Der junge Mann stand wahrscheinlich schon bis zum Hals in dem Propaganda-Sumpf des linksgrünen Mainstream. Er konnte den Schalter im Kopf nicht umlegen. Selbst die Verliebtheit war nicht stark genug, um den Schalter in Bewegung zu setzen. Wer etwas „gegen den Islam“ sagt, ist irgendwie verdächtig. Ist irgendwie rechts. Ist irgendwie völlig out. Islamophob. Ist ein Rassist. Und bei solchen Anzeichen geht bei der braven, deutschen, politisch korrekten, grünen, Jugend gar nichts mehr. Da hilft auch kein Gespräch. Da ist Aussprache gar nicht möglich. Auf dieser Basis können wir nicht miteinander kommunizieren. Hier steht ein im rot-grünen Berlin sozialisierter deutscher Junge. Nein, ich glaube, wir passen nicht zusammen.
Ja, da ist der junge Mann, der mit hoher Wahrscheinlichkeit „Links engagiert“ ist, in seine Lebensfalle getappt: „Alle Rechten sind islamophob und deshalb Nazis“ und jetzt steht da seine Freundin, „islamophob“, und jetzt würde er sie eigentlich als Nazi beschimpfen. Jüdin, Nazi, da dämmert dem Linken was und ihm bleibt nur die Flucht. Gestern habe ich gelesen, dass ca. 5% der Rechten extrem und unverbesserliche Nazis sind und bleiben. Im arabischen Raum würde ich den Anteil aus eigener Erfahrung auf 40-60% schätzen, wa das Thema Judenvernichtung betrifft. „Juden nicht leiden können“, je nach Land, zwischen 70 und 90%. Aber der subtile Antisemitis der Linken, der nimmt ständig zu: hier ein wenig Israelkritik, dort ein Parteivorsitzender Corbyn, der ständige Andeutungen streut, gestern die New York Times, welche Netanjahu im Cartoon als Hund darstellt, wobei ich davon ausgehe, dass die Redakteure um der Bedeutung des Hundes im Islam wissen und auch, warum Netanjahu den Davidstern trägt. Die selbsternannten Gutmenschen, die driften langsam ab und das macht mir Sorge, weil es in der heutigen Medienlandschaft keinen mehr gibt, der diesen Leuten den Spiegel vorhält.
So sehr die Autorin das unkonventionelle Leben in Berlin schätzt, so hoch ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dort auf einen sehr ideologisch geprägten Mann zu treffen. Und in Berlin liebt das gescheiterte Multikulti, weil Scheitern dort kein Makel ist - Geld und Leistung kommt von anderen. Daher war dem D. das Interflug-Leibchen auch so wichtig. Ich sage das, weil ich vom Alter her der D. sein könnte (die Autorin ist Ü40) - und sowohl ich als auch meine männlichen Bekannten haben Wehrdienst geleistet, die Nachwehen der RAF mitbekommen und bei Schilderungen von Intifada-Erfahrungen garantiert nicht die Position des D. eingenommen.
Mein Großvater väterlicherseits, ein im WK1 hochdekorierter Offizier, für den es keine Frage war, ob er dem Ruf zum Kriegsdienst Folge leisten sollte, ist ebenso wie sein jüngster Offizier in Stalingrad vermisst. Mein Vater durfte nach dem Abitur seinen Wehrdienst antreten, wozu es für einen Wehrtauglichen keine Alternative gab, kurz vor der Entlassung brach der Krieg aus, meinem Vater wurde nicht nur die Jugend gestohlen, der Krieg veränderte seine ganze Lebensplanung. Er wurde abgeschossen (Heeresflieger), kam in Kriegsgefangenschaft, dann zurück in eine zu 99% zerstörte Stadt (diese Bombardierungen waren auch Kriegsverbrechen und Verstöße gegen die Landkriegsordnung - zur Verantwortung gezogen wurden die Erben Churchills oder Roosevelts nie…) und musste seine ob des Verlustes ihre Mannes und des jüngsten Sohnes halbwahnsinnige Mutter betreuen. Aus den Trümmern seines Elternhauses rettete er nur eine Lampe. Er musste jeden Job annehmen, um sich und seine Mutter durchzubringen, Studium konnte er sich abschminken. Er war an keiner Aktion gegen Juden beteiligt. Mein Großvater väterlicherseits hatte eine Schmiede, beschlug Pferde, stellte landwirtschaftliche Geräte her und reparierte sie. Er war 1939 schon fast 60 und musste keinen Dienst mit der Waffe leisten. Er war an keiner Aktion gegen Juden beteiligt. Meine Vorfahren waren weder antisemitisch noch am Holocaust beteiligt. Widerstand hätte ihren Tod bedeutet. Meine Vorfahren waren Opfer. Ich habe keinen Grund, mich für eine Vergangenheit zu schämen, an der ich nicht beteiligt war. Die Zeit von 1939 bis 1945 wurde im Geschichtsunterricht in einer Stunde (!) abgehandelt, über den Holocaust wurde nicht gesprochen. Wer spricht über die Kriegsverbrechen und Massenmorde der Aliierten? Ich bin kein Antisemit und Gegner jeder Toleranz für den Islam.
Filme wie „Schindlers Liste“ oder André Heller‘s „Buch vom Süden“ (ich lese es gerade) geben dem Zuschauer/Leser das trügerische Gefühl damals wären sie auf der richtigen Seite gestanden. Zumindest hätten sie ganz sicher emotional erkannt, was richtig gewesen wäre. Doch da sind solche Werke unredlich. Es ist eben nicht so einfach wie es scheint und erfordert ein genaueres Hinschauen, außerhalb des Mainstreames der eigenen Zeit, um zu erkennen, wie schnell man sich in Mittäterschaft verstricken kann. Wer heute Nazis raus sagt und Antisemitismus, der reinkommt, negiert, steht ganz schnell in einer irritierenden Kontinuität zu den eigenen Täter/Mitläufer Großeltern, und fühlt sich auch noch, weltoffen, tolerant und gut. Diesen Widerspruch künstlerisch darzustellen und damit die Wirklichkeit zu treffen, das wäre eine Leistung. Kulturschaffende wie Spielberg oder Heller machen es sich viel zu einfach. PS: zum Thema Mitläufertum. Mich irritiert wie 50jährige im Rahmen von „Me too“ eine denunzierende Atmosphäre brauchen, um einen 30 jahrelangen sexuellen Übergriff z.B. eines Regisseurs anzuklagen. Hätten sie es gleich getan, hätten sie nachfolgende Opfer des Täters schützen können. Doch sie fürchteten um ihre Karriere. Gleichzeitig klagen wir unsere Großeltern an, im dritten Reich nichts dagegen getan zu haben. Doch sie mussten nicht nur um ihre Karriere fürchten, sondern Folter und Tod in den Gestapokellern.
Ich kann den Standpunkt von Frau Arfa bezüglich der Täter-Opfer- Beziehung in Hinblick auf die jetzige junge Generation nicht nachvollziehen. Weshalb sollten Nachkommen von beiden “Seiten” nicht miteinander glücklich sein können? Und in wie fern ist Wiedergutmachung von Deutschland gegenüber Juden notwendig? Und wie soll diese aussehen? Wie kann jemand den Mord an jemand anderem wieder gut machen? Ich denke gar nicht. Es ist ohne Frage grausam und wiederlich, was im Holocaust den Juden und anderen angetan wurde. Aber kann ich etwas für das, was mein Urgroßvater vielleicht oder eben auch nicht getan hat? Und wenn ich wüsste, dass einer meiner Vorfahren in den Holocaust verwickelt gewesen wäre, womit wäre meine Schuld dann begründet? Viele Fragen aber keine Antworten.
Sie gehen zu tief, liebe Frau Arfa. Sie haben das Pech mit einer Generation interagieren zu wollen, die zum großen Teil öberflächlich, halb gebildet und gehirngewaschen, ist, von der Wohlstandsdekadenz nicht zu reden. Und ich gehe davon aus, dass Sie fast die 4. Generation meinen. Und das in Familien nicht über die Begebenheiten im Nationalsozialismus gesprochen wurde ist eher “westtypisch”. Ich kann das aus meinem Umfeld so nicht bestätigen. Seine Sie froh, daß Sie den Typen los sind !
Sie schreiben, daß die “heutige Generation” sich mit den Verstrickungen ihrer Familie mit dem Holocaust auseinandersetzen soll. Welche Generation meinen Sie denn? Ich bin über 60 und meine Grosseltern waren damals über 20 um “Täter” sein zu können. Bei einem heute 20-jährigen Menschen sind das schon die Urgrosseltern, die er/sie eventuell nicht mehr lebend gesehen hat. Ich denke die Idee “bis ins 7. Glied” sollte doch als archaisch und steinzeitlich angesehen werden.
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