Ulli Kulke / 20.02.2014 / 08:55 / 0 / Seite ausdrucken

Fall Schmitz erledigt?

Bei so schönem Wetter wollen wir das Klima mal Klima sein lassen und uns um die Berliner Landespolitik kümmern. Ich habe manchmal das Gefühl, es ist ungerecht, dass nur wir hier in der Hauptstadt so gut unterhalten werden von den so unterhaltsamen Volten vor allem unserer SPD-Politiker. Vom Flughafendesaster bekommt man ja auch “draußen im Lande” viel mit, habe ich mir sagen lassen, da darf ganz Deutschland immer wieder lachen. Etwa wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wegen absoluter Unfähigkeit und vor allem Nachlässigkeit im Amt völlig zurecht als BER-Aufsichtsratschef zurücktritt, genau denselben Job aber nach noch nicht mal einem Jahr wieder antritt.

Etwas Ähnliches, zwar eine Nummer kleiner aber mit mindestens genau solchem Unterhaltungswert, passierte jetzt. Kurzer Rückblick: André Schmitz, ehemaliger Kulturstaatssekretär (Kultursenator ist ja Wowereit selbst, das lässt er sich nicht nehmen) war von diesem Amt vor gut einer Woche zurückgetreten, weil er sein Schweizer Konto mit 400.000 Euro und die Zinseinkünfte aus demselben dem Finanzamt verschwiegen hatte. Sein Chef Wowereit wusste davon übrigens schon seit 2012, hat aber nichts gesagt – bis jetzt alles rauskam, und der Fall nicht mehr unter der Decke zu halten war.

Rücktritt, nun gut, dachte man, zurecht gehen dem Steuersünder da seine Beamtenbezüge und Pensionsansprüche verloren, aber so ist das eben. So sah es auch Wowereit und sein Senat. Fall erledigt?

Keineswegs. Jetzt, eine Woche später, auch hier die große Wende: Nein nein, sagte Schmitz, man habe ihn falsch verstanden. Er habe mitnichten um seine Entlassung gebeten, schon gar nicht bei Wegfall seiner Ansprüche. Er habe nur um die “Entbindung von seiner Tätigkeit als Kulturstaatssekretär” gebeten: Mit anderen Worten: Er will, als Konsequenz aus seinem Steuerskandal, ehrenwerterweise sich jetzt bereit erklären, mit seiner Arbeit aufzuhören, will nach Hause gehen, viellecht spazieren gehen, in Urlaub fahren, im Cafe Zeitung lesen und plaudern oder ähnliche harte Buße ableisten. Seine Ansprüche aber will er nicht aufgeben, soweit geht die Reue nicht. Erstmal drei Monate Fortdauer seiner bisherigen Bezüge, dann noch drei Jahre lang 71 Prozent davon, und im übrigen bleiben seine Pensionsansprüche natürlich erhalten. Nolens Volens schluckt der Senat diese Lesart, Schmitz’ Standpunkt ist rechtlich abgesichert.

So fallen Rücktritte von Politikern wegen deren Vergehen schwer. Sie gehen einfach nicht mehr zum Dienst und ansonsten bleibt alles beim Alten. Dass Politker unmittelbar nach einem Rücktritt nicht am Hungertuch nagen müssen, hat durchaus seinen Sinn. Damit soll verhindert werden, das sie bei politischen Entscheidungen allein und frei nach ihrem Gewissen entscheiden und im Falle, dass sie Beschlüsse von Partei oder Regierung nicht mehr mitragen wollen oder können, sich den Rücktritt offen halten. Im Falle von überführten Steuersündern unter ihnen (zumal wenn sie sowieso inzwischen fast zwei Jahre nach Überführung noch in Amt und Würde saßen), ist eine solche Regelung ein Witz (wie gesagt, an Witzen ist Berlin reich).

Wie es heißt, hat Schmitz als Kulturstaatssekretär gute Arbeit geleistet. Das macht seinen Rücktritt vom Rücktritt nicht ehrenwerter. Er weiß, dass er als 56jähriger, bestens vernetzter und qualifizierter Mann auch anderweitig zu Geld kommen kann, ohne dem Steuerzahler unverdient zur Last zu fallen. Und wenn jetzt gemunkelt wird, er wolle sein Übergangsgeld irgendwohin spenden, macht das die Unverschämtheit auch nicht besser. Mit welchem Recht nimmt er sich die Entscheidung heraus, Steuergelder, die er nicht mehr durch seine Arbeit verdient, irgendwohin zu verteilen, nur weil er selbst mal Steuern hinterzogen hat? Es passt ja auch irgendwie, warum soll er jetzt auf Steuergelder verzichten, wenn er damals aus der Schweiz schon keine Steuern bezahlt hat?

Regelmäßig bei solchen Vorfällen brummelt irgendwo immer irgendwer, man müsse das mit dem Übergangsgeld, dem Fortdauern der Bezüge und mit den Pensionen unbedingt sofort anders regeln. So auch dieses Mal. Und da nächste Mal bestimmt auch wieder.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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