Beda M. Stadler, Gastautor / 25.04.2008 / 12:41 / 0 / Seite ausdrucken

Passivrauch: Vernebelte Argumente

Woran liegt es, dass die europäischen Raucher mit einer derartigen Inbrunst aus den Gaststätten vertrieben werden? Ist es die Stammtischwahrheit, dass Raucher den Nichtrauchern die Altersvorsorge finanzieren, die ausgemerzt werden muss? Ertragen militante Nichtraucher solche Sprüche vom paffenden Nebentisch nicht mehr?
Den Rauchern selbst scheint der frühe Tod nichts anzuhaben. Schließlich starben sie einst acht bis zehn Jahre, heute im Schnitt nur noch fünf Jahre vor ihren abstinenten Artgenossen. Früher galt eben noch die Milchmädchenrechnung wie etwa: Tote Patienten sind billiger. Falls Wissenschafter diesen simplen Zusammenhängen nachgehen wie etwa kürzlich in einer Studie in der Zeitschrift Public Library of Science Medicine, weckt so was kaum Interesse…

Die Studie zeigt: Ein gesunder schlanker Mensch verursacht ab dem 20. Lebensjahr Behandlungskosten von 281.000 Euro. Demgegenüber kostet ein Raucher aber nur 220.000 Euro, was zu erwarten war. Erstaunt hat, dass nicht bloß Raucher günstiger waren, sondern auch die Dicken, die mit 250.000 Euro zwischen den Gesunden und den Rauchern liegen. Die rauchenden Dicken werden somit geradezu zu Financiers der Menschen, die gesund sterben wollen.
Niemand zweifelt daran, Rauchen ist ein tödlicher Unsinn. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist hingegen peinlich. Wer will schon zugeben, vom Tod eines Mitmenschen zu profitieren? Darum wird neuerdings das Passivrauchen dämonisiert. Die Anti-Raucher-Lobbyisten geben sich nicht einmal Mühe, reproduzierbare Zahlen zu erfinden. Zum Beispiel: Es gibt fast gleich viele Österreicher wie Schweizer. In Österreich wird aber offiziell verbreitet, dass vier Einwohner pro Tag am Passivrauch sterben, in der Schweiz nur einer! Dieser Unterschied kann nicht an der “gesunden” Schweizerluft liegen, sondern an “Vordenkern” aus Deutschland, denen alles nachgeplappert wird. Von den angeblich 3301 Deutschen, die jährlich am Passivrauchen sterben, sind allerdings zwei Drittel über 85 Jahre alt!
Wer derart mit Zahlen spielt, braucht weitere “Studien”, um den Passivrauch zu vernebeln. In der Schweiz hat das Bundesamt für Gesundheit eine Studie in Auftrag gegeben, um die Sozialkosten des Tabakkonsums zu berechnen. Man kam auf zehn Milliarden Franken. Die Hälfte davon sind allerdings immateriellen Gründen geschuldet wie etwa Kummer und Ressentiments der Angehörigen eines Kranken. Diese Zahlen wurden in den Medien meistens kritiklos übernommen, genauso wie die neueste “Studie” des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien.
Darin wurden die volkswirtschaftlichen Effekte des Rauchens für Österreich analysiert. Der fiskalische Nutzen wurde gegen die effektiven Kosten des Rauchens aufgerechnet. Die Studienautoren fanden eine Differenz von über 500 Mio. Euro, welche die österreichischen Raucher jährlich verursachen. Die Milchmädchenrechnung sollte mit einem Schlag unter den Tisch gekehrt werden. Ein paar Kunstgriffe waren allerdings notwendig, um den Rauchern eine Negativbilanz anzuhängen. Im Durchschnitt dürfen die Raucher jetzt nur noch fünf Jahre früher sterben, damit sie sich ja nicht rentieren.
Zweck heiligt Mittel
Gleichzeitig hängt man ihnen die Kosten für die Witwenpensionen an, und man führt hypothetische Kompensationszahlungen an Passivraucher ein. Um das Ganze zu verstärken, bedauert man, sogar zu tief geschätzt zu haben, schließlich fehlten Autounfälle von Rauchern, denen die Zigarette heruntergefallen sei. Woher kommt also die neuerliche Lust, gegen das Passivrauchen zu wettern? Einer der IHS-Autoren meinte, er wünsche sich ein rauchfreies Österreich. Das tönt so vernünftig wie ein genfreies Österreich! Die Kirchen werden sich nicht den Weihrauch wegnehmen lassen. Noch sind Motorräder mit röhrenden Auspuffen und Kamine zum Entspannen europaweit die Realität. Diese irrationalen Freuden sind erwiesenermaßen ebenso schädlich wie Passivrauchen.
Meldet sich jemand kritisch zur Passivrauchdebatte, wird ihm vorgeworfen, im Solde der Tabakindustrie zu stehen. Die österreichische Studie wurde von Pfizer finanziert. Der Zweck heiligt die Mittel. Der Pharmakonzern hat nämlich ein Wundermittel, mit dem man sich das Rauchen abgewöhnen kann. Das Medikament hat allerdings einen Imageschaden erlitten. Die “US Food and Drug Administration” untersucht, ob einige Patienten wegen des Medikaments in den Selbstmord getrieben wurden. Wir warten jetzt auf eine “Studie”, welche diese Todesfälle dem Passivrauchen zuordnet.

Zuerst erschienen in DER STANDARD vom 19.und 20. April 2008

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