Helmut Ortner, Gastautor / 11.04.2024 / 16:00 / Foto: Ababil0811 / 26 / Seite ausdrucken

Der Erzbischof schwört den „Treueid“ aus dem Jahr 1933

Das Erzbistum Paderborn ist das reichste Bistum in Deutschland. Das Gehalt (ca. 12.000 Euro) von Erzbischof Udo Marcus Bentz (Foto oben) wird aber vom Staat bezahlt. Dafür hat er einen „Treu-Eid“ gem. Art. 16 des Reichskonkordats von 1933 geleistet.

Am 9. Dezember vorigen Jahres, um 12 Uhr mittags, läuteten zeitgleich in Rom und in Paderborn die Glocken, zunächst des Paderborner Domes und dann aller Kirchen im westfälischen Glaubens-Sprengel. Ein freudiges Ereignis galt es mit Glockengeläut zu verkünden: Das katholische Glaubens-Sprengel hat einen neuen Erzbischof. Nach der Ernennung durch Papst Franziskus wird Udo Marcus Bentz, zuletzt Weihbischof und Generalvikar im Bistum Mainz, das Amt des 67. Bischofs und fünften Erzbischofs von Paderborn im Frühjahr übernehmen. Der Gottes-Mann leitet die Erzdiözese mit rund 1,4 Millionen Katholiken und fast 3.000 Mitarbeitenden. Das Erzbistum umfasst 617 Pfarrgemeinden in 108 Seelsorgeeinheiten. Nicht allein jenseitige Verkündungs-Kompetenz, auch irdische Management-Qualitäten sind hier gefragt.

Sein größter Wunsch sei, „dass wir als Kirche von Paderborn mit offenen Augen durch die Welt gehen und die Lebenskraft unseres Glaubens wahrnehmen, nicht nur für uns selbst, sondern grundsätzlich für das Zusammenleben der Gesellschaft. Und dass wir den Mut haben, dazu gemeinsam zu stehen!“, verkündete der neue Erzbischof in einem Interview. Am 10. März findet am im Hohen Dom zu Paderborn die Einführung des neuen Erzbischofs statt. Vorher muss er den im Konkordat vorgeschriebenen „Treueid“ vor den Ministerpräsidenten der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ablegen – ein längst aus der Zeit gefallener Vorgang.

Die Beteiligung des Staates an der Personalauswahl der Bischöfe und die Ablegung des Treueides gehen noch auf Regelungen des längst aufgelösten Landes Preußen mit dem „Heiligen Stuhl“ (Preußenkonkordat) von 1929 und des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 (sog. Hitlerkonkordat) zurück. Sie erinnert in ihrem Wortlaut an ein mittelalterliches  „Homagium«, wenn Bischöfe dem zuständigen Ministerpräsidenten  (im Wortlaut „Reichsstatthalter“) ihren Treueid leisten. Lauschen wir hier – gewissermaßen als externe Zuhörerschaft – dem Treueeid gem. Artikel 16 des Reichskonkordats von 1933, der auch im Jahr 2024 vom neuen Erzbischof Udo Marcus Bentz abgelegt wurde:

Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte …

Fragwürdige Verknüpfungen zwischen Kirche und Staat

Ganz im Sinne der Sorge gegenseitigen Interesses werden bis heute Bischöfe und weiteres kirchliches Führungspersonal behandelt wie Beamte des öffentlichen Dienstes. Die Gehälter, bzw. den „Dotationen“, von Bischöfen und Landesbischöfen – monatlich etwa 8000 Euro Grundgehalt, Erz- und evangelische Landesbischöfe oder Kardinäle bekommen bis zu 12000 Euro – werden vom Staat übernommen. Bundesländer (Ausnahme: der Stadtstaat Bremen) bezahlen auch für Domkapitulare, Oberkirchenräte und Dom-Messner.  Hinzu kommt, dass gehobenes Kleriker-Personal meist nahezu mietfrei wohnt und über Dienstwagen mit Chauffeur verfügt. Die klerikalen Eminenzen fahren gerne S-Klasse statt S-Bahn.

Gefragt, was er den Gläubigen im Erzbistum Paderborn als erstes mitteilen wolle, sagte Bentz in einem Interview: „Es geht nicht nur darum, was mir wichtig ist, sondern was uns allen wichtig ist. Ich möchte gemeinsam mit den Gläubigen Gottes Ruf wahrnehmen und die Botschaft des Evangeliums in unserem Leben verankern.“ Als langgedienter Karriere-Kleriker weiß er, wie sich die Verbreitung himmlischer Botschaften kongenial mit der Akkumulation weltlichen Reichtums verknüpfen lässt: Das Erzbistum Paderborn ist mit einem Vermögen von rund 7,15 Milliarden Euro (das Vermögen des Erzbischöflichen Stuhls und von sechs erz-diözesanen Stiftungen inbegriffen) das reichste Bistum in Deutschland. Ein solides Finanz-Portfolio erwartet den Erzbischof an seiner neuen Wirkungsstätte. Die Gläubigen in und um Paderborn dürfen auch weiterhin darauf hoffen, dass Gottes Ruf sie erreichen wird, auch dank staatlicher Alimentierung und fragwürdigen Sonderrechten – gefestigt und besiegelt im Treue-Eid.

Dabei sind nach unserem Grundgesetz Staat und Kirche voneinander getrennt und der Staat weltanschaulich neutral. In innerkirchliche Angelegenheiten hat sich der Staat herauszuhalten. Doch daran hapert es. Obschon die Zahl der Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen inzwischen dramatisch gesunken ist –  nur noch 48 Prozent der Deutschen waren 2023 Mitglied einer der beiden christlichen Großkirchen – reklamieren die beiden großen Kirchen für sich weiterhin Privilegien. Sie möchten besonders behandelt werden: rechtlich, fiskalisch, gesellschaftlich. Und der Staat gewährt ihnen zahlreiche Steuervorteile und Sonderrechte, und Staatsleistungen von über 600 Millionen jährlich gibts obendrein. Änderung ist nicht in Sicht. Zu verwoben ist diese Einheit aus politischer Macht und organisiertem Glauben.

Nein, es geht nicht darum, die Kirchen aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen, sondern allein darum, die fragwürdige Verknüpfung mit dem Staat endlich zu beseitigen, mit der die Kirchen sich Sondervorteile vor anderen Gruppen in der pluralistischen Konkurrenz um gesellschaftlichen und politischen Einfluss verschaffen. Diese „unheilige Allianz“zwischen Staat und Kirche ist nicht mehr zeitgemäß. Die andauernde Verletzung des Verfassungsgebots staatlicher Neutralität ­muss ein Ende haben. Und der anachronistische Treue-Eid, den deutsche Bischöfe schwören? Dieses zweifelhafte Relikt aus der NS-Zeit sollte abgeschafft werden. Schnellstens. Nicht nur in Paderborn.

Helmut Ortner hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien veröffentlicht. Zuletzt erschienen: „Widerstreit: Über Macht, Wahn und Widerstand“ und „Volk im Wahn – Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit“. Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt.

Helmut Ortner: Das klerikale Kartell – Warum die Trennung von Staat und Kirche überfällig ist, Nomen Verlag Frankfurt, 272 Seiten, 24 Euro.

Hinweis:

Konkordat zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich, 20. Juli 1933

https://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19330720_santa-sede-germania_ge.html

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Steffen Huebner / 11.04.2024

Verdächtig: wo war der Rollator ?

Dieter Franke / 11.04.2024

Lieber Herr Ortner, ich war bis jetzt auf der ACHSE vor der irrsinnigen Genderei sicher, aber jetzt muß ich von “Mitarbeitenden” lesen. Wehren den Anfängen.

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