Peter Grimm / 14.02.2024 / 11:00 / Foto: Montage Achgut.com / 166 / Seite ausdrucken

Demokratie-Schutz à la Faeser

Nancy Faeser hat zusammen mit ihrem Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang erklärt, wie sie den "Kampf gegen rechts" verstärken will: Mit mehr Kompetenzen für den Verfassungsschutz.

Sehen Sie selbst hier in einer kurzen Durchsicht. Oder lesen Sie hier das Transkript, aber es ist natürlich aussagekräftiger, wenn man die Protagonisten sieht und hört.

„Wir wollen diese rechtsextremistischen Netzwerke zerschlagen. Wir wollen ihnen ihre Einnahmen entziehen. Wir wollen ihnen die Waffen wegnehmen.“

Das sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Dienstag vor der Bundespressekonferenz, als sie ihr neues Maßnahmenpaket im Kampf gegen rechts ankündigte. Ein wesentlicher Inhalt: Mehr Kompetenzen für den Verfassungsschutz. Immerhin kann sich dessen Präsident Haldenwang über mehr Personal freuen. 

Thomas Haldenwang: „Mit dem großen Personalaufwuchs in der Abteilung Rechtsextremismus, den ich mit der Unterstützung der Politik realisieren konnte, haben wir die Vorfeldaufklärung im analogen und digitalen Raum verbreitert und die Analysekompetenz erhöht.“

Nancy Faeser: „Wir wollen die Resilienz der Demokratie, die Widerstandskraft unserer Demokratie stärken, deshalb muss das Disziplinarrecht, was wir umfassend reformiert haben und zum 1 April in Kraft tritt, jetzt konsequent durchgesetzt werden. Extremisten haben im Öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“ 

Das stimmt. Nur wer stellt das rechtssicher fest? Bis jetzt war es ein Richter, doch nach dem neuen Disziplinargesetz, dessen Inkrafttreten Nancy Faeser kaum erwarten kann, wird das nicht mehr so sein. Zur Erinnerung ein paar Stimmen aus der Bundestagssitzung vom 17. November 2023, als über dieses Gesetz debattiert wurde.

Petra Nicolaisen, MdB (CDU): „Die Bundesregierung möchte mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein neues Disziplinarverfahren einführen. Im Kern geht es darum, dass Sanktionen nicht mehr wie bislang im ersten Schritt von unabhängigen Gerichten, sondern von entsprechenden Behörden verhängt werden.“

Jochen Haug, MdB (AfD): „Dieser Richtervorbehalt ist eine hohe Hürde, die den Beamten bewusst vor willkürlicher Entlassung oder politischen Missbrauch schützt. Die Ampel reißt diese Hürde nun ein, aber sie belässt es nicht dabei. Dem Beamten, der nun selbst gegen seine Entlassung klagen muss, wird der Klageweg so schwer wie möglich gemacht. Sollte er vor Gericht unterliegen, muss er nach dem Entwurf die bis zur gerichtlichen Entscheidung fortgezahlten Bezüge zurückerstatten.“ 

Alexander Hoffmann, MdB (CSU): „Der Maßregelungseifer darf nie über die Rechtsstaatlichkeit gestellt werden.“ 

Jochen Haug, MdB (AfD): „Bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von derzeit rund 4 Jahren bedeutet dies: Der Betroffene muss sich überlegen, ob er seine gesamte wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzt oder die Disziplinarverfügung akzeptiert. Viele Betroffene werden aufgrund dieses massiven finanziellen Risikos von einer Klage absehen. Der formal vorhandene Rechtsschutz wird so zur Farce.“

Aber auch in anderer Weise geht es ums Geld. Wer beim Verfassungsschutz in Rechtsextremismus-Verdacht gerät, den sollen möglichst auch keine Spenden oder andere finanzielle Zuwendungen erreichen.

Nancy Faeser: „Wir müssen des Weiteren die finanziellen Verbindungen in rechtsextremen Netzwerken aufdecken, um ihnen die Einnahmen zu entziehen. Es gilt das Prinzip „follow the money“. Operativ haben wir die Finanzermittlung beim Bundesamt für Verfassungsschutz deutlich verstärkt bereits. Banken werden sensibilisiert, Finanzstrukturen werden detailliert aufgearbeitet, aber gesetzlich stoßen wir an Grenzen. Derzeit sind Finanzermittlungen auf volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen beschränkt. Das reicht nicht aus.“

Nun werden statt solch klarer Kriterien völlig verwaschene neu eingeführt, die viel Raum zur Interpretation lassen.

Nancy Faeser: „Ich will mit einer Gesetzesänderung deshalb dafür sorgen, dass es auf das Gefährdungspotenzial ankommt. Da geht es um weitere Faktoren wie Aktionspotenzial und gesellschaftliche Einflussnahme. Außerdem müssen wir Verfahren schneller und unbürokratischer machen. Niemand, der an eine rechtsextreme Organisation spendet, darf sich darauf verlassen können, dass er dabei unentdeckt bleibt.“ 

Wie rechtssicher nach den neuen Kategorien geurteilt werden kann wird wohl kaum in der Praxis getestet werden müssen, denn die letzte Drohung dürfte die meisten potenziellen Spender bereits abschrecken. Vielleicht fragen sich manche Zuschauer, warum das nun so schlimm sein soll, wenn radikale Rechte oder die, die dafür gehalten werden können, kein Geld mehr bekommen. Davon geht doch die Welt nicht unter, oder? Nein das tut sie nicht, aber der freiheitliche Rechtsstaat nimmt Schaden. Und Restriktionen, die zuerst an denen exekutiert werden, mit denen sich niemand solidarisieren mag, wendet die Exekutive später auch gern aus ganz anderen Gründen auf völlig andere Gruppen oder Menschen an. Und es geht hier ganz klar auch um Freiheitsbeschränkungen.

Nancy Faeser: „Genauso konsequent wollen wir die internationale Vernetzung von Rechtsextremisten einschränken. Rechtsextremistischer Hass darf weder aus Deutschland heraus exportiert, noch nach Deutschland importiert werden. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit den zuständigen Landesbehörden daran, Ein- und Ausreisen von Rechtsextremisten so weit wie möglich zu verhindern.“

Frage eines Journalisten: „Welche strafrechtlichen Anknüpfungspunkte sehen Sie darüber hinausgehend, was jetzt am Beispiel Sellner, Einreiseverbote und so weiter genannt wurde, denn Treffen dieser Art - solange sie unappetitlich sind, aber noch nicht strafrechtlich relevant - sind ja schwer zu fassen. Sehen sie da andere Punkte, wenn ja, welche?“ 

Thomas Haldenwang: „Ja bei diesen Treffen, insbesondere unter Beteiligung von Martin Sellner, da geht es schon darum, dass da rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet und verteilt wird. (…)

Ja, es ist richtig, das hat keine strafrechtliche Relevanz, aber es ist trotzdem staatswohlgefährdend und es greift unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung an, indem eben die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird. Und unter dieser Voraussetzung ist es eben auch möglich, Einreiseverbote auszusprechen, wenn eben hier jemand einreist mit dem Ziel, unsere Verfassung eben zu beschädigen und diese Möglichkeit, diese gesetzliche Möglichkeit, die werden wir zukünftig eben gemeinsam mit den Ordnungsbehörden der Länder nutzen.“

Wer unter Rechtsextremismusverdacht gerät, für den gibt es dann das einige Europa nicht mehr? Soll solch eine einschneidende Sanktion in einem freien Land wirklich nur aufgrund der Gesinnung verhängt werden können? 

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang will in seiner Arbeit auf jeden Fall mehr als nur Volksverhetzer und Gewalttäter erfassen.

Thomas Haldenwang: Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten, denn es geht auch um verbale und mentale Grenzverschiebungen Rechtsextremisten bedienen sich der Ängste und Krisenerfahrungen in der Bevölkerung, um damit die politischen Ränder zu radikalisieren und ihre Agenda in die bürgerliche Mitte zu tragen. Wir müssen aufpassen, dass sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten.“ 

Und wenn von dort aus mit Worten um die Mitte gekämpft wird, sollten sich überzeugte Demokraten dann nicht mit guten Argumenten und geschliffenen Formulierungen rüsten, um erfolgreich in einen offenen verbalen Kampf zu ziehen, statt vor allem auf den Verfassungsschutz zu setzen? 

Fazit: Die Innenministerin will im „Kampf gegen rechts“ mehr als nur ausgewiesene Extremisten bekämpfen dürfen und dies mit mehr Freiheitsbeschränkungen als bisher. Alle die sich darüber freuen sollten vielleicht kurz darüber nachdenken, dass sich diese neuen Instrumente auch gegen andere Weltanschauungen einsetzen lassen. 

Nancy Faeser: „Und ich will noch mal sagen: Gerade die Finanzermittlungsbefugnisse die wir jetzt im Bundesverfassungsschutzgesetz implementieren wollen, die wird natürlich gegen alle Formen von Extremismus dann auch angewandt. Das ist ja völlig klar. Das ist ja keine Klausel gegen Rechtsextremismus, sondern das ist eine Form der Erweiterung, dass wir bei den Finanzermittlungen gegen extremistische Bestrebungen, die sich gegen unseren Staat richten, gegen unsere Demokratie, auch anwenden können.“ 

Bestimmt können sich die Genossen von der Antifa relativ sicher sein, dass Nancy Faeser das nicht so gemeint hat und ihr Hauptfeind rechts steht. Nur in welche Richtung wird ihr Nach- oder Nachnachfolger das von ihr geschaffene Instrumentarium einsetzen?

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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Martin Müller / 14.02.2024

Die werden die Demokratie so sehr vor Hass und Hetze schützen, dass wir in der DDR 2.0 landen werden

Martin Müller / 14.02.2024

Politische Macht in Händen von Ideologischen Fanatikern erzeugt oft erst die kriminelle Energie, um politisch Andersdenker strafrechtlich zu verfolgen…...Das Perfide dabei ist. Dass dies gerne als Schutz und Rettung der Demokratie getarnt wird. In der DDR war das sogar offensichtlicher Etikettenschwindel. Und bei Frau Fäser und Frau Paus kann man es geradezu an den Gesichtszügen bei ihren Statements ablesen…

Wolfgang Richter / 14.02.2024

@ Thomas Müller - ” Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Grünen verboten gehören!” So weit, so gut, aber der Kreis ist zu erweitern, denn die gerade aktiven Abschaffer des Rechtsstaates gehören zu den Sozen (ett Nänzi”)  und zur ehemals “christlich-demokratischen” Truppe (Kopf des Inlandsgeheimdienstes von Murxels -FdJ- Gnaden). Disziplinierung von Kritikern mittels sozialer Ausgrenzung und der Aussicht auf den wirtschaftlichen Ruin, incl. Beweislastumkehr, abseits des Rechtsweges hat aus meiner Sicht mit Demokratie u/o Rechtsstaat nichts mehr zu tun. Aber Despoten- und Autokratensysteme gibts ja nur abseits des selbst erklärten “Werte-Westens” (nach Orwell). Eine derartige “Transformation” schafft aber eines ganz sicher nicht, loyale staatliche Mitarbeiter, bestenfalls Duckmäuser, denen die Folgen von im weitesten Sinne “Verwaltungstreiben” so was von am Ar…. vorbei gehen. Einziges Interesse der Beteiligten dürfte sodann nur noch unter monetären Aspekten erfolgen, nennt man andernorts Korruption.

Martin Detmer / 14.02.2024

Wenn die deutliche Mehrheit der Deutschen jetzt immer noch nicht aufwacht, dann ist ihnen wirklich nicht zu helfen.

T. Schmidt-Eichhorn / 14.02.2024

@ A. Nölle: Ihre Annahme, dass Grundrechtsträger “nur natürliche Personen sein” könnten, ist unzutreffend. Vielmehr bestimmt Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes: “Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.” Und das gilt dann entsprechend auch für politische Parteien, auch wenn diese überwiegend nicht als juristische Personen organisiert sind.

Johannes Schuster / 14.02.2024

@thomas Kurt: G-tt ist mächtig, wenn auch manchmal eigentlich in der Regel untätig. Der Pharao ist nichts. Diese Wichte sind nur Gestalten der Zeit. Angst ist alles was sie ausrichten können für mehr reicht es denen nicht. Hässlich an Seele und ein Spiegelbild dessen. Es sind Fratzen.

Patrick Meiser / 14.02.2024

“Liebe Deutsche, wann begreift ihr endlich, was hier vor sich geht? Der Faschismus kommt auf leisen Sohlen,........” @ Jürg Casanova - ich sag’s mal jetzt mit den rustikalen Worten dieses BuLi-Vorsitzenden von Eintracht Frankfurt - den Leuten kann man das quasi ins Gesicht “kotzen”, selbst dann begreifen die den Ernst der Lage nicht, weil zwischen den Ohren nur Hohlraum und Propagandabrei ist. Den Großteil der Bürger erreicht man einfach nicht mehr. Warten Sie es ab, wenn die nächste P(l)andemie kommt, dann rennen die wieder zur Spritze. Das sind Systemjunkies,  die sind für immer verloren. Die ziehen sich abends Tagesschau und heute-journal rein und glauben den Scheiß. Das sind hoffnungslose Fälle, da kann man auch gegen eine Wand reden.

Dirk Kern / 14.02.2024

Kritik an den uns regierenden Parteien wird zu delegitimierender Kritik am Staat und damit zu nun sanktionswürdiger Hetze und Haß. Damit können vor den immer unberechenbaren und mit zunehmender Politisierung der Richter und Staatsanwälte noch unberechenbarer werdenden Gerichten durch einen bloßen Verdacht Existenzen vernichtet werden. Aber genau das ist möglicherweise die Absicht von Faser und Haldenwang. Die Unterschiede unser immer noch freiheitlichen Ordnung zum untergegangenen Regime der DDR verschwimmen immer mehr. Achtung, Sie lasen gerade delegitimierende Hetze!

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