Dirk Maxeiner / 07.05.2023 / 06:15 / Foto: Pixabay / 57 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Die Letzten machen nicht das Licht aus

Junge Leute werden natürlich weiter neugierig und mit hochfliegenden Ideen auf die Welt kommen und nach Glück und Wohlstand streben, vielleicht nicht in der Tagesschau und bei Maischberger, und vielleicht nicht so beachtet von Verkehrsministern, was aber kein Problem ist, weil der Rest der Welt doch ein bisschen größer ist als Berlin-Mitte. 

Letzte Woche verbrachte ich in Berlin und war wegen einiger Verabredungen ziemlich viel auf Achse. Die S-Bahn fuhr wegen eines Bombenfundes zeitweise so berechenbar wie der Linienbus in Khartum, und so hatte ich viel Zeit für kreative Pausen. Am Tiergarten etwa waren durch den Verkehrslärm immer wieder interessante tierische Laute vernehmbar. Ich fragte mich dann neugierig, von welcher Art das jeweilige Kreischen, Rufen oder Brüllen ist – und ob es den Insassen in Berlin gefällt. 

Außerdem fiel mir ein altes Buchprojekt ein. Vor gut 20 Jahren veröffentlichte ein Kollege von mir ein Buch „Das bizarre Sexualleben der Tiere“, in dem allerhand bis dahin für unmöglich gehaltene Sexualpraktiken ausführlich beschrieben wurden. Das brachte mich auf die Idee, einen Anschlussband zu veröffentlichen, der den Titel tragen sollte: „Das bizarre Sexualleben der Autos“. Unter dieser Überschrift, da war ich sicher, könne ich schreiben, was ich wolle, das Buch würde sich in jedem Fall verkaufen. 

Ich war aber zu faul, und so versandete das Projekt und geriet in Vergessenheit. In einer Schreibtischschublade schlummern aber noch ein paar alte Cover-Entwürfe und Notizen. Sollte ich die Idee noch einmal zum Leben erwecken, muss ich aber ein Kapitel nachtragen, das inzwischen zur Pflicht geworden ist. Handelt es sich beim Auto um ein männliches, weibliches oder neutrales Wesen? Meine Vermutung geht dahin, dass ein Auto mehrmals in seinem Leben das Geschlecht ändert, die dazu gehörige Theorie ist aber noch nicht ganz ausgegoren.

Politikergehälter ab sofort steuerfrei

Am Potsdamer Platz konnte ich mir ebenfalls ein bisschen die Füße vertreten, und so stieß ich auf die dort ansässige Spielbank, welche mich mit der „Faszination Glücksspiel" zu locken versuchte. Ich hatte kurz zuvor am Geldautomaten 200 Euro abgehoben und hegte nach dem Studium der Inflationsrate die Befürchtung, die könnten am Abend nur noch 100 Euro wert sein. Warum daraus nicht im Vorübergehen 400 oder 500 machen? Dann ist alles wieder im Lot. Zumal Gewinne aus Glücksspiel ja steuerfrei sind. 

Aber Vorsicht: Glück ist nicht gleich Glück. Zumindest nicht vor deutschen Finanzämtern. Obsiegt ein Teilnehmer bei einer Quizshow wie „Wer wird Millionär?“, so bleibt sein Gewinn steuerfrei. Wird er hingegen bei einer Sendung, die ein gewisses Geschick erfordert, als Bester ausgewählt, dann schlägt der Fiskus zu. Begründung: Im ersteren Fall könne man sich nicht wirklich auf alle Fragen vorbereiten, der Ausgang werde also vom Glück bestimmt. Im zweiten Fall bestünde die Möglichkeit, dass die Auserwählten aufgrund von Auftreten und Talent siegen – und dies sei nicht als steuerfreies Glücksspiel zu sehen.

Im Umkehrschluss hat dies aber meines Erachtens enorme Auswirkungen auf die Besteuerung der Gehälter von Staatssekretären, Ministern, Vizekanzlern und Kanzlern. Sie sind ab sofort steuerfrei zu stellen, weil nicht die Möglichkeit besteht, dass sie durch Auftreten oder Talent reüssieren. Steuerfrei sind bisher schon Backgammon, Baccarat, Bingo, Blackjack, das Würfelspiel Crabs, Esport Wetten, Keno-Spielautomaten, Sportwetten, das Lotto, Pferdewetten, Rubbellose, Roulette, Poker und Video-Poker – eine Ausdehnung der Regelung auf die Politik liegt einfach auf der Hand.  

Vor dem Fiskus gefährlich wird es lediglich für solche Personen, die etwas mit Fleiß, Bildung, Erfahrung, Sorgfalt, Ehrgeiz, Talent und ähnlichen Sekundärtugenden vollbringen. Kurz gesagt: Wer arbeitet, ist selbst schuld.

Auf der Kreuzung die nächsten Blindgänger

Schließlich hat mich ein Freund mit dem Auto abgeholt, um den Bombenfund zu umfahren, was aber gar nicht so einfach war, weil auf den Straßenkreuzungen die nächsten Blindgänger festklebten. Ich finde, man muss angesichts der letzten Generation gelassen bleiben. Wie der Name sagt, besteht diese Generation darauf, die letzte zu sein. Und danach herrscht sowas von freie Fahrt, ich freue mich schon drauf. 

Erinnern Sie sich beispielsweise noch an die Generation Golf? Das sollte die typische deutsche Jugend-Generation der 80er Jahre sein, als hedonistisch und verwöhnt geziehen, im Prinzip nix Neues, früher war alles besser, ich weiß, ich weiß. Insgesamt empfinde ich den VW-Golf gegenüber dem VW-Käfer aber durchaus als einen Fortschritt. Es folgten die Generationen Y und Z mit jeweils wieder neuen Erfahrungen und Wünschen – und die Welt dreht sich immer noch.

2005 wurde sogar kurzzeitig die „Generation Benedetto" ausgerufen, als der damalige Papst Köln besuchte und sich auf der Domplatte junge Christen aus aller Welt versammelten. Anstatt ein bisschen Distanz zu bewahren, berauschten sich die Medienvertreter an den eigenen Bildern und riefen einen epochalen Sinneswandel aus: Christlich, konservativ und fromm sei die heranwachsende Generation, hieß es im Medien-Stakkato.

Bisher kamen und gingen ja die Generationen – auch die von Benedetto –, und wieder künden die Kameras und Mikrofone von einem grundstürzenden Sinneswandel, darunter und unter einem neuen Glauben geht es offenbar nicht mehr. Wobei die aktuelle Trend-Generation definitiv die letzte sein soll, also so ziemlich das Gegenteil von den Benedettos. Mit der letzten Generation sollte die gesellschaftliche Entropie eigentlich im Endzustand angelangt sein. Oder, wie es Wikipedia sagt: „Hat ein abgeschlossenes System die maximal mögliche Entropie erreicht, kommen alle spontan darin ablaufenden Prozesse zum Erliegen, und das System ist in einem stabilen Gleichgewichtszustand". Ein Phänomen, das sich beispielsweise auf dem Wiener Zentralfriedhof oder dem Père Lachaise beobachten lässt. Wobei ich den Leser beruhigen darf: Selbst auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde hört man zu später Stunde ab und zu eine Nachtigall.

Deshalb keine Sorge: Junge Leute werden natürlich weiter neugierig und mit hochfliegenden Ideen auf die Welt kommen und nach Glück und Wohlstand streben, vielleicht nicht in der Tagesschau und bei Maischberger, und vielleicht nicht so beachtet von Verkehrsministern, was aber kein Problem ist, weil der Rest der Welt doch ein bisschen größer ist als Berlin-Mitte. 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

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Andrea Nöth / 07.05.2023

@Leo Hohensee: Wir haben in den 70igern mit Auto angefangen. Da gab es sowas wie Tibetorange von Audi und Fiat Maigrün, das Kaffeebraun war ‘in’. Orange und Braun bis zum satten Rot. Wir nannten das die Tschibofarben. Das Weiß war eher für wirtschaftliche Zwecke und als ‘Armeleutefarbe’ verrufen, weil es ohne Aufpreis bei Neuwagen zu haben war. Später wurde das Weiß hip. Dann die schwarztöne und das unsägliche Grau, welches dann gerne ‘Silber’ genannt wurde. Mit dem Siegeszug der Metallicfarben in den Achtzigern waren die Geschäftswagen vornehmlich dunkel oder silbermetallic. Bunt war für die ‘Zivilisten’ und Kleinwagen. Spezial-Farben bei Firmenflotten wurden üblich. Wer Macht und Geld zur Schau stellen wollte, wählte dunkel. In den 90iger sagten wir noch, ‚Vorsicht bei roten Autos, das sind schwierige Leute. Außer Alpha oder Ferrari, die dürfen das, eine 68erCorvette natürlich auch. Ein Hoch auf die Vorurteile. Jedes Jahrzehnt hatte seine vorherrschenden Farben gehabt. Das Weiß war dann in den 2010er Jahren wieder hip und neu bei den jungen Menschen. Würde ich nie wieder kaufen, weil ich damals schon froh war, endlich aus dem weißen Opel Rekord 2.0 raus zu kommen. Fast alle Farben aus den 70igern sind jetzt aktuell als neu ‚in‘ und ‚hip‘ deklariert. Die Käufer von heute kennen die Farben nicht aus eigener Erfahrung. Das Braun in allen Schattierungen hatten wir in den 70igern auch schon. Wir haben sogar unser Motorrad damit lackiert. Sogar das ekelhafte Gold ist wieder da. Alles kommt wieder neu, wenn die neuen Menschen das Alte vergessen haben. Schuhmode auch - man schaue nur auf die spitzen Damenschuhe - wie aus den 50iger. Die alten Schuhe meiner Mutter wären heute ein Vermögen wert - wenn sie sie denn hergegeben hätte.

RMPetersen / 07.05.2023

Auf den Friedhöfen ist keineswegs Stillstand, da ist viel Leben. Allerdings ohne Menschen, aber das ist ja für die Enthirnten durchaus wünschenswert (- besonders wenn es um die Kartoffeln geht).

L. Bauer / 07.05.2023

@Stefan Bender, Klasse! Ja ich höre auch den Peter singen: Wir fuhren beide, hinunter an den Straaand und sie nahm den (Schalt) Knüppel in ihre Haaaaand… Dieser Maxeiner mit seinem sexistischen Gedankengut! Macht uns hier ganz wuschig im Kopfkino. ,, Sie nahm sich alles, … Ah, Dirk, ruf den Abschleppwagen!

A. Ostrovsky / 07.05.2023

Sie sehen das alles zu optimistisch, Herr Maxeiner. Die Situation ist viel schlimmer. Nun hat sohar die Sonne schon Flecken. Die NZZ schrieb vor wenigen Tagen “Viele Polarlichter durch Sonnenstürme: Die Forscher rätseln über die starke Aktivität der Sonne”. Da wird schamhaft mit Sonnen”-aktivität” umschrieben, dass es einfach Flecken auf der Sonne sind. Auf der Sonne sieht es aus, wie im Saustall. Und dann stellen sich wieder alle dumm und keiner ist es gewesen. “Forscher rätseln”... Naja, so forsch können die dann nicht sein. Es wird Zeit, die NZZ wieder richtig einzulinken, auf den richtigen Kurs zu bringen. Sicher hat das IPCC schon herausgefunden, was die Ursache ist: Der Klimawandel! Man muss es nun der NZZ nur auch mal sagen. Vielleicht geht denen dann sogar ein Polarlicht auf.

Andrea Nöth / 07.05.2023

@Stephan Bender: “und es war Sommer - das erste Mal im Leben”. Schiebedach auf - Kassette rein. Danke für die Erinnerung.

Rollo Tomasi / 07.05.2023

Ehrlich gesagt tun mir diese “jungen Leute ” meistens leid , weil sie berechnende Schleimer sein müssen ( das Schlimmste überhaupt ) und ich freue mich immer eine/n anzutreffen , die/der noch nicht die Fratze /Maske des Anpassungsdrucks trägt , denn der ist einfach ... unmenschlich ... geworden . Wie frei man doch leben durfte !

Georg Dobler / 07.05.2023

Junge Leute und ihr Streben nach Glück und Wohlstand. Da besteht bei mir die Erwartung, dass die Jugend bald mal wieder richtig rebellisch wird und mit diesem Gender-Unfug, den Klima-Lügen dass jeder Starkregen von einem Molekül verursacht wird, den woke-linken Allmachtsfantasien und Internetzensuren, der EU-Zentralregierung mit Diktatur-Gehabe und Verschweigen der Schäden eines mit tsunamiwellen-ähnlichem politischem und medialem Druck durchgedrückten nicht-zugelassenen Injektions-Stoffes mal ein Ende macht. Was die 68er konnten, müssen die doch auch können, diesmal in eine andere Richtung, möglicherweise sogar unterstützt von Migranten die von dieser Sch…. auch die Schnauze voll haben. Nicht alle kommenden Veränderungen müssen schlecht sein.  Die älteren Migranten (Gastarbeiter) dürften schon lange genug haben von den Grünen und die jungen Muslime könnten irgendwann von ihren konservativ religiösen Eltern und Moschee-Opas auch mal die Schnauze voll haben.

Chr. Kühn / 07.05.2023

>>Wer arbeitet, ist selbst schuld.<< Ich bin seit einem Jahr ohne Arbeit (freiwillige Entscheidung), ein Versuch, im Ausland Fuß zu fassen, schlug leider fehl, und so bin ich wieder hier. Angesichts der derzeitigen Um- und Zustände, und der Aussichten, es in diesem Land und Leben zu nichts mehr bringen zu können bzw. das Wenige, was ich mir erarbeitet und erspart habe, mittelfristig weggenommen zu bekommen…ja, da ist es mit Zuversicht und Motivation schon schwierig. Hätte eigentlich nicht gedacht, daß es mal so laufen würde, und es ist wirklich ein blödes Dilemma, denn das Beschriebene beißt sich ganz arg mit dem von Familie und Dorf vorgelebtem “Von Nichts kommt Nichts”. Allerdings, und Herr Maxeiner beschreibt es ganz gut, heutzutage lautet es “Von Etwas kommt auch Nichts, oder noch weniger.” Wenn ich also schon auf keinen grünen Zweig mehr kommen kann, dann will ich auch nichts mehr dafür zu müssen. So, jetzt gibt’s Mittagessen, Hähnchenschenkel mit Pommes und Salat. Mahlzeit!

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