Antje Sievers / 31.12.2008 / 13:17 / 0 / Seite ausdrucken

Unterwegs in Israel

Weihnachten im Heiligen Land ist schon was Feines. Koestliches Mahl im Jewish Quarter Cafe mit Blick auf den Tempelberg, Schnellbescherung bei Steimatzky, Israels aeltester und groesster Buchhandlung und die Altstadt Jerusalems im Dunkeln; zauberhaft beleuchtet von vielen Chanukkakerzen.
Am ersten Weihnachtstag erwischt einen prompt der fiese orientalische Magenvirus und man kann bei leichtem Fieber im Bett bleiben, was recht angenehm ist, wenn es draussen in Stroemen regnet. Am zweiten Weihnachtstag geht man dann schon wieder in der Negev-Wueste wandern, und kaum sind die Feiertage vorueber, bricht der Krieg aus…

Morgens, vor dem Ausflug zum Toten Meer, schimpfen wir noch auf die schlappe israelische Regierung, die offenbar die Bevoelkerung rund um den Gaza-Streifen zum Abschuss frei gegeben hat. Das sieht am Abend ganz anders aus: Livni, Olmert und Barak bilden auf der Pressekonferenz eine geschlossene Front aus eisigen Mienen und aeussern sich wie folgt:
The party is over. Schluss mit lustig. Lange genug mit angeguckt. Wind von vorn!
Die Hamas, die sich gestern noch ueber die Israelis mokiert hat (“They keep delivering goods and we keep delivering rockets”) hat es kalt erwischt. “We have caught them with their pants down” heisst es.
Und waehrend Abbas die Gunst der Stunde nutzt und schonmal vorsorglich die Strecke verblaest fuer den Fall, dass er wieder ans Ruder kommen sollte, nimmt Operation Cast Lead taeglich ihren Fortgang.
Wir haben es 2006 im Libanonkrieg erlebt und erleben es jetzt wieder: Man kann praktisch im Zentrum der Ereignisse sitzen und dennoch kaum mitkriegen, was passiert.
Saemtliche auslaendische Fernsehanstalten konzentrieren sich auf das Leid der Palaestinenser. Rund um die Uhr beschweren sich auf allen Nachrichtenkanaelen sogenannte Hamasminister ueber die humanitaere Lage; grosse Worte fuer eine Regierung, die ueber die Feiertage beschlossen hat, die Kreuzigung wieder in den Strafkatalog aufzunehmen.
Die Jerusalem Post ist immer ergiebig, aber die Nachrichten sind eben doch die von gestern. Ohne Hebraeisch fuehlt man sich wie bei Mark Twain: Wir sind die Arglosen im Ausland. So freuen wir uns auf dem Weg zurueck vom Toten Meer auf der Hoehe von Kiryat Gat nichts ahnend ueber die leeren Strassen und die huebschen Sternschnuppen am Himmel.
Mit einem englischen Radiosender waere das nicht passiert.
Die Raketen schlagen jeden Tag weiter noerdlich ein und so recht weiss noch keiner, wie das alles enden wird.
Zum ersten Mal ist von einem voruebergehenden Waffenstillstand die Rede. Die Regierung ist zu allem entschlossen und die Bevoelkerung steht in ueberragender Mehrheit hinter ihr.
Halbe Sachen darf es diesmal nicht geben.
Aber egal wie es endet, die Hamas wird sich schon jetzt als Sieger betrachten. Schon weil sie an ihre eigene Propaganda glaubt, kann sie gar nicht verlieren. Und wie Barry Rubin von der JPost findet, kann sie schon jetzt mit dem Ergebnis zufrieden sein:
“We believe in death, Hamas says, You believe in life. Sometimes you get what you wish for.”

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