Weitgehend unbemerkt hat sich die post-kapitalistische „Progressive Internationale“ (P.I.) gegründet. „Wir organisieren, mobilisieren und vereinen progressive Kräfte aus der ganzen Welt“, tönt es dort. Themen sind etwa Schuldenerlass, Green Deal oder „Hände weg von Kuba“. Zufälligerweise durfte ja der Kuba-Liebhaber Michael Zeuske bei Deutschlandfunk Kultur die Öffentlichkeit dazu anregen, den Vordenker der freiheitlichen Rechtsordnung und Verfechter der unantastbaren Würde des Menschen, Immanuel Kant, im Rahmen des aktuellen Denkmalsturms vom Sockel zu stoßen. Zur Geschichte von P.I. steht bei Wikipedia:
„Der Appell zu ihrer Gründung erfolgte im Dezember 2018 auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Bewegung Demokratie in Europa und des US-amerikanischen Thinktanks Sanders Institute von Jane O’Meara Sanders. Offiziell gegründet wurde sie am 11. Mai 2020 zur Zeit der weltweiten Covid-19-Pandemie, um ‚erstarkendem Nationalismus‘ entgegenzutreten. Für September 2020 ist geplant, dass der Rat der P.I. zu einem Eröffnungsgipfel in Reykjavik zusammenkommt.“
Erstunterzeichner sind unter anderen: Noam Chomsky, Carola Rackete und Yanis Varoufakis.
Der seriösen Vollständigkeit halber gehört hier ergänzt, dass dieses Bündnis schon deutlich länger in Bearbeitung ist. Im Februar 2016 hatte der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit anderen „Intellektuellen“ in Berlin das „Demokratienetzwerk DiEM25“ ausgerufen – eine linke paneuropäische Bewegung. Insbesondere Journalisten waren ganz hin und weg von dem Ereignis mit dem „Popstar“, wie es beim Deutschlandfunk (DLF) herausklingt:
„Etwa 100 Journalisten aus ganz Europa drängeln sich am Vormittag im Roten Salon der Berliner Volksbühne am Ende der Pressekonferenz: Applaus für den früheren griechischen Finanzminister … Das Manifest trägt den Titel: ‚Die EU wird demokratisiert, oder sie wird zerfallen‘.“
Außerdem mit dabei: „eine Vertreterin der militanten Blockupy-Bewegung ..., Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, die Politikwissenschaftlerin und Gründerin des European Democracy Lab, Ulrike Gureot, und Gesine Schwan, Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD“ sowie Mitglieder der Linkspartei.
Absurde Zerstörung historischer Erinnerungskultur
Das DiEM25 sollte „auf keinen Fall eine Partei“ werden, hieß es in der Berliner Volksbühne, sondern direkt als „demokratische Basisbewegung“ (Unter welcher Legitimation?) die EU-Institutionen reformieren. „Wie das genau gehen soll, bleibt unklar.“ (DLF) Auf die Flüchtlingskrise befragt, sagte Varoufakis:
„Jahrhundertelang haben wir Europäer die Welt besiedelt, wie haben kolonialisiert, wir haben Völker ausgerottet und wir haben quasi die Welt übernommen. Aber wissen Sie was – die Demografie des Planeten hat sich verändert. Und Europa wird jetzt einfach zurückbesiedelt von Nicht-Europäern. Wir sollten das einfach akzeptieren.“
Soweit dazu, woher der schräge Wind der aktuell eskalierenden Demos und der absurden Zerstörung historischer Erinnerungskultur wehen könnte. Was bei Wikipedia ebenso noch fehlt sowie auf der Website von P.I., steht in dieser Meldung vom Oktober 2018:
„Yannis Varoufakis und der demokratische US-Senator Bernie Sanders arbeiten an einem weltweiten Bündnis linker Parteien und Gruppen. Die Bewegung mit dem Namen ‚Progressives International‘ … sei als Gegenmaßnahme zu den Bemühungen Steve Bannons geplant.“
Dieser habe mit Blick auf die EU-Wahl erklärt, eine europaweite Bewegung rechter Parteien ins Leben zu rufen. „Varoufakis ist die Galionsfigur der ‚European Spring‘-Bewegung.“ Diese wolle Bürger eines europäischen Landes in einem anderen kandidieren lassen, um ihren Internationalismus zu betonen. „Varoufakis selbst soll laut dem Bericht Kandidat in Deutschland werden.“ Im Mai 2019 las man: Varoufakis „ist frisch gewählter Spitzenkandidat der transnationalen Bewegung ‚Democracy in Europe Movement 2025‘ (DiEM25). Offiziell tritt er für die Partei ‚Demokratie in Europa‘ an, ein deutscher Ableger der Bewegung.“ Er errang aber kein Mandat für das EU-Parlament. Hingegen wurde er bei der Wahl in Griechenland mit dem dortigen Ableger der Bewegung ins Parlament gewählt.
Scheinbar heimelige Gruppenkonstellationen
Als Website-Betreiber von P.I. sind übrigens angegeben: Common Knowledge und Robbie Blundell. Bei Common Knowledge liest man über Interviews mit Mitarbeitern der Labour Party. Die gemeinnützige Arbeitnehmerkooperative, die direkt mit Graswurzel-Aktivisten zusammenarbeitet und digitale Tools für „radikale Veränderung“ kreiert, analysierten dann Organisationsstrukturen sowie digitale Technologie der Labour Party und untersuchten die Versuche, Community Organizing in die Partei einzubringen. Also doch nicht so parteilos, wie es 2016 noch hieß? Blundell scheint ein – bislang – unbekannter freischaffender Designer aus Belfast zu sein.
Wie auch immer: Das strategische Vorgehen der Linken zwecks Unterwanderung der breiten Öffentlichkeit ist seit Jahrzehnten erfolgreich. Freilich ist das auch ein Leichtes mit entsprechend willfährigen Medien, Politikern und Bürgern, die offenbar nur und ausschließlich in scheinbar heimeligen Gruppenkonstellationen einen Lebenssinn zu entdecken in der Lage sind – ganz ähnlich wie bei den Rechten. Auf der Strecke bleibt ein Wesenskern des liberal verstandenen Menschenrechtsgedankens: die Eigenständigkeit im Zuge einer (selbst-)kritischen Entfaltung der individuellen Persönlichkeit unter der Prämisse einer Verantwortungskultur.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.