Rainer Bonhorst / 10.04.2014 / 21:32 / 3 / Seite ausdrucken

Später Sieg einer Liberalen

Es war einmal eine liberale Justizministerin. Die meinte, es sei vielleicht ein ermittlungsbehördlicher Overkill, wenn man die Kommunikationsdaten aller Menschen sammelt, die der liebe Gott in der Europäischen Union platziert hat. Und da der Europäische Gerichtshof auch über diese Frage nachdachte, sagte sie zu ihren weniger liberalen Kolleginnen und Kollegen ungefähr folgendes: „Lassen wir doch erst einmal die Finger davon und warten wir ab, was die Luxemburger Richter sagen. Dann müssen wir hinterher nicht alles wieder umschmeißen.“

Den Kolleginnen und Kollegen passte diese Haltung gar nicht. Sie waren von einer hochgradigen Sammelsucht erfasst. Zwar waren sie schon vom deutschen Verfassungsgericht auf „cold turkey“ gesetzt worden. Aber so etwas kann einen echten Junkie nicht bremsen. Sie schauten sich gierig nach Ersatz um. Weil sie aber ohne die Justizministerin ihre Ersatzdroge nicht bekamen, wären sie beinahe die Wände hoch gegangen.

Jetzt haben die europäischen Richter gesprochen und die Sammler aller Länder zur weitgehenden Enthaltsamkeit verdonnert. Sie dürfen ihren Stoff nur noch in kleinen, allgemeinverträglichen Dosen konsumieren. Ein märchenhafter Sieg der liberalen Justizministerin.

Ihre Freude ist allerdings ein bisschen gedämpft. Erstens, weil sie nicht mehr Justizministerin sein darf. Zweitens, weil ihre ganze Partei aus dem Bundestag geflogen ist. Und drittens, weil ihre Liberalen in Umfragen hoffnungslos bei drei Prozent herumgurken.

Dabei stünde die Regierung jetzt bis auf die Knochen blamiert da, wenn die hinausgeworfene Liberale sie nicht vor einem Schnellschuss bewahrt hätte. Zwar würden die Regierenden - wie immer – einfach so tun, als ob nichts wäre. Sie würden das Luxemburger Urteil mit ernster Miene „begrüßen“ und dann in aller Eile ihr abgeschossenes Datensammelgesetz so weit verschlanken, dass es die richterliche Hürde gerade noch mit Latte berühren nimmt.

Jedenfalls hat sich gezeigt, dass es im Prinzip keine ganz blöde Idee ist, ein paar liberale Köpfe im Parlament zu haben. Die, die wir hatten, waren zwar keine Geschenke des Himmels. Doch ein bisschen Freude an der Freiheit hat noch keinem nachhaltig geschadet.

Aber gegen die deutsche Angst vor der Freiheit ist kein Kraut gewachsen. Sogar die meisten Medien haben sich von ihr anstecken lassen und die Liberalen zu offiziellen Witzfiguren erklärt. Das mögen sie auch gewesen sein, aber auf der Comedy-Bühne der deutschen Politik waren sie keineswegs allein.

Es wurde sogar ein Blitzmädel auf einen alten, etwas weinseligen Liberalen angesetzt, um ihn lächerlich zu machen. Es hat geklappt: Halb zog sie ihn, halb sank er hin, und die FDP ward nicht mehr gesehen.

Ob auch die Datenspeicherung nicht mehr gesehen wird, ist eine andere Frage. In irgendeiner Form wird sie wieder auftauchen. Aber sie wird nicht mehr aussehen wie ein Zwilling der sammelsüchtigen NSA, deren Tüchtigkeit in der deutschen Sammlerszene vermutlich sehr bewundert wurde.

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Leserpost

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Caroline Neufert / 13.04.2014

Ja, später (Teil-)Sieg für eine standhafte Liberale, aber VDS ist keineswegs gekippt, nur auf das “notwendige Maß” beschränkt. Was notwendig ist, entscheidet nicht der Bürger ;-)

Harald Drings / 12.04.2014

Wenn ich mich recht erinnere, war die besagte Justizministerin auch unter den Liberalen sehr umstritten, eben wegen ihrer Haltung für die liberalen Prinzipien und gegen die Koalitionsraison. Und GENAU deshalb ist die FDP zu Recht draußen - mit der Option genauso zu Recht wieder reingewählt zu werden, wenn sie die richtige Lektion lernt.

Holger Wehrmann / 12.04.2014

“mächenhafter Sieg” es ist ja schön, daß daß nun Einschränkungen für die “Voratsdatenspeicherung” formuliert wurden. Aber pervers ist doch schon die Idee. Oder hätte mal jemand ernstlich vertreten wollen, es sei legitim,  für Monate aufzuzeichnen, wer wann wem welche Briefe, Karten, Päckchen geschickt hat?

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