Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Es gab vor ein paar Tagen kurz etwas Aufregung nach dem Treffen der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem Möchtegern-Sultan Recep Tayyip Erdogan, bei dem „hochachtungsvoll“ dem „verehrten Präsidenten“ gehuldigt wurde. Unbeschadet durch das Nicht-Mitsingen der deutschen Nationalhymne galten die türkischstämmigen Spieler doch allen als positives Beispiel für Integration. Vor allem jenen, die glauben wollen, Integration gelinge besonders gut durch viel Rücksichtnahme auf eingewanderte Nationalgefühle und möglichst leichten Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft – bei weitestgehender Akzeptanz der doppelten Staatsangehörigkeit. Doch dass die Beiden nun ausgerechnet Werbung für den Despoten aus Ankara machten, stieß selbst Wohlmeinenden sauer auf. Wer auf dem Felde des Fußballs für Deutschland antritt, solle doch wissen, dass sein Präsident Steinmeier heiße und nicht Erdogan, kommentierten auch die Freunde eines möglichst undeutschen Deutschlands diesen Auftritt.
Ein unangenehmer Konflikt, kurz bevor auch die Erdogan-Freunde unter den Fußballprofis mit in den Kampf um den Weltmeistertitel ziehen sollen. Aber es gab nun eine Lösung: die Absolution durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Und der lud, immer um allseitige Versöhnung bemüht, zu einem Besuch ins Schloss Bellevue und zeigte, wie leicht sich doch aufkommende Integrationsprobleme klären lassen.
Die beiden Spieler hätten sogar ihren Urlaub unterbrochen, nur um einen Termin beim Bundespräsidenten wahrzunehmen, würdigte DFB-Präsident Reinhard Grindel den selbstlosen Einsatz für die Integration: „Es verdient Respekt und Anerkennung, dass Mesut Özil und Ilkay Gündogan persönlich die Irritationen ausräumen wollten“. Und sie hatten laut Grindel eine klare Botschaft: „Beide haben uns gegenüber versichert, dass sie mit dieser Aktion kein politisches Signal senden wollten“, wird er in der FAZ zitiert. Welches unpolitische Signal man mit einem Fototermin mit einem Präsidenten im Wahlkampf hätte senden wollen, wurde offenbar nicht weiter hinterfragt. Die möglichen Antworten hätten ja auch für neue Verunsicherung sorgen können, beispielsweise, wenn es nur um ein ganz unpolitisches Bekenntnis der deutschen Nationalspieler zum Türkentum gegangen wäre, das dem Privatmann Erdogan nun einmal sehr am Herzen liegt.
Ein Plural für die Heimat
Dafür erklärt Präsident Steinmeier, welche Signale er gern setzen möchte: Die Geschichte von Özil und Gündogan spiegele die Erkenntnis wider: „Heimat gibt es auch im Plural.“ Ein Mensch könne mehr als eine Heimat haben und neue Heimat finden, betonte Steinmeier. „Das hat die Bundesrepublik für Millionen von Menschen bewiesen, und es hat uns bereichert.“
Der Bundespräsident sollte sich nun dringend an die Duden-Redaktion wenden. In deren deutschtümelnden Werken findet sich beim Schlagwort Heimat tatsächlich immer noch der Hinweis: „Plural nicht üblich“. Da die Duden-Macher ohnehin gerade unter anderem von der Bundesjustizministerin aufgefordert werden, einige Erfindungen fortschrittlicher Sprachingenieure, wie das Gendersternchen, in ihre Rechtschreibregeln aufzunehmen, könnten sie den Heimatplural gleich mit einarbeiten.
Vor allem aber demonstrieren Steinmeier, Özil und Gündogan gemeinsam, dass sie es gut finden, wenn Migranten den deutschen Pass als Zweitpass zusätzlich zu ihrer als prioritär empfundenen Nationalität, die ihnen auch Nationalstolz erlaubt, bekommen. Die Loyalität zur neuen, zur deutschen Heimat, muss nicht an erster Stelle stehen, sondern Deutschland gibt sich bei all denen, denen es die Doppelpassprivilegien einräumt, auch mit Platz zwei zufrieden. Und für viele Deutschtürken ist der Bundespräsident dann neben dem Herrscher in Ankara der Zweitpräsident.
Der spielt dann im eigenen politischen Verständnis in etwa die Rolle, die eine Zweitfrau im Privatleben spielt. Frank-Walter Steinmeier scheint nichts gegen diese Rolle einzuwenden. Und den meisten politischen Verantwortungsträgern reicht die Polit-Geliebten-Rolle bei Migranten offenbar auch aus, sonst würden sie vielleicht über die Signale nachdenken, die sie mit einer Politik aussenden, mit der aus dem Doppelpassprivileg für Zuwanderer und deren Nachkommen mehr und mehr der Regelfall wird.
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