Henryk M. Broder / 19.03.2015 / 17:35 / 6 / Seite ausdrucken

Wenn die Liebe Amok läuft

Letzten Dienstag wurde in Israel ein neues Parlament gewählt. Kein ungewöhnlicher Vorgang in einer Demokratie. Der amtierende Ministerpräsident Netanjahu hat, mit Unterbrechungen, neun Jahre die Regierung geführt und zwischendurch auch als Außenminister und Finanzminister dem Lande gedient. Seine Abwahl wäre kein Unglück, sein Verbleib im Amt auch nicht.

Das eine wie das andere ist Sache der Israelis. Aber viele meiner deutschen Kollegen sehen das anders. Das Wohl Israels liegt ihnen dermaßen am Herzen, dass sie keine Hemmungen haben, den Ausgang der Wahlen herbeizuschreiben. Am besten für Israel wäre es, wenn sie darüber entscheiden könnten, wer demnächst in Israel das Sagen haben soll. Auf jeden Fall nicht Bibi Netanjahu.

Der Korrespondent der ARD warnt davor, das Land könnte „langfristig seine Zukunft verspielen“, man dürfe nicht nur „die Spitze des Eisbergs“ sehen, sondern müsse die Gefahren erkennen, die darunter lauern. Er meint die wirtschaftliche Lage in Israel, obwohl die nach allen gängigen Parametern besser ist als in den meisten Ländern der EU.

In die gleiche Kerbe schlägt der Korrespondent der FAZ, wenn er von einem „Stühlerücken auf dem Deck der Titanic“ spricht, auch wenn er nur einen „Experten“ zitiert, der „seit Jahren vergeblich versucht, die Aufmerksamkeit der Politiker auf die Ursachen der existenzbedrohenden Krise… zu lenken“. Der Slogan „Wir wollen den Wechsel“ ist ihm Beweis genug, dass „die Leute“ Netanjahu „loswerden wollen“.

Die SPIEGEL-Frau vor Ort will das auch. Denn: „Benjamin Netanyahu schadet dem Land massiv.“

Die Israelis sollten „die Chance nützen“, ihn abzuwählen. „Mit seiner perspektivlosen Politik der ewigen Blockade raubt Netanyahu den Israelis die Zuversicht und der internationalen Gemeinschaft den letzten Nerv.“ Allein die SPIEGEL-Korrespondentin behält die Nerven und verspricht: „Ein Ende seiner (Netanyahus) Regentschaft wäre ein Segen für das Land.“

Das alles ist natürlich nicht Ausdruck von Anmaßung und Selbstüberschätzung, sondern der großen Liebe zu einem Land, das seine Existenz weitgehend der Idee verdankt, Europa judenrein zu machen.

Und so eine Liebe löst sich nicht in Luft auf. Sie wandert aus und mutiert zur Fürsorge.

Zuerst erschienen in der Weltwoche

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Leserpost

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Gerhard Sponsel Lemvig / 20.03.2015

Israel und Netanyahu verdanken ihre Erfolge den Ratschlägen von den deutschen Moratheologen und Pazifisten, die sie nie befolgt haben.

Martin Johannes Marhoff / 19.03.2015

Ich habe Verständnis für die Entscheidung in Israel. Jeder Israeli der nur minimal bei Verstand ist, wird auf die Befindlicheiten der “Gutmenschinnen” einen ‘Deut’ geben. Diese übersehen geflissenlich wie in Israels Nachbarländern Menschen terrorisiert werden. Welches Vertrauen, sollte man gegenüber solchen Nachbarn, in Bezug auf Frieden wohl haben? Herr Netanjahu ist mit Sicherheit nicht an- nähernd so schlimm wie Herr Assad. Wie kann jemand bei all dem Kriegsge- metzel in Syrien, Nordirak u.s.w. ernsthaft behaupten, die Wahlentscheidung in Israel gefährde den Frieden in Nahost. Welcher Frieden? Und sehen wir noch etwas “Positives” am Wahlausgang. Solange die Palästinenser Israel als Feinbild haben, solange bringen sie sich nicht gegenseitig um. Schließlich machen es ihre arabischen Brüder -(und Schwestern) hinreichend vor, wie es in den eigenen selbständigen Staaten zugeht. Fazit: Benjamin Netanjahu ist auch für die “friedliebenden” Palästinenser die bessere Wahl!

Thomas Schlosser / 19.03.2015

Man sollte all diesen linken Besserwissern ein Zitat von Arthur Cohn entgegenhalten: “Wenn die Araber die Waffen niederlegen, gibt es Frieden, wenn Israel die Waffen niederlegt, gibt es kein Israel mehr”. Und wer wäre für die Umsetzung dieses Zitates in praktische Politik besser geeignet, als Bibi Netanjahu, dessen Bruder bei der Geiselbefreiung in Entebbe ums Leben gekommen ist…? Die Israelis haben klug gewählt, dass dies von unserer linksbornierten Journaille anders gesehen wird, ist der schlagende Beweis dafür….

Eran Bomgart / 19.03.2015

Ich habe zwar Netanjau nicht gewählt, aber bei dieser Herrenrasse-Doktrin der deutschen Medien gegenüber Israel und seine Wählerschaft bereue ich es beinah… Grüße aus Ramat Gan Eran B.

Wilhelm Lohmar / 19.03.2015

Natürlich hat die Einstellung in deutschen Redaktionsstuben zu Israel mit Liebe zu tun. Genauer gesagt mit enttäuschter Liebe. Was war man doch damals begeistert über die sozialistischen Aspekte rund um die Staatsgründung. Kibbuzim und so. Daß Israel dann doch lieber auf Kapitalismus und Effizienz gesetzt hat war eine arge Kränkung. Die Zuneigung hat man deshalb den Palästinensern geschenkt, die diese auch umgehend angenommen haben. Enttäuschte Liebe war öfters schon mal Grund für ein Verbrechen aus Leidenschaft

Sandra Rath / 19.03.2015

Richtig. Und wie groß die Liebe der Deutschen zu den Juden ist, kann man in Tuvia Tenenboms Buch “Allein unter Juden” nachlesen. Deutschland ist der größte Sponsor antiisraelischer NGOs, die drüben aus “Fürsorge” ihr Unwesen treiben. Allein aus Europa fließen jährlich über 100 Millionen Euro um die israelische Regierung zu verleumden und international zu isolieren.

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