Zum Stichwort “Teppichklopfer” muss ich einen Witz los werden, den Harry Rowohlt, ein durch und durch Linker, aber mit Herz und Verstand, gerne bei seinen Lesungen erzählte. Heute würde er sich damit vermutlich erledigen. Kommt also ein Mann morgens an seinem türkischen Nachbarn vorbei, der im Hof einen Teppich ausklopft. Sagt der Mann: “Na, Ali, will er nicht anspringen?”
Da bekommt ein Helikopter etwas Gemütliches und seine endgültige Ausmusterung etwas wehmütig Nostalgisches. Das NVA-Hubschraubergeschwader in Brandenburg Briest, in dem ich die Ehre hatte, meine 18-monatige Wehrpflicht - am Boden, versteht sich! - zu verbringen, verfügte leider über keine einzige Bell UH1. Unsere “Teppichklopfer” waren sowjetischen (MI-4, MI-16) und polnischen (SM-2) Ursprungs. Den Strom für den Start bezogen sie übrigens aus offenen LKW-Anhängern. Dort waren Autopatterien zusammengeschaltet. Rüsselartige Kabel wurden an den Hubschrauber gestöpselt und, wenn alles klappte, vor dessen Abheben schnell abgezogen. Zärtliche oder lästerliche Kosenamen erinnere ich keine. Alles war tierisch ernst, weil der imaginäre “Feind” ja offziell ständig vor der Tür stand. Der zögerliche Start eines Hubschrauberverbandes wurde hinter vorgehaltener Hand so kommentiert: “Bevor die alle in der Luft sind, verteilt der Ami am KDP schon Kaugummi.” Vorgänge wie die öffentliche Ausmusterung eines kampferprobten Gerätes wäre undenkbar. Die Sowjetunion und ihre “Waffenbrüder” hielten große Stücke auf Diskretion - und ihre Geheimdienste…
@Archi W Bechlenberg: Yeah - you made my day!
Wie immer, ein brillanter, mit herrlichen ironischen Spitzen besetzter Artikel, danke dafür, in diesem Fall Sonntagsüberflogener ;-)) Ich habe persönlich auch sehr viele Erinnerungen an den Teppichklopfer, ich habe ihn geliebt und bin seit unserem ersten Rondevouz sein Fan. Ich habe meine “Karriere” als Sanitäter im Sanbereich der Heeresflieger begonnen, als Behandlungszimmermucker vom Fliegerarzt und unzählige Anekdoten um Piloten und Maschinen in petto. Und die waren in ruppiger Bundeswehrmanier oft nicht ohne, bis hin zu tödlich, wenn ich an den Zwischenfall auf der “Youth” in Dortmund, ausgelöst wohl durch leichtsinnige junge Piloten mit Imponiergehabe gegenüber jungen Frauen zurückdenke. Aber meist war der Teppichklopfer mit orangerot gestrichener Seitentür in besserer Absicht unterwegs, nämlich um Menschen zu retten. Auch oder meist zivil, bei Verkehrsunfällen, Herzinfarkten oder anderen dramatischen Dingen, wo es um Minuten ging. Und auch da kam ein beruhigendes Gefühl auf bei den Leuten vor Ort, wenn das Schlagen der beiden Rotorblätter (deren Spitzen einen Überschallknall auslösen, daher der Lärm) schon Kilometer entfernt hörbar war und langsam näher kam und der Hubschrauber anschließend auf einem quasi Handtuch großen Fleck direkt auf dem Punkt landete. Denn das konnten Mensch und Maschine. Und ich habe nie Angst gehabt auf den SAR Flügen, trotz minimalistischer Bordelektronik und Fliegens auf Sicht, selbst im Dunkeln. Wenn wir Sie des nachts aufgeweckt haben, Herr Sonntagsfahrer, mea culpa! Aber dann haben wir uns auch ordentlich verflogen, (möglich wärs, siehe oben Stichwort Bordelektronik) weil wir eher in nördlichen Gefilden unterwegs waren ;-)Apropos: “Search and Rescue” Flüge durch die Bundeswehr und Ihr kompetentes Personal - an ADAC-Luftrettung war noch gar nicht zu denken - das war noch vor den Zeiten, als zwei Emanzen gendergerechte Toiletten, Flachbildschirme und Tarnfleckkleidung für Schwangere wichtiger waren als Einsatzfähigkeit der Truppe…
Mein gewöhnlich gut informierter Informant erzählte, ein Huwey werde durch das Modell Louie ersetzt, im Grunde der gleiche Heli wie vorher, nur mit einer deutlich höheren Ladekapazität. Damit will man den besonderen Anforderungen Genüge tun, die bei einer überstürzten Flucht vom Dach des Kanzleramtes in Bezug auf das Gesamtgewicht der Passagiere auftreten werden. Das Sitzen auf Helmen ist mangels anatomischer Voraussetzungen übrigens nicht mehr nötig.
Kleine Jungs lieben Hubschrauber, das scheint tatsächlich was Genetisches zu sein. Mein Erstgeborener nannte ihn allerdings - mit einem seiner ersten Worte - “Drehbauber”...
Vom dilettantischen Befreiungsversuch im SPD geführten München 1972 bis zum dilettantischen Befreiungsversuch dieser Tage zieht sich eine rote Linie: „Die Münchner Polizei hatte zwar damals schon Scharfschützengewehre des Typs Steyr SSG 69 in ihren Beständen, daran waren allerdings noch keine Präzisionsschützen ausgebildet.“ Heute: „ Es geht nicht nur um die reine Kapazität, also etwa Intensivbetten, sondern auch darum, dass wir ausreichend Pflegekräfte haben, um die Patienten in diesen Betten auch gut zu betreuen. Wir haben schon zu normalen Zeiten Engpässe. Aber in einer solchen Krise hat das eine ganz andere Dimension.“ (Hermann Reichenspurner, Direktor an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf). Was sich geändert hat: damals trugen noch die Terroristen eine Maske, heute die Geiseln.
Die gute alte Bell. Mit so einer bin ich vor 20 Jahren sogar mal geflogen. Mit nem irren Piloten der Heeresflieger im Cockpit, der unbedingt durch breite Waldbrandschneisen fliegen musste, “um dem polnischen Radar zu entgehen “. Die Aussteige-Szenerie bei unserer Landung muss Beobachter an Staatsbesuche des Papstes erinnert haben, angesichts unserer deutlich sichtbaren Freude, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Was soll’s, so einen Irrsinn sollte man wenigstens einmal im Leben mitgemacht haben. Flüge durch Gefechtszonen fern unserer Heimat, in einem CH- 53 Helikopter ,waren da schon etwas ernsthafter. Trotz ihres martialischen wie rustikalen Auftretens steht die Bell in meinen Augen für Dinge, die man heutzutage nur noch selten findet. Zuverlässigkeit, Qualität, Durchhaltevermögen. Trotz ihrer technischen Überholtheit werde ich die olle Kaffemühle vermissen, denn irgendwo steht sie auch als Sinnbild für eine Epoche, in der die Werte die dieser fliegende Kübel für mich verkörpert, noch etwas galten.
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