Zur heutigen deutschen Realitätsverweigerung gehört, dass wir uns international weitgehend isolieren. In den meisten europäischen Ländern und in der ganzen Welt hat in den vergangenen Jahren ein Umdenken hinsichtlich der Kernenergie stattgefunden. Weltweit sind derzeit etwa 200 Kernkraftwerke in Planung oder Vorplanung. Es gehört zu unserem neuen Sonderweg, einem neuen deutschen Sendungsbewusstsein, dass wir diese Entwicklungen im Ausland nicht wahrnehmen wollen und stattdessen glauben, uns energiepolitisch gegen die ganze Welt stellen zu können. Großbritannien, Italien, Frankreich, Finnland, Polen, Tschechien, Ungarn - alle diese Länder haben in den letzten Jahren umfangreiche Neubauprogramme angekündigt. Schweden, das Modellland der deutschen Sozialdemokratie, hat seinerseits Anfang dieses Jahres den Ausstieg aus dem Ausstieg verkündet. Die deutschen Sozialdemokraten halten dagegen unbeirrbar am Ausstiegsfahrplan fest und lehnen eine Rückkehr zu vernünftigen Laufzeiten ab. Dass Deutschland sich mit diesem nationalen Sonderweg einmal mehr international isoliert, scheint sie nicht weiter zu beunruhigen. Mir macht das Sorgen.
Wenn ich allerdings die jüngste energiepolitische Debatte betrachte, sehe ich Anlass zu Hoffnung. Es tut sich etwas in Deutschland. Immer mehr Menschen sind bereit, offen und unvoreingenommen über Energiefragen der Zukunft zu diskutieren. Insbesondere die junge Generation, die nach Tschernobyl aufgewachsen ist, nähert sich dem Thema Kernenergie mit neuer Offenheit. Mit den Parolen und Protesten der Anti-Atom-Bewegung kann die junge Generation offenbar nicht mehr viel anfangen.