Rainer Bonhorst / 02.12.2014 / 04:52 / 5 / Seite ausdrucken

Die große Fussball-Tragödie

Zugegeben: Es ist wichtig, die vielen mittleren Probleme offen anzusprechen, die uns plagen. Die teuere deutsche Klimareligion zum Beispiel, den linken und rechten Antisemitismus, den billigen Antiamerikanismus und den mörderischen Islamismus. Aber was ist das alles gegen die große Tragödie, die dieser Tage die Fußballwelt erschüttert? Hat bei der Achse denn niemand ein Mitgefühl mit den Herren Klopp und Co? Fühlt sich niemand ins Herz getroffen beim Anblick der Borussia Dortmund auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga?

Borussia Dortmund, dieser schwarzgelbe Wirbelsturm, war doch die einzige Hoffnung im Kampf gegen die Fußball-Diktatur von Bayern München. Und nun wird die Alleinherrschaft der Bayern durch den Leidensweg der Borussen zementiert. Jetzt kann man die Bayern nur noch durchwinken. Wozu sollen sie überhaupt noch auf den Plätzen der Liga erscheinen, wenn doch jeder weiß, wer nach dem Spiel als Sieger heimfährt?

Gibt es Alternativen für die verlorene Rolle Dortmunds als Bayernjäger? Wolfsburg? Leverkusen? Mönchengladbach? Bei aller Liebe: Man darf bezweifeln, dass sie die revolutionäre Durchschlagskraft haben, um der Bayern-Tyrannei ein Ende zu bereiten. Oder etwa Augsburg, das sich nun an vierter Stelle, also 14 Stellen vor Dortmund aufhält? Zwar hat der FC Augsburg die Bayern neulich schon mal geschlagen. Aber ein Sieg macht noch keine Revolution. Nein, ohne Dortmund sieht die Lage an der Bundesliga-Revolutionsfront gegen die Bayern-Herrschaft düster aus.

Trainer Jürgen Klopp gibt zu, ratlos zu sein. Die Spieler verlassen nach jedem Abpfiff bedröppelter den Platz. In den letzten zehn Spielen gab es nur einen Sieg. Und den erzielten die Dortmunder nicht selber. Ihr Eins zu Null war ein Eigentor, das der Mönchengladbacher Kramer ins Netz zirkelte. Aus über 40 Metern Entfernung. Solche Fernschuss-Eigentore sind selten, sehr, sehr selten. Sie sind keine Basis für künftige Siege.

Andererseits: Gerade die hoffnungslose Lage der Dortmunder beweist, dass auch Giganten fallen können. Kann, was der Borussia passierte, nicht auch mal den Bayern passieren? Könnte nicht auch den Münchenern der Faden reißen? Sind sie immun gegen einen Absturz in den Tabellenkeller? Nein, im Fußball ist niemand immun. Selbst viel Geld kann ein Unglück nicht verhindern. Ich sage das, ohne dabei an den Namen Hoeneß denken.

Womit wir endlich bei der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Dortmunder Tragödie und des ewigen Münchener Triumphes angekommen wären. Man kann sie folgendermaßen zusammenfassen:

Das Auseinanderklaffen von München und Dortmund führt zu Zerreißproben, wie wir sie seit der deutschen Teilung nicht mehr kennen. Was ist die westöstliche Mauer in den Köpfen gegen die verschärfte Aufspaltung Deutschlands in Bayern-Verehrer und – nördlich der Mainlinie – Bayernverabscheuer?

Und dann die doppelte Zerreißprobe im Ruhrgebiet. Die traditionelle und für alle befriedigende Hassdualität von Schalke und Borussia ist aus den Fugen geraten. Die gesunde Feindschaft der Gelsenkirchener gegenüber den Dortmundern weicht einem merkwürdigen Gefühl des Mitleids. Ja, es droht sogar eine westöstliche Ruhrgebietssolidarität gegen den Bayernhochmut. Es ist nicht mehr auszuschließen, dass Schalke-Fans den Dortmundern endlich einen Sieg gönnen, nur um den Bayern eines auszuwischen.

Kurzum: Es muss etwas geschehen. Entweder die Wölfe oder die Gladbacher oder von mir aus auch die Leverkusener entwickeln sich zu ernst zu nehmenden Bayernjägern. Oder wir brauchen einen Solidaritätspakt Dortmund. Dann sollte es die Pflicht eines jeden west- und norddeutschen Vereins sein, wenigstens einmal gegen die Borussia zu verlieren, damit sich Dortmund wieder in die Führungsetage der Bundesliga integrieren kann. Notfalls mit Hilfe eines Integrationsbeauftragten, der bei Bedarf den Borussenball persönlich ins gegnerische Tor trägt oder beim Gegner die notwendigen Selbsttore in die Wege leitet.

Das mag übertrieben klingen. Aber es geht um nichts Geringeres als den ohnehin prekären bayerisch-preußischen Frieden.

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Johann Prossliner / 03.12.2014

“Die teuere deutsche Klimareligion, den linken und rechten Antisemitismus, den billigen Antiamerikanismus und den mörderischen Islamismus.” Damit hat der Autor die deutsche Fuißballtragödie mit den Farben der Stadt München (schwarz-gelb) derart relativiert, dass man das auch eine Ironisierung nennen kann.

Waldemar Undig / 02.12.2014

Von mir aus kann Dortmund ruhig absteigen. Es kommen ja immer so tolle Newcomer in die erste Liga. Letztens Paderborn, demnächst könnte es Ingolstadt sein. Wenn dieser Trend anhält, dann wird im Verlaufe der nächsten Million Jahre auch mal ein erfolgreicher Bayernverfolger dabei sein. Sagt die Evolutionsbiologie.

Martin Marhoff / 02.12.2014

Ich freue mich für Uli Hoeneß, dass der FC Bayern München wieder deutscher Meister wird!

Ulrich Berger / 02.12.2014

Schon seit längerer Zeit führe ich im Kopf eine ziemlich subversive Idee spazieren, die ebenfalls eine BL-übergreifende Anti-Bayern-Solidarität erfordert - allerdings eine ziemlich skurrile Art davon: Sollen sich doch die Mannschaften alle einigen, vom Anstoß weg ein Spalier aus Spielern (eine Art Gasse) zu bilden und den Bayern sofort widerstandslos den Ball zu überlassen. Die Spieler (5 links, 5 rechts, Torwart am Pfosten lehnend - ein “1-5-5”-System) kehren dabei dem Spielfeld den Rücken zu, schauen also die Zuschauer mit dem Gesicht an und die Bayern-Spieler mit dem A****. Das Ergebnis einer solchen BL-Saison würde sich vom gegenwärtigen Zustand nur marginal unterscheiden, von einer Wettbewerbsverzerrung oder Unsportlichkeit könnte also keine Rede sein. Aber der psychologisch-moralische Effekt könnte sehr interessant und sehr erfreulich werden… MIR gefällt diese Idee ausnehmend. :-) Beste Grüße, Ulrich Berger

Gerhard Sponsel Lemvig / 02.12.2014

Gelebte fränkische Solidarität ! Eigentlich kann in Zukunft nur der 1. FC Nürnberg den Bayern nachhaltig Paroli bieten. Als geborener Franke bin ich davon zu 100% überzeugt.  Nur da Glubb hod dess Bodenzial dazou.  Schauen sie,  damals nach einem nur mageren 1:0 Heimsieg über den FC Bayern München wurde Trainer Willi Entenmann gefeuert. Wer erinnert sich nicht gerne daran.  Der biedere Schwabe genügte einfach den Ansprüchen des Club nicht. Und den Solidaritätspakt mit Dortmund hat der Club in der 1. Bundeslige immer eingehalten. Damit die Borussia nicht in Abstiegsnöte kam, hod da Glubb die sowieso fasd imma gwinna lossn.

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