Dirk Maxeiner / 20.03.2009 / 09:20 / 0 / Seite ausdrucken

Ein höllisch guter Film

Von Maxeiner & Miersch erschienen in DIE WELT vom 19.3.2009

Seit dem 11. September 2001 ist Religion ein Dauerthema. In den Jahrzehnten davor wurden fromme Neigungen eher wie ein kurioses Hobby betrachtet. Heute brüstet man sich wieder mit strammem Glauben. Die Wiederkehr der Frömmigkeit in die gebildeten Kreise wird von raunenden Geistern von Botho Strauß bis Peter Scholl-Latour begrüßt. Sie sind davon überzeugt, dass man den islamischen Gotteskriegern nur standhalten könne, indem man sich wieder um das Kreuz schart.

Da kommt zur rechten Zeit ein Film, der mit viel Witz dagegenhält und ein paar fundamentale Fragen stellt. Zum Beispiel: Was glaubt ihr da eigentlich? Er heißt “Religulous” und stammt von dem amerikanischen Regisseur Larry Charles, der den Kabarettisten und Talkmaster Bill Maher auf eine denkwürdige Reise schickte. Maher besucht Fernsehprediger, Rabbiner, Imame, Jesusdarsteller, Devotionalienverkäufer, Ex-Satanisten und was die Welt der (Aber-)Gläubigen sonst noch zu bieten hat. Er liest seinen Gesprächspartnern Zitate aus ihren heiligen Büchern vor und fragt, ob und warum sie daran glauben. Das ist wunderbar komisch und zeigt: Um all das ernsthaft zu glauben, muss man den Verstand unterdrücken.

Ja, stimmt schon, natürlich gelingt es manchen Menschen auch unter Benutzung ihres Verstandes zu glauben. Wir wissen auch, dass die schrecklichsten totalitären Regime des 20. Jahrhunderts nicht religiös waren (obwohl sie viele ersatzreligiöse Züge trugen). Dennoch kann man nicht behaupten, dass die Welt durch die Rückkehr der Religion auf die Tagesordnung irgendwie besser geworden sei. Es bleibt eine Tatsache, dass die meisten Massenmörder unserer Zeit glauben, in Gottes Auftrag zu handeln.

“Religulous” hat sich die Absurdität göttlicher Aufträge zum Thema gemacht. Natürlich suchten sich Maher und Charles besonders schräge Vögel aus: Schwule, die mithilfe von Jesus hetero wurden, Rabbiner, die Ahmadinedschad umarmen oder britische Rapper, die um Verständnis für islamischen Terror werben. Doch durch die Hervorhebung des Bizarren wird kenntlich, was es bedeutet, Irrationalität als geistiges Fundament zu akzeptieren.

Manche Gläubige kommen in dem Film durchaus sympathisch rüber. Die schwergewichtigen Jungs in einer kleinen Trucker-Kirche in North Carolina möchte man gern zum Kumpel haben. Zwei hochrangige Gelehrte des Vatikans glänzen mit Klugheit und Humor. Und der Vertreter der niederländischen Cannabis-Kirche wirkt angenehm entspannt. Der Schwerpunkt liegt natürlich bei den anderen: den Scharlatanen, den Abzockern und den Fanatikern, die sich im Besitz ewiger Wahrheiten wähnen.

Schade, dass viele Menschen auf der Welt diesen Film nicht sehen dürfen. Gut, dass er uns daran erinnert, dass der Westen zwar jüdisch-christliche Wurzeln besitzt, durch die aber zum Glück der Lebenssaft der Aufklärung fließt.

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