Dirk Maxeiner / 24.04.2022 / 06:25 / Foto: Pixabay / 48 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Suche Bunker, Zustand egal

Blöderweise habe ich bislang keinen leerstehenden Bunker gekauft, denn Wladimir Putin sorgt im Moment für enorme Wertsteigerungen derartiger Räumlichkeiten. Nun gelten sie wieder als gute Anlage, besser jedenfalls als eine Kapital-Lebensversicherung bei der Bank Ihres Vertrauens.

Regnerische Wochenenden nutze ich ganz gerne für Streifzüge durch Auktionshäuser. Die gibt es nämlich auch für Immobilien, und sie offerieren im Netz vielfach Gemäuer, die etwas aus dem Rahmen fallen. Dabei interessiert mich meist das, was der Fantasie Flügel verleiht und den Geruch von Freiheit und Abenteuer verströmt: verlassene Lokschuppen, ausgemusterte Kirchen, kollabierte Großbordelle, stillgelegte Getreidespeicher und dergleichen. Meine Wohnstatt diente übrigens einst als Schulkantine und lag im Dornröschenschlaf, bis sie unter den Hammer kam und wir die kalte Küche wachküssten.

Mit großem Interesse studiere ich auch Bunker, die bislang oft noch günstig zu haben waren, außer vielleicht in hippen Innenstadlagen. Schwer beeindruckt hat mich deshalb eine Bunkeranlage in den Moselhängen über Traben-Trarbach, die zum Herzen der Finsterniss in einem Darknet-Krimi wurde. So schrieb ich an dieser Stelle vor eineinhalb Jahren: „Nachdem in Deutschland der Weltfrieden ausgebrochen und der Bunker überflüssig schien, wurde er zum Verkauf ausgeschrieben. Angesichts der jährlichen Nebenkosten von etwa einer Million Euro war die Zahl der Interessenten überschaubar." Außer ein paar charismatischen Gangstern (die gibt es durchaus auch außerhalb der Politik) wollte keiner den Eingang zur Unterwelt mit seinen 500 Räumen haben. 

Blöderweise habe ich bislang keinen leerstehenden Bunker gekauft, denn Wladimir Putin sorgt im Moment für enorme Wertsteigerungen derartiger Räumlichkeiten. Die Deutschen haben ja nicht nur ihre Panzer stillgelegt und ihre Gasspeicher verhökert, sie haben auch die Sirenen abmontiert und die Bunker geschleift, wo sie nur konnten.„In Deutschland gibt es keine funktionstüchtigen Schutzräume mehr", schreibt Die Welt, „vor einem Jahrzehnt waren es noch rund 2.000 Schutzräume für etwa zwei Millionen Menschen, inzwischen sind es noch etwa 1.000 Anlagen. Die werden aber seit Jahren vom Bund praktisch nicht mehr gewartet und nicht mehr funktionsfähig gehalten." 

Deutschland folgt damit wie gewohnt Artikel 3 und Artikel 4 des kölschen Grundgesetzes, die da heißen: 

Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange.
(„Es ist bisher noch immer gutgegangen.“) Was gestern gutgegangen ist, wird auch morgen funktionieren. Situationsabhängig auch: Wir wissen, es ist Murks, aber es wird schon gutmartingehen.

Artikel 4: Wat fott es, es fott.
(„Was fort ist, ist fort.“) Jammere den Dingen nicht nach und trauere nicht um längst vergessene Dinge.

Allein, die Kölner sind fehlbar – von Marietta Slomka bis Anne Will, von Heinrich Böll bis Willy Millowitsch („Improvisation ist die Kunst, etwas Unbeabsichtigtes gut vorzubereiten").

So stellt sich der Abschied vom Bunker inzwischen als ein wenig voreilig heraus, denn der endgültige Weltfrieden wurde überraschend vertagt. „Die Regierung stellt den Bunker-Rückbau auf den Prüfstand", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Bei meinen Erkundungstouren fällt mir auf, dass bei Versteigerungsobjekten inzwischen das Vorhandensein eines Bunkers ausdrücklich vermerkt wird. Bislang galten die schwer zu beseitigenden Betonklötze eher als Hinderniss beim Verkauf und wurden als Altlast  in Kauf genommen wie eine schlecht gelaunte Schwiegermutter, die man zwangsläufig mit heiratet. Nun gelten sie wieder als gute Anlage, besser jedenfalls als eine Kapital-Lebensversicherung bei der Bank Ihres Vertrauens. Denjenigen, die sich in die Materie einarbeiten wollen, empfehle ich die Lektüre von „Der deutsche Festungsbau von der Memel zum Atlantik 1900–1945" von Anton Hofreiter, oh pardon, Albert Molt.

Besinnliche Stunden beim gemeinsamen Bunkerbauen

Wer beispielsweise eine zündende Idee für die Nutzung eines 1936 erbauten Gebäudekomplexes in Gotha hat, bekommt zu den 800 Quadratmetern Gewerbefläche einen hübschen Bunker als Dreingabe. Wer bescheidener an die Sache herangehen möchte, sollte in Hagen diesen Bunkerraum für schlappe 80 Euro im Monat anmieten oder auch in Ludwigshafen für nur 50 Euro in einem Hochbunker unterkommen. Er kann dort für kleines Geld die gleiche Luft schnuppern wie in der der Parteizentrale der Linken im Karl-Liebknecht-Haus zu Berlin.

Der Bunkerboom findet mittlerweile in zahlreichen neuen Geschäftsideen ihren Ausdruck. So offeriert „MeinBunker.com" besinnliche Stunden beim gemeinsamen Bunkerbauen in und um Berlin: „Wir suchen 100 bis 200 Einzelpersonen & Familien, die ein ebenso hohes Sicherheitsbedürfnis wie wir haben. Wir werden gemeinsam mit Ihrer Hilfe einen Bunker kaufen, renovieren & für den Ernstfall ausbauen". An die Stelle der Alters-Wohngemeinschaft tritt so die Bunker-WG als Ausdruck bürgerlicher Solidarität.

Bevor ich mich in die Katakomben verabschiede, möchte ich das Leben noch ein wenig genießen, was ich vorgestern mit einem kleinen sonnigen Rundgang durch mein Augsburger Stadtteil-Revier tat. Meinen Italiener, der kein Italiener ist, sondern aus dem Kosovo stammt, traf ich vor seinem Ristorante. „Italiener" ist in Deutschland ja längst keine landsmannschaftliche Verortung mehr, sondern eine Berufsbezeichnung. Enzo (Kurzform der Berufsbezeichnung) hatte den Schaukasten mit der Speisekarte geöffnet und überklebte die Preise für die Gerichte mit den neuen Tarifen. Ich näherte mich ihm von hinten, legte die Hand vertraut auf seine Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Enzo, das nennt man Inflazione".

Früher ließ Enzo einmal im Jahr eine neue Karte drucken, jetzt lohnt das nicht mehr, denn die Preise rasen durchs Lebensmittel-Regal wie ein Ferrari durch die Parabolica-Kurve in Monza. Enzo war komplett erleichtert, dass ich seine Preiserhöhung nicht als Zeichen seiner persönlichen Bereicherung nahm, sondern als systembedingte Folge der Politik unserer führenden Ganoven (siehe oben „charismatische Gangster"). Die Grundlage für ein allgemeines Ablästern war damit hergestellt, wir tauschten herrliche Anekdoten über die Dummheit der Anderen aus, die wir mit unserem persönlichen Weitblick kontrastierten – und vor allem mit unserer tadellosen Integrität und Ehrlichkeit. Ich schlug Enzo dann noch vor, eine elektronische Preistafel am Eingang anzubringen, so ähnlich wie bei den Tankstellen. „Neulich bin ich bei 2.09 Euro pro Liter an die Zapfsäule gefahren", ergänzte Enzo, „als ich ausstieg, waren es dann 2,19 Euro". Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf, die Idee gefiel ihm. Ich überlege jetzt, ob ich mir die Sache patentieren lasse. 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

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K.Lehmann / 24.04.2022

Oh, Rainer Berg, mir kommen die Tränen….

Arnold Balzer / 24.04.2022

@ K-H Münter: “In Berlin gibt es ja noch einen der Hochbunker ...” Nur nur einen !! Z.B. im Norden am Humboldhain, für 15.000 Schutzsuchende, incl. Flakturm. Evtl. meinen Sie den bekannten, ‘45 nicht mehr fertiggewordenen Bunker in der Pallasstraße, ich kenne den noch aus meinen Kindertagen, weil dort in der Nähe mein Großvater wohnte. Damals war der noch nicht mit dem fürchterlichen Sozialwohnungsbau-Riegel über der Straße überbaut, wo jetzt fast nur mohammedanische Klientel wohnt, erkennbar an den hunderten Satellitenschüsseln. (Der Bau war u.a. Drehort in “Himmel über Berlin” mit Auftritt von Peter Falk.) Im woken, grün-verseuchten Schöneberg wär das doch was für den Hofreiter-Toni und Konsorten, sollten die im Fall des Falles den Abflug nach Bayern verpassen - der Kasten müsste nur noch etwas wohnlich hergerichtet werden.

lutzgerke / 24.04.2022

@ Arne Ausländer Eva Herman dokumentiert nur den Antrieb des WEF und enthält sich eines Kommentars. Daß in Russland genauso geimpft wird, weiß jeder. Daraus wachsen Zweifel an der Integrität Putins. Der Mann ist sicher nicht der Gute. Aber die Frage ist, warum er seine Macht über das größte Land der Erde ein paar westlichen Oligarschen hinterher werfen sollte, die ihn noch dazu dauernd verächtlich machen? Eva Herman hat sicher bessere Quellen als wir alle zusammen. Die Frau ist im Fernsehen groß geworden und war jahrelang das Gesicht der Tagesschau. Das war kein Rückzug auf leisen Sohlen. Sie hat es öffentlich gemacht und viel in Kauf genommen.

Arnold Balzer / 24.04.2022

@Peter Robinson: “Ich wäre lieber mit der ersten Welle gleich verkohlt werden, als am Ende wieder raus zu kriechen…”  Ich kann mich noch an den Film “The Day After” zum Thema Nuklearkrieg erinnern und ein Zitat daraus: “Die Überlebenden werden die Toten beneiden.” So wird’s wohl kommen.

Detlef Rogge / 24.04.2022

Einen hab´ ich noch. Als ehemaliger Berliner Kommunalbeamter wurde ich ohne mein Wissen und Zutun etwa Anfang der Achtziger nebenbei Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Zivilschutz oder so ähnlich benannt. Ein im Bezirk gelegener riesiger Tiefbunker, seit Kriegsende nicht mehr genutzt, lediglich die oberirdischen Zugänge dienten noch über Jahrzehnte als Verkaufsräume für Kleinhändler, sollte für den Zivilschutz/Katastrophenschutz wieder hergerichtet werden. Offenbar gesetzliche Vorgabe. “Kümmern´ sich mal drum, Herr Rogge.“ Die Räumlichkeiten wurden aufwendig baulich wieder hergerichtet einschließlich Notstromdiesel, Filteranlagen für Frischluft, Gemeinschaftstoiletten (Klotüren nur halbhoch und Spiegel aus poliertem Edelstahl, um Suizidversuche von Schutzsuchenden zu erschweren), komplettem OP, Unmengen von Doppelstockbetten nebst neuen Matratzen und Bettzeug. Hat Unsummen verschlungen, zahlte wohl der Bund. Der Bunker bot Platz für über 1.000 Personen. Nach Fertigstellung fühlte sich niemand mehr zuständig. Nächste Begehung der Anlage nach etwa zwanzig Jahren. Pestilenzartiger Gestank; wegen eingedrungener Erdfeuchte und ausgebliebener Lüftung der Räumlichkeiten war zwischenzeitlich alles komplett verranzt und verschimmelt. Endstation des Interieurs: Mülldeponie der Stadtreinigung. Schuldzuweisungen blieben erfolglos, niemand konnte wegen Verletzung seiner Dienstpflicht gekreuzigt werden. Heute macht dort ein Bunkerverein für neugierige Touris regelmäßige Führungen. Wenn die wüßten.

Hans-Peter Dollhopf / 24.04.2022

Auf dem Gelände der Bundeswehrkaserne, in der ich vor fünfundvierzig Jahren “diente”, war unser Luftschutzbunker - also derjenige für uns Mannschaftsdienstgrade - ein übel verrottet gehaltenes, mieses Loch. Alles an der Oberfläche drum herum wurde von uns täglich gepflegt, gereinigt und repariert, die Unterkünfte, die Waffen, die Fahrzeuge. Aber dieser Bunker wurde im Charme eines verschissenen Vierte-Welt-Slums gehalten. Ob sich darin eine höhere Einsicht in seine Nutzlosigkeit ausdrückte? Oder etwas zutiefst Krankes im Selbstverständnis des Kommandos.

E Ekat / 24.04.2022

Man könnte den Eindruck gewinnen, daß Lebensmüde derzeit austesten, wie weit man es treiben kann.  Im konkreten Falle, endlich einer lange betriebenen Auflösung Rußlands nachzukommen, Putins in Frage gestellten Friedfertigkeit durch die ersehnte Kapitulation Rußlands entweder zu besiegeln. Andernfalls den Weg bis zu seinem, dann auch unserem, allerdings für unwahrscheinlich gehaltenen, bitteren Ende zu gehen. Letzteres kann man sich allerdings in derzeit grassierenden Realitätsverständnis nicht vorstellen. An diesem Putin wird man, so ist es beschlossen, nicht scheitern zu können. Für ein Eintreten dieses nicht akzeptierten Szenarios sollte man sich dennoch vorab überlegt haben, ob es sich noch lohnen dürfte, aus einem Bunker auszusteigen.  Dies führt zum Kern unseres Problems: wer mit einem speziellen Realitätsverständnis ausgestattet, und daher zur ersten Überlegung nicht fähig ist, wird auch die zweite Überlegung nicht anstellen können. Sicher ist jedoch: ich möchte die Sonntagsfahrer-Artikel von Herrn Maxeiner bis zum Ende nicht vermissen.

Hans-Peter Dollhopf / 24.04.2022

So, vielen Dank, Heribert Glumener / 24.04.2022 - nu sin mer wieder auf dem Laufenden.

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