Dirk Maxeiner / 14.08.2022 / 06:25 / Foto: Pixabay / 75 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Ist mein Auto woke oder rechts?

Bisher waren Geländewagen und SUVs rechts, große Amerikaner sowieso. Inzwischen sind auch russische Ladas rechts, besonders der geländegängige Lada Niva. Es wird Zeit, dass ich Sabine den Panda zurückgebe. Sonst ist Fiat bald auch rechts.

Wer in den Rückspiegel schaut, der entdeckt schnell, wie eng die Geschichte der Bundesrepublik mit dem Automobil verknüpft ist. Hanomag Dreirad und BMW Isetta, VW-Käfer und Borgward Isabella, Adenauer-Mercedes und BMW-Barockengel waren ja nicht nur technische, sondern auch soziale Fortbewegungsmittel. Alleine schon die Namensgebung zeigt, wie sehr sie den jeweiligen deutschen Zeitgeist transportierten. 

In den fünfziger Jahren waren die Grausamkeiten des Krieges den Menschen noch präsent und sie flüchteten in eine heile Märchen- und Mythenwelt: „Janus“, „Goliath“ und „Prinz“ sind Ausdruck dieser beinahe naiven Fluchtbewegung. Gleichzeitig wurde mit wachsendem wirtschaftlichen Erfolg die Namensgebung vieler Autos selbstbewusster: Der „Rekord“ drang in das Straßenbild vor. Opel bewies mit seinen Namen ein besonders gutes Gespür für den Zeitgeist. Da so ziemlich alles Militärische verhasst war, setzte das Rüsselsheimer Werk auf die halbwegs sauber gebliebene Ausstrahlung weißer Marine-Uniformen. Frauen waren als Kunden noch nicht entdeckt, und die Männer sollten in ihrer Willenskraft und Virilität angesprochen werden. Kadett, Kapitän und Admiral widerspiegelten zugleich das noch stark ausgeprägte Hierarchiedenken der Nachkriegszeit. Außerdem verhießen sie etwas ganz Wichtiges: Aufstiegsmöglichkeiten. 

Das geht heute natürlich gar nicht mehr. Weil das Auto vor toxischer Männlichkeit nur so strotzt, bemühen sich Audi und Volkswagen, Mercedes und BMW, Opel und Porsche zumindest in ihrer Werbung und Markendarstellung gegenzusteuern, wobei sie ein bisschen überkompensieren. Da kurven diverse Autofahrerdarsteller unterm Regenbogen herum und versprechen den Kunden paradiesische Zustände voller Achtsamkeit und Om. Der Opa im Kapitän, der den Tiger in den Tank packt, ist ein fernes Fossil, an seine Stelle tritt das lesbische Paar, das elektrisch dem Yogakurs entgegenschwebt. Nun weiß der erfahrene Automobilist, dass man bei zu heftigem Gegensteuern ins Schleudern gerät, weshalb die Werbespots der Brummbrumm-Hersteller und ihre Gutseins-Bekenntnisse stets im Grenzbereich zur Satire herumkurven. Die Werbespots sind ganz offensichtlich nicht für diejenigen gemacht, die ihre Autos kaufen, sondern für jene, die nach Ansicht der Marketing-Fuzzis ihre Autos kaufen sollten, es aber nicht tun.

Gib Gummi!

Es ist Sommer, die Abende sind warm auf den Seychellen und das Geschehen so lebhaft wie auf dem Canal Grande, und so setze ich mich gerne abends mit einer eiskalten Dose Bier auf die Mauer an der Straße, um Verdichtung und Wahrheit miteinander abzugleichen. Meine private Verkehrszählung ergibt zu abendlicher Stunde ein paar hundert Autos pro Stunde. Am liebsten sind mir die Tiefergelegten, die ich mit eindeutigen Handzeichen und Zurufen („Gib Gummi!“) dazu ermuntere, die Akustik ihrer Achtzylinder zu demonstrieren. Dann glaubst du dich am Rande einer Lichtung, auf der die Hirsche von Audi, BMW und Mercedes röhrend um die holde Weiblichkeit konkurrieren. Das ist meine kleine Rache am Kirchenchor, der im benachbarten Vereinsheim probt – und zwar bis zu 50-mal dieselbe Gesanges-Sequenz. Im Vergleich dazu klingt eine Klappenauspuffanlage wie das Windspiel im buddhistischen Kloster.

Meine ethnologischen Feldstudien ergeben: Die „Compliance“-Regeln der Autokäufer unterscheiden sich doch recht fundamental von denen der Autohersteller. Das betrifft aber nicht nur die abendliche Showtime, sondern auch die Niederungen des Alltags. Da meine Altwagen derzeit allesamt wegen des ein oder anderen Problems auf Reede liegen, benutze ich häufig Sabines Fiat-Panda. Der ist Baujahr 2012 und somit für meine Maßstäbe praktisch ein Neufahrzeug. 

Äußerlich sieht er allerdings ein wenig mitgenommen aus, rundum mit Parkremplern und Kratzern, er erinnert mich irgendwie an Gerhard Schröder. Allerdings sind diese Blessuren nicht selbst oder gar durch Rotwein verursacht, sondern allesamt Botschaften anonymer Automobilisten, die beim Parken vorm Aldi oder Lidl, pardon Yogastudio oder Biomarkt, die Übersicht verloren haben. Darunter erhebliche Blechverformungen, die mit einem veritablen Rumms verbunden gewesen sein müssen. Gemeldet hat sich aber kein einziger. Die Moral ist willig, der Schadenfreiheitsrabatt aber teuer. Macht nix, da Sabine und ich unsere Autos ohnehin von der Wiege bis zur Bahre fahren, schmälern die schändlichen Attentate den Wiederverkaufswert nicht. Und auf dem Schrott gibt’s keine Gerechtigkeitslücke, sondern den Metallpreis. 

Verscheucht wie eine Schmeißfliege vom kalten Buffet

Wer mit einem Panda-Wrack unterwegs ist, gilt der diversen und achtsamen Gemeinschaft der Unfallflüchtigen allerdings als Angehöriger der unteren Stände, er darf nur auf eine gewisse Toleranz hoffen, so lange er nicht aufmüpfig wird. Auf der Autobahn wird er so zügig von der linken Fahrspur verscheucht wie eine Schmeißfliege vom kalten Buffet. Das ist sehr unwoke. Dabei kann so ein Panda ziemlich schnell fahren, wenn man ihm gut zuredet. Der deutsche Rekord im Windschattenfahren auf dem Fahrrad liegt bei 166,2 Kilometer pro Stunde, warum sollte ich das nicht mit 69 PS schaffen?

Und so bin ich neulich nach einem Termin nachts von Ulm nach Augsburg zurückgeeilt, die Autobahn war recht leer und außerdem dreispurig. Zudem geht es oft ordentlich bergab. Es war trocken, relativ kühl und die Windrichtung stimmte auch. Meine Stunde war gekommen.

Ich habe dann im Sog eines Schnelltransporters Schwung geholt und auf einem abschüssigen Abschnitt tatsächlich 190 km/h auf dem Tacho erreicht, laut meines GPS waren es über 170 km/h. Das fühlte sich an wie 270 km/h und erfüllte mich mit einem gewissen Stolz und großer Genugtuung.

Doch dann machte ich im Übermut eine vorausfahrende 350-PS-Limousine durch Setzen des Blinkers darauf aufmerksam, dass ich freie Fahrt begehrte, die mir auch gewährt wurde. Als die Oberklasse im Scheinwerferkegel dann gewahr wurde, dass sich da ein automobiler Hartz-IV-Empfänger an ihm vorbeischob, zündete sie umgehend den Nachbrenner und die Lichter verschwanden vor mir am Horizont, als gehörten sie zu einem Marschflugkörper. Da war die Welt wieder in Ordnung.

Ausgetrickst von einem peinlichen Panda

Durch meine jahrelange Ertüchtigung im Pariser Stadtverkehr verstoße ich auch innerorts mitunter gegen die ungeschriebene Verkehrsordnung. Der Deutsche fährt da, wo eine Fahrbahn gekennzeichnet ist, der Mann von Welt da, wo Platz ist, was das Vorankommen ungemein beschleunigt und oft überhaupt erst möglich macht. Wer es nicht glaubt, dem empfehle ich einen Kurzurlaub in Bombay oder Lagos. Das sind übrigens auch Städte, in denen ich mich nicht auf der Fahrbahn festkleben würde.

Ausgetrickst von einem peinlichen Panda, reagieren Vertreter der gehobeneren Klassen (und das sind die meisten) immer noch wie Opa im Kapitän. Das freche Proletariat wird mit der Fanfare niederkartätscht. Neulich folgte mir ein woker Wutbürger dicht auffahrend ganze Straßenzüge. Ich habe dann im nächsten Kreisverkehr mehrere Runden gedreht, er immer hupend hintendran, worauf uns der Rest der Straße irgendwann für eine türkische Hochzeit hielt und ebenfalls in den diversen Posaunenchor einstimmte.

Einen Spitzenplatz im Großen Preis der Wokeness haben sich natürlich die Elektroautos erobert. Deren Fahrer haben keine Zeit für Aggressionen, denn sie müssen ständig auf die Reichweite achten. Finger weg von Lichthupe und Dreiklang-Fanfare, sonst sinkt der Ladestand schneller als der Pegel des Rheins bei Kaub. Tesla ist mittlerweile ein Spezialfall, da Elon Musk immer mal wieder querdenkt. Kann ein Tesla noch woke sein? Oder ist er gar rechts? Bisher waren Geländewagen und SUVs rechts, große Amerikaner sowieso. Inzwischen sind auch russische Ladas rechts, besonders der geländegängige Lada Niva. Es wird Zeit, dass ich Sabine den Panda zurückgebe. Sonst ist Fiat bald auch rechts.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Ludwig Luhmann / 14.08.2022

... und dann gibt’s da noch die toxische Weiblichkeit (z.B. Positives Denken) und die tödlich verdummende Genderkeit, die in ihrer Wirkung dem Saturnismus in nichts nachsteht!—- “Durch meine jahrelange Ertüchtigung im Pariser Stadtverkehr verstoße ich auch innerorts mitunter gegen die ungeschriebene Verkehrsordnung. Der Deutsche fährt da, wo eine Fahrbahn gekennzeichnet ist, der Mann von Welt da, wo Platz ist, was das Vorankommen ungemein beschleunigt und oft überhaupt erst möglich macht. Wer es nicht glaubt, dem empfehle ich einen Kurzurlaub in Bombay oder Lagos. Das sind übrigens auch Städte, in denen ich mich nicht auf der Fahrbahn festkleben würde.” - Die Pariser tun nur so, als ob. In Wahrheit sind die alle feige. Man muss ihnen nur klar machen, dass es einem scheißegal ist, ob man ihnen jetzt eine Delle reinfährt oder nicht. Das hat man in einer Achtelsekunde erledigt.  Klappt auch in Barcelona, Lissabon, Rom oder in Pokhara, Madras, Varanasi, Kanyakumari, Aurangabad, Delhi usw. - allerdings muss man darauf achten, dass die indische Straßenverkehrshackordnung tatsächlich und tödlicherweise einzig und allein auf dem Recht des Schwereren beruht. Mein erfahrenes Wissen. - In indischen Großstädten kommt es manchmal vor, dass Überfahrene schnell so oft von Überfahrenden erfasst werden, dass ein Hachée entsteht, welches die umsichtigeren Vögel und Hunde fluchtbereit verschlingen. Ab und zu liegen Kühe/Pferde/Wasserbüffel stundenlang auf der Straße, nicht immer aufgebrochen oder ausgeblutet. Das besteht Rutschgefahr! Aufgeplatzte Hunde sieht man auch immer wieder. Die Gedärme werden manchmal wie Zahnpasta aus einer Tube aus dem Rektum gepresst. So eine Darmschlinge kann ganz schön lang sein. Geier, Hunde und Rabenvögel räumen das zuverlässig auf ... ... ... Paris? Pffffff ... mit links im Schlaf!

Claudius Pappe / 14.08.2022

Wenn Lesben, Schwule, Transen, Bärtige, Kopftuchträger, Rapper, Bunte, Grüne, Woke, Diverse und Niko Rosberg Werbung für Autos machen, ist es Zeit um nach Ungarn auszuwandern.

Bettina Jung / 14.08.2022

Vor einiger Zeit stand ich mit dem Fiat 500 vor einer Ampel. Neben mir ein orientalischer Mitbürger im Alfa Romeo. Ich starte und ordnete mich vor ihm rechts ein, da die linke Spur für Linksabbieger ist. Er hyperventilierte, verschaltete sich, der Wagen machte fürchterliche Geräusche . Dann verfolgte er mich, wir tauschten ein paar „Nettigkeiten“ aus, ich schlug vor , dass wir uns bei der Polizei treffen könnten, wollte er nicht. Wahrscheinlich war es ihm auch peinlich, später seinen Shishabrüdern zu berichten, dass ihn eine Frau im Fiat abgehängt hat. Hubraum statt Hirn ist auch keine Lösung.

Bettina Jung / 14.08.2022

Wir haben vor Jahren unseren Englischen Mitsubishi Shogun verkauft. Unser Inserat lautete: Mitsubishi mit breiten Hüften, namens Grünhilda (Engländer geben ihren Autos Frauennamen), aussen grün, innen rechts (Lenker).

Georg Andreas Crivitz / 14.08.2022

Als überzeugter Automobilist mit »Freude am Fahren« kann ich nur bestätigen, dass ich mit der Werbung »meiner« Automarke auch nichts mehr anfangen kann. Da fragt man sich dann am Ende, welche Zielgruppe denn überhaupt anvisiert wird.

Stefan Riedel / 14.08.2022

@T. Schneegaß / 14.08.2022, einfach köstlich! Trabi in der Formel_I? Was wird uns bleiben? Trabi-Luxus? Last-Fahrrad?

Matthias Haus / 14.08.2022

Wieder schön gelacht Herr Maxeiner, wie immer köstlich. Ehrlich gesagt warte ich schon länger das unsere Woken Autohersteller ihre Fzg.Namen zeitgerecht anpassen. Ich finde VW Habeck klingt gut , als Sparmodel mit Pedale zum treten und Dynamo wegen Akku aufladen Oder Mercedes Baerbock , mit Panzerglas und Vollgummireifen, dann kann man auch in die Krisengebiete die unsere Außenministerin gut heißt reisen und auf Balkone gemütlich Sektchen schlürfen. Oder VW Edition Ricarda Lang , mit Breitreifen und Spoilern als Namensbezug. Edition Genesis oder Pink Floyd ist doch längst vergessen und wahrscheinlich heute auch fast rechts. Beste Grüße

Claudius Pappe / 14.08.2022

Ich behaupte mal, das SUV und BMW, Mercedes und Audi Fahrer ( VW Fahrende sowieso) eher links als rechts wählen. Heute gilt doch, jeder Popel ( also 80% der Wähler ) wählt links ( SPD, CDU, CSU, FDP und Grüne ). Der beste Sonntagsfahrer ever. PS : Wir haben den Ur-Panda 141 ( Spitzname ; Welli ) gefahren. War übrigens das einzige Auto das von Beulen ( durch andere verursacht, die sich aus den Staub gemacht hatten ) verschont wurde.

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