Henryk M. Broder / 12.07.2007 / 20:23 / 0 / Seite ausdrucken

Der Wallraff-Test

Ich widerspreche meinen Freunden Alan und Hannes nur ungern, noch ungerner bin ich mit Frau Z. einer Meinung, aber es muss sein. Wallraff spinnt. Sein Vorschlag, die Satanischen Verse von Rushdie in der neuen Kölner Mega-Moschee zu lesen, ist die Art von Unsinn, der “gut gemeint” mit “gut gedacht” verwechselt. Die meisten Muslime hätten das Buch gar nicht gelesen, sagt Wallraff, und diesem Defizit will er nun abhelfen.
Wenn die Unkenntnis eines Werkes die Ursache für die Empörung ist, die es auslöst, dann wird Wallraff demnächst viel zu tun haben. Er wird ganz Arabien bereisen, um den Menschen die Mohammed-Karikaturen zu zeigen, über die sie sich den Arsch vor Aufregung aufgerissen haben, ohne sie gesehen zu haben; und wenn er mit diesem Job fertig ist, wird er durch den amerikanischen Bible-Belt touren, um die “Kreationisten” mit den Arbeiten von Darwin vertraut zu machen. Danach wird er sich auf den Weg nach Indien machen, um den Hindus beizubringen, wie man einen Tafelspitz macht. Dermaßen gestählt, kann er dann gläubigen Juden den Unterschied zwischen “Kasseler” und “Eisbein” erklären.
So wie zur Religiongsfreiheit die Freiheit gehört, keine Religion zu praktizieren, gehört zur Meinungs- und Informationsfreiheit die Freiheit, keine Meinung zu haben und sich nicht informieren zu wollen. Jeder muss die Möglichkeit haben, ein Buch lesen zu können, keiner kann dazu gezwungen werden, es zu lesen oder sich vorlesen zu lassen. Wenn Moslems eine Moschee nicht für eine Rushdie-Lesung bereit stellen wollen, dann ist das ihr gutes Recht. Sie haben nur kein Recht, mich daran zu hindern, eine Rushdie-Lesung zu besuchen oder irgendeinen Autor zu bedrohen, wenn er etwas schreibt, das sie nicht lesen mögen. So wie Juden unkoscheres Essen verweigern dürfen und Katholiken keinen Atheisten als Sonntagsprediger beschäftigen müssen.
Und jetzt gehe ich mit Stephan Pelmeni essen.

http://www.taz.de/index.php?id=start&art=1789&id=491&cHash=4098e34d51
Siehe auch: http://lizaswelt.blogspot.com/2007/07/wallraffpdagogik.html
und: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/669619.html
hier vor allem den letzten Absatz

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