur alleine starten, sondern auch landen. Wie weiland Franz Josef Strauß, der ja schon mal im Schneetreiben in Moskau eingeschwebt ist. Merz fliegt allerdings lieber bei Sonnenschein.
Dank der Berichterstattung über Christian Lindners Hochzeit weiß ich nun, dass Friedrich Merz, ganz gerne zum Steuerknüppel greift. Der Mann fliegt und zwar selbst. Immerhin ist er in Berlin gestartet und anschließend erfolgreich auf Sylt gelandet. Ganz im Gegensatz zu Angela Merkel, die über 16 Jahre einem mit russischem Gas betriebenen Heißluftballon innewohnte. Und der jetzt irgendwo vor Mecklenburg-Vorpommern in die Ostsee stürzt wie eine russische Raumkapsel ohne Fallschirm, weil Putin das Gas abdreht.
Da lob ich mir doch den Friedrich Merz, das alte Fossil fliegt nämlich mit Diesel. Merz ist gewissermaßen ein Tyranno Saurus Rex, der sich vorübergehend als veganer Pflanzenfresser ausgibt, er changiert dabei zwischen Argentinosaurus, Diplotucus und Brachiosaurus. Charakteristisch für Pflanzenfresser war ihr langer Hals. Mit ihm konnten diese Dinosaurier leicht die Blätter in den Baumwipfeln erreichen.Trotz ihrer gewaltigen Körpergröße entsprach ihr Gehirn nur etwa der Größe eines Apfels. Das ist bei Merz aber eher nicht der Fall, sein Gehirn bewegt sich um den menschlichen Normwert von 1230 Kubikzentimetern und damit dem Hubraum eines aktuellen Kleinwagens. Man sieht also ganz klar: Der Mann verstellt sich.
Möglicherweise handelt es sich bei Merz auch um einen Flugsaurier (Pterosauria). Sie waren durch ihre großen, tragflächenartigen Flughäute als erste Wirbeltiere in der Lage, aktiv zu fliegen. Kein Wunder dass als letztes Aufgebot die Faktenchecker vom Redaktionsnetzwerk Deutschland auf den Plan gerufen wurden, um Pterosauria Merzens dreiste Verteidigung hinsichtlich seines ökologischen Fussabdrucks zu widerlegen. Der fliegende Sauerländer sprach nämlich, er verfliege weniger Kraftstoff als eine durchschnittliche Regierungskutsche. Das konnte man natürlich nicht durchgehen lassen. Die Drachentöter vom Redaktionsnetzwerk rechneten akribisch nach, wieviel Kraftstoff Merz bei der Anreise zur Hochzeit von Lindner verbraucht hat: „Privatflug nach Sylt: Wie viel Sprit hat Merz wirklich verbraucht?".
Die handwerkliche Manufaktur alternativer Fakten
Das Ergebnis entspricht einer mythologischen Erzählung, irgendwo zwichen Harry Potter, dem Herr der Ringe und dem Flugplan der Lufthansa. Sie erlauben unfreiwillig einen tiefen Einblick in die handwerkliche Manufaktur alternativer Fakten, denn diese Recherchekünstler können alles beweisen und auch das Gegenteil davon, je nachdem was gerade politisch erwünscht ist. Die Methoden sind stets die gleichen, dazu gehört es beispielsweise etwas mit großem Tamtam zu widerlegen, was gar nicht behauptet wurde oder Äpfel mit Birnen zu vergleichen. In diesem Fall wird der reale Flug von Merz anhand der Flugdaten mit dem theoretischen Normverbrauch eines Kanzler-Dienstwagens zwischen Berlin und Sylt verglichen.
Merz brauchte etwa zwei Stunden für die Strecke, vielleicht hat er seiner Frau unterwegs noch ein paar schöne Schlösser von oben gezeigt oder einem Bauern das holsteinische Milchvieh in den Stall getrieben. Vielleicht musste er auch bis zur Landeerlaubnis ein paar Runden über Sylt kreisen und hat der Hochzeitsgesellschaft schon mal mit den Tragflächen zugewunken.
Der Ausflug wird dann von den Faktencheckern einer theoretischen Autofahrt mit dem Normverbrauch eines dicken Dienstwagens auf dieser Strecke gegenübergestellt. Eine reale Fahrt sieht aber in der Regel ganz anders aus. Für die Strecke zwischen Berlin und Sylz muss man in der Reisezeit acht bis zehn Stunden veranschlagen. Wäre Merz mit einem schweren Benz Marke Scholz angereist, hätte er wahrscheinlich alleine 45 Minuten gebraucht um aus dem notorisch mit Baustellen vernagelten Berlin herauszukommen und dann weitere kontemplative Stündchen mit laufender Klimaanlage in den sieben großen Autobahn-Baustellen zwischen Berlin und Sylt verbracht. All das braucht Sprit und zwar ordentlich. Da werden aus 20 Litern pro 100 Kilometer auch mal sehr, sehr viel mehr. Damit fällt die ganze Faktencheckerrechnung zusammen wie ein misslungenes Soufflé.
Besonders hübsch ist nebenbei auch der Verweis auf Cem Özdemirs Elektroauto, das "direkt gar keinen Sprit" braucht. Stimmt. Er braucht Kohle. Indirekt und wenn der Wind nicht weht. Wahrscheinlich aus einem der drei verbliebenen Berliner Steinkohlekraftwerke.
Die Vorführung der RND-Checker entspricht der einer Kunstflugstaffel mit Rolle rückwärts, Immelmann und energischen Trudel-Einlagen. Und deshalb muss bei der Argumentation semantisch ein wenig nachgeschärft werden, man beachte die Überschrift: „Privatflug nach Sylt: Wie viel Sprit hat Merz wirklich verbraucht?
„Privatflug" klingt schon mal schwer neureich. Dabei ist doch so ziemlich jeder Flug ein Privatflug, was denn sonst. Selbst Faktenchecker fliegen privat nach Mallorca. Bei einer MIG 35 im Anflug auf Berlin handelt es sich hingegen um einen Dienstflug, das ist ein minder schweres Vergehen.
Die Frage „Was verbraucht er?" ist mir selbst sehr vertraut als die deutscheste aller deutschen Fragen, noch vor „Was bin ich?", „Woher komme ich?" und „Wohin gehe ich?", siehe oben Dinosaurier. Als Konduktor eines Cadillac, Baujahr 1956, den ich am ehesten der Gattung Triceraptos General Motorensis zuordnen würde, weiß ich wovon ich rede. Der vorzeitliche Gefährte verbraucht deutlich mehr als die Merzsche Diamond DA62 und sollte nicht allzu weit weg von der nächsten Raffinerie geparkt werden. Auf die dumme Frage nach dem Verbrauch habe ich mir eine passende Antwort angewöhnt: „200 Liter im Jahr". Das ist gemein, weil es ja ein Rätsel mit einer Unbekannten ist. Die Faktenchecker trollen sich dann und rufen in die Stille ihres Köpfchens, von wo aber nix zurück schallt.
Ich fand das sehr mittelständisch
Und dann das Zauberwort „Sylt", mit dem der Trunk der Druiden angerührt wird. Aus irgendwelchen unter den Sylter Dünen schlummernden Gründen gilt das Eiland als Inbegriff des Luxus und der Dekadenz, weil dort ab und zu Menschen beim Verköstigen von Champagner und Krustentieren beobachtet werden. Wenn Aldi ein Partyzelt für den heimischen Garten offeriert, sehen die Fotomodelle im Prospekt immer genauso aus wie die Gäste der Sansibar und tragen Aldiletten und ein Champagnergläschen in der Hand. Deutschland ist letztendlich ein genügsames Biotop, selbst in der Upperclass.
Ich war natürlich auch schon mal auf Sylt, mit Sabine und einer „Ente". Dieser Privatvogel ist prädestiniert für geringe Flughöhen und wurde von Citroën zwischen 1949 und Mitte 1990 gebaut. Geheiratet haben Sabine und ich auf Sylt aber nicht, sondern lediglich gewisse Vorbereitungen getroffen – und zwar in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz in Rantum. Ich fand das sehr mittelständisch.
„Privatflug". „Sylt". „Benzinverbrauch". Es ist putzig, mit welchen Bildern man Vorstellungen von Reichtum und Luxus simulieren kann. Wahlweise geht auch eine Zusammensetzung aus „Zahnarzt", „Swimmingpool", „Villa" oder „Yacht". Wenn es nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch kriminell sein soll, empfehle ich eine Kombination von „Schweizer Konto", „Rolex" und „Bodyguard".
Ich empfehle die Selbstbeschreibung "steuerbord"
Darüber hinaus wird es dann übersichtlich, respektive politisch: Es genügt der Begriff „rechts". Als bewährter Kommunikationsberater empfehle ich daher den Betroffenen die Selbstbeschreibung als „steuerbord". Womit ich wieder bei Friedrich Merz gelandet bin.
Wieviel verbraucht denn sein todschicker kleiner Flugsaurier tatsächlich? Es handelt sich bei der Diamond DA62 zunächst einmal um ein in Österreich gebautes Leichtflugzeug mit zwei Diesel(!)-Motoren, einer Reichweite von 2.380 Kilometern und einer Reisegeschwindigkeit von 325 km/h. Sieht aus wie ein Rieseninsekt aus der Kreidezeit. Laut Wikipedia beträgt der Verbrauch 37 Liter in der Stunde, was ebenfalls laut Wikipedia 14,1 Liter pro 100 Kilometern entspricht. Merz sagt also nicht die Unwahrheit, wenn er feststellt, dass sein Flieger weniger verbraucht als ein Dienstwagen der Regierungsklasse.
Ein bisschen neidisch auf den Merz bin ich schon. Leider übersteigt die Diamond DA62 mit 920.000 Euro aber meine Möglichkeiten, da hätte ich was Anständiges lernen müssen. Prinzipiell gefällt mir das Teil deutlich besser als fünf Mercedes S-Klassen. Leider habe ich nicht nur zu wenig Bares, sondern auch keinen Flugschein, weil ich schon bei der flugärztlichen Begutachtung unangenehm auffiel. Statt Kerosin tippte ich beim Geruchstest auf Kaffee. Das macht mir höchstens Annalena Baerbock nach.
Merz, der alte Streber, hat es natürlich geschafft. Und nun ist es raus: Er kann nicht nur alleine starten, sondern findet auch selbstständig eine Landebahn. Orientierungsvermögen scheint vorhanden, ein Talent für koordiniertes Handeln auch. Wie weiland Franz Josef Strauß, der ja schon mal im Schneetreiben in Moskau gelandet ist. Merz fliegt allerdings lieber bei Sonnenschein.
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