Der österreichische Linksliberale Ferdinand Kronawetter hat einmal so schön gesagt, der Antisemitismus sei nichts anderes „als der Socialismus des dummen Kerls“. Seinerzeit bezog Kronawetter dies auf antisemitische Strömungen im kaiserlichen Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Heute kann man diese Aussage auch anders interpretieren. So ist der Antisemitismus der „Socialismus“ von staatlich subventionierten linken Antisemitismus- und Nazi-Jägern. Und wie es sich für einen ordentlichen Sozialisten gehört, ist die milde Nachsicht - manch weniger wohlgeneigte Zeitgenosse würde es auch kategorische Blindheit nennen - gegenüber Auswüchsen von linkem Antisemitismus diesem „Socialismus“ systemimmanent.
Judenhasser können doch nur die Rechten sein. Oder jeder, den man für einen Rechten, Rechtspopulisten oder Nazi hält. Meist macht sich schon derjenige als „Rechter“ verdächtig, der nicht in den Chor des allgegenwärtigen „Socialismus“ einstimmt. Denn, wie es der große Genosse Stalin ja bereits verkündete, fängt dieses „Rechts“ unmittelbar bei den „Sozialfaschisten“ der deutschen Sozialdemokratie an.
Da ist es in diesem „Socialismus“ nur folgerichtig, dass Henryk M. Broder in den Augen der Recherche- & Informationsstelle Antisemitismus, kurz RIAS, sich in seinem Text „Der überaus sensible Herr Kuhn“ einer „Verharmlosung und Instrumentalisierung des historischen Antisemitismus“ befleißigte.
„Seid ihr bescheuert?"
Broder versuche sich hiermit als Teil einer „marginalisierte[n] Gruppe zu inszenieren“, die selbst jedoch „Jüdinnen_Juden nicht als Teil der Gesellschaft“ sehen und deren „Wahrnehmung unsichtbar“ machen wollte. „Antisemitelt“ es hier eigentlich schon selbst beim RIAS? Aber das nur am Rande gefragt.
Das sozialistische RIAS störte sich dabei übrigens einzig an Broders Aussage, dass „Stuttgart seine kleine Kristallnacht erlebt[e]“. Eigentlich muss man dazu gar nicht viel mehr sagen als das, was Benjamin Weinthal einen Tag zuvor den Grünen ins Stammbuch schrieb und dabei zielgenau deren kategorische Blindheit gegenüber linkem Antisemitismus reflektierte:
„Seid ihr bescheuert? Ihr versteht die polemische Art von Henryk Broder nicht. […] ich frage mich, warum Du zum Antisemitismus von @Die_Gruenen schweigst? Volker [Beck] macht nix dazu. Siehe [auch] die antisemitische BDS-Arbeit [von] Omid Nouripour.“
Eigentlich könnte man den Text an dieser Stelle beenden und sich fragen, ob das RIAS nicht besseres zu tun hat, als in Polemiken nach Antisemitismus zu suchen. Zu Hengameh Yaghoobifarahs „Satire“ hat man sich bekanntlich dort auch nicht ausgelassen, obwohl es in der Herabwürdigung einer ganzen Menschengruppen zu „Müll“ tatsächlich zu einer „nationalsozialistische[n] Markierungspraxis“ kam, wie es das RIAS jetzt nun Broder vorwirft. Wenn das RIAS nichts zu Yaghoobifarahs „Satire“ sagt, soll sie bei Broder Polemik lieber schweigen.
Nichts als Ablenkung, Schweigen und Doppeldenk
Bedenklich wird es, wenn man sich die Reaktion des RIAS zu linkem Antisemitismus beziehungsweise Holocaust-Relativierungen vergegenwärtigt. Ende März und Anfang Mai 2020 dokumentierte ich hier auf Achgut.com in meinen Artikeln „‚Seebrücke‘ vergleicht Migrationskrise mit Holocaust“ beziehungsweise „Holocaust-Relativierung von Seenotrettern am 8. Mai“ die Shoah-Verharmlosungen zweier (linker) Flüchtlingsorganisationen, der "Seebrücke" sowie von „Mission Lifeline“.
Während sich das RIAS zum ersten Fall komplett ausschwieg, obwohl dort Flüchtlinge und Migranten als neue Juden dargestellt wurden, konnte man sich immerhin im zweiten Fall, bei dem die Flüchtlingslager die neuen Konzentrationslager wären und die EU-Flüchtlingspolitik den „Rassenhass“ der Nazis fortsetzen würde, zu folgendem Statement bemüßigen:
„Bezüglich dieses Tweets würden wir gerne auf diesen Beitrag des @HolocaustMuseum hinweisen: ‚Why #Holocaust Analogies Are Dangerous‘.“
Das war es dann auch schon. Eine butterweiche, wenn man es überhaupt so bezeichnen kann, „Kritik“, die auf die „Gefahr von Holocaust-Analogien“ verweist. Von einer Relativierung des Holocausts durch „Mission Lifeline“ wird überhaupt nicht gesprochen.
Keine eigene, sorgsam ausgearbeitete Rezension der Shoah-Relativierung und des Antisemitismus von linken Flüchtlingsorganisationen, obwohl diese ihre Holocaust-Verharmlosungen stetig wiederholen. Keine ausführliche Replik. Nichts als Ablenkung, Schweigen und Doppeldenk. Oder einfach erklärt: „der Socialismus des dummen Kerls“.