Rainer Grell
Was Seyran Ateş, Güner Balci, Serap Çileli, Hamed Abdel-Samed, Necla Kelek und viele andere nicht geschafft habe, schaffen jetzt „Nazis in Nadelstreifen“ (NRW-Innenminister Ralf Jäger, SPD): Dass sich die Politik ernsthaft mit dem Thema „Islam“ und der Angst vor einer „Islamisierung Deutschlands und Europas“, eben des Abendlandes, auseinandersetzen will. „Es ist Aufgabe der Politik“, sagt Jäger, „diese Menschen mit Fakten und Tatsachen zu überzeugen.“
Während der Autor noch über den Unterschied zwischen Fakten und Tatsachen grübelt, liefert der diesjährige Vorsitzende der Innenministerkonferenz anhand der Parole der Pegida-Leute, „man sei dagegen, dass muslimische Frauen geschlagen werden“, gleich ein Beispiel für seine an „Fakten und Tatsachen“ orientierte Überzeugungsmethode: Die Pegida-Parole, die jeder unterschreiben könne, unterstelle nämlich „eine generelle Gewaltbereitschaft von Muslimen.“ „Das ist eine sehr subtile und infame Vorgehensweise, Fremdenfeindlichkeit zu schüren.“ Vielleicht sollte mal jemand Herrn Jäger auf die Erkenntnis seines Parteigenossen Kurt Schumacher aufmerksam machen: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“
Diese sieht in etwa so aus: Viele (wer weiß genau wie viele?) der in Deutschland lebenden Muslime (gemeint sind jetzt mal nur die Männer) gehen ihrer Arbeit nach, sind so friedlich wie du und ich und praktizieren einen Islam nach eigenem Gusto. Vor ihrer sexuellen Triebhaftigkeit brauchen sich muslimische Frauen nicht durch ein Kopftuch zu schützen, denn sie haben den „Prozess der Zivilisation“ (Norbert Elias) durchlaufen und halten nicht jede unverhüllte Frau für eine Hure.
Dass Männer ihre Frauen schlagen, ist kein muslimisches Spezifikum, sondern kommt „in den besten Familien“ aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen vor. Muslimische Männer haben aber bei ihrem kriminellen Tun (Paragraph 223 des Strafgesetzbuchs, StGB, eventuell auch 224 oder 226) den Vorzug, dass sie sich dafür auf den Koran berufen können: „Und jene [Frauen], deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet, ermahnt sie. Wenn sie nicht vernünftig werden, lasst sie allein in ihren Betten. Und hören sie trotzdem nicht auf, so schlagt sie“ (Sure 4, 34). Die gläubige niederländische Muslima ägyptischer Herkunft Nahed Selim kommentiert diese Passage so: „Der Schaden, den Vers 4:34 den Frauen überall auf der Welt zugefügt hat, ist nicht zu ermessen.“
Ähnlich sieht die Situation bei der Vergewaltigung in der Ehe aus. Sie ist in Deutschland seit 1997 ebenfalls strafbar (Paragraph 177 StGB nach Streichung des Merkmals „außerehelich“). Nach dem Koran ist die Frau dagegen Sexualobjekt des Mannes: „Die Frauen sind euer Saatfeld. So geht zu eurem Saatfeld, wie ihr wollt“ (Sure 2, 223). Hierzu schreibt Nahed Selim: „Dieser Text beschwört in mir das Bild einer Frau herauf, die ihr ganzes Leben nur passiv auf dem Rücken liegen darf, während ihr Mann sie pflügt, besät und bewässert.“
Neben dem Koran ist bekanntlich die Sunna (die Sammlung der Worte und der Taten des Propheten Mohammed) die zweite wichtige Quelle der islamischen Lehre. Der Gesandte Allahs ist nach dem Koran (Sure 33, 21) „ein schönes Vorbild“ für alle Muslime. Deswegen reagieren diese (natürlich nicht alle!) auch so allergisch auf die Beleidigung ihres Propheten, dessen Leben für sie das eines „vollkommenen Menschen“ ist.
Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM), in dem sich die vier großen islamischen Dachverbände DITIB, VIKZ, Islamrat und ZMD zu-sammengeschlossen haben, hat in seiner Geschäftsordnung vom 28. März 2007 bestimmt: „Koran und Sunna des Propheten Mohammed bilden die Grundlagen des Koordinierungsrats. Dieser Grundsatz darf auch durch Änderungen dieser Geschäftsordnung nicht aufgegeben oder verändert werden.“
Dieser letzte Satz erinnert an die „Ewigkeitsgarantie“ in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes, wonach dessen tragende Grundsätze (Föderalismus, Menschenwürde und Gewaltenteilung) vor jedweder Änderung geschützt sind. Das Grundgesetz spielt auch in der Geschäftsordnung des KRM eine Rolle: Er bekennt sich nämlich ausdrücklich „zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“.
Damit scheint alles in bester Ordnung. Aber der Teufel steckt ja bekanntlich im Detail. Wenn Koran und Sunna die unveränderlichen Grundlagen des KRM sind, stellen sich zwangsläufig folgende Fragen:
Integration:
Der Koran befiehlt den Muslimen: „O die ihr glaubt! Nehmt euch keine Ungläubigen zu Freunden vor den Gläubigen!“ (Sure 4, 144) oder „O die ihr glaubt! Nehmt nicht die Juden und die Nazarener zu Freunden. Sie sind einander Freunde. Wer von euch sie zu Freunden nimmt, der ist fürwahr einer von ihnen‘“ (Sure 5, 51). Ganz in diesem Sinne empfiehlt der islamische Rechtsgelehrte und Fernsehprediger (al Dschasira) Yusuf al-Qaradawi den muslimischen Immigranten, sich nach dem Vorbild der Juden in Ghettos zusammenzufinden: „Versucht inmitten der umfassenden Gesellschaft Eure eigene kleine Gesellschaft zu bilden, andernfalls löst ihr euch auf wie Salz im Wasser“. Die Wirklichkeit einiger Städte zeigt, dass die Mahnungen durchaus beherzigt werden.
Antisemitismus:
Ein Hadith (Ausspruch) des Propheten Mohammed, der sich wörtlich in der Hamas-Charta von 1988 findet, lautet: „Ihr werdet die Juden bekämp-fen, bis einer von ihnen Zuflucht hinter einem Stein sucht. Und dieser Stein wird rufen: ‚Komm herbei! Dieser Jude hat sich hinter mir versteckt! Töte ihn!’“ Dabei war Mohammed den Juden von Medina anfangs durchaus freundlich gesonnen, weil er hoffte, sie für seinen neuen Glauben zu gewinnen. Er machte sogar Jerusalem (al-Quds) zur Gebetsrichtung. Als aber der Stamm der Banu Quraiza in der so genannten Grabenschlacht mit den Mekkanern kooperierte, ließ er alle Männer (sein Biograph Ibn Ishaq spricht von 600 bis 900) auf dem Marktplatz von Medina enthaupten und die Frauen versklaven. Seither ist der Antisemitismus fester Bestandteil der islamischen Lehre, so dass die Muslimbruderschaft in Punkt 11 ihres Strategiepapiers vom 1. Dezember 1982 „Für eine weltweite Strategie in der islamischen Politik“ propagieren konnte: Man solle „ein Hassgefühl gegenüber den Juden nähren und jegliche Koexistenz verweigern“.
Menschenrechte
Wenn die Allgemeine Erklärung der Menschen-rechte der UNO als mit dem Islam vereinbar emp-unden würde, hätten die 57 Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC, damals noch Organisation der Islamischen Konferenz) nicht die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam vom 5. August 1990 verabschieden müssen. Deren Artikel 24 und 25 machen jedoch deutlich, warum dies geschah: „Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen Scharia“ und: „Die islamische Scharia ist die einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.“
In einem Aufsatz (Titel „The challenge of a single Muslim authority in Europe“) im Journal „European View“ des europäischen Think Tanks „Centre for European Studies“ bezeichnete der damalige Großmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Cerić, im Dezember 2007 die Scharia als „ewig, nicht verhandelbar und unendlich“. Die Scharia, die er meinte, sei allerdings nicht identisch mit dem “angewandten islamischen Recht”, sondern ein Synonym für die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf.
Demokratie
„Ich sage es Euch Muslimen in aller Offenheit, dass die säkulare Demokratie in jeder Hinsicht im Widerspruch zu Eurer Religion und zu Eurem Glauben steht (...) Der Islam, an den Ihr glaubt und wonach Ihr Euch Muslime nennt, unterscheidet sich von diesem hässlichen System total (...). Selbst in Bagatellangelegenheiten kann es keine Übereinstimmung zwischen Islam und Demokratie geben, weil sie sich diametral widersprechen.“ Diese Sätze stammen zwar von Sayyid Abu Al-Ala Maududi, einem Gelehrten, der für eine fundamentalistische Auslegung des Korans stand. Aber auch der bosnische Politiker und Muslim Alija Izetbegović vertritt „die Unvereinbarkeit des Islam mit nicht-islamischen Systemen. Es kann weder Frieden noch Koexistenz zwischen der islamischen Religion und nichtislamischen gesellschaftlichen und politischen Institutionen geben.“ - „Sobald die islamische Bewegung stark genug ist, muss sie die Macht übernehmen und eine islamische Republik schaffen.“ Angesichts derartiger Äußerungen stellt Hamed Abdel-Samad fest: „Die weltliche Seite des Islam und die Demokratie vertragen sich wie Spinat und Tiramisu.“
Weltgeltungsanspruch
Der Islam wird von Muslimen gerne als „Religion des Friedens“ bezeichnet, die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam spricht in Artikel 10 vom Islam als „Religion der reinen Wesensart“. Bis dieser Zustand erreicht ist, also alle Menschen im „Haus des Islams“ (dar al-Islam) leben, wird es zwar noch dauern. Aber alle Muslime sind zur Dawa, der Einladung zum Islam, aufgerufen, getreu dem Auftrag ihres Vorbild Mohammed: „Ich wurde angewiesen, die Menschen zu bekämpfen, bis sie bezeugen, dass es keinen Gott außer Gott gibt und Muhammad der Gesandte Gottes ist, bis sie das Gebet verrichten und die gesetzliche Abgabe bezahlen. Kommen sie diesen Forderungen nach, so sind ihr Leben und ihre Habe vor mir sicher. Sie unterstehen dann einzig dem Gesetz des Islams, und Gott wird sie richten.“
Zu all diesen und zahlreichen weiteren Punkten wird die Politik also demnächst Fakten und Tatsachen liefern, um die Skeptiker in diesem Lande davon zu überzeugen, dass die Sorge um die Islamisierung Deutschlands und Europas ein reines Phantasieprodukt ist. Als erstes wird vermutlich Innenminister Thomas de Maizière die Repräsentanten des Koordinierungsrats auffordern zu erklären, wie sie denn zu den genannten Punkten stehen.
Dann wird Bundespräsident Gauck der neugierigen Bevölkerung erläutern, welchen Islam sein Vorgänger gemeint hat, als er erklärte, dieser gehöre auch zu Deutschland. Dass es nicht der Islam der Salafisten ist, hat sich ja mittlerweile herausgestellt. Nicht wenige behaupten, dass es „den“ Islam ebenso wenig gibt wie „die“ Muslime. Aber das scheint nicht in jedem Kontext zu gelten, sonst könnte es Sätze wie den von Wulff und auch einige Äußerungen von Aiman Mazyek und anderen nicht geben, in denen „die Muslime“ eine Rolle spielen.
Hoffen wir zum Schluss auf eine kritische Öffentlichkeit, die die Politiker immer wieder an die in Aussicht gestellten Fakten und Tatsachen erinnert und sich nicht mit den üblichen Worthülsen abspeisen lässt.
Rainer Grell, leitender Ministerialrat i. R., zuletzt Abteilungsleiter im Innenministerium von Baden-Württemberg.