Andreas Scheuer tritt selten mit feinsinnigen, sanften oder gar politisch korrekten Aussagen hervor. Das hat mit seinem Job zu tun. Er ist Generalsekretär der CSU. Sein Auftrag lautet: Hau den Lukas! Wäre Herr Scheuer zu scheu, um auf die Pauke zu hauen, würde er seinen Dienstauftrag vernachlässigen. Meines Wissens ist er allerdings der erste CSU-Generalsekretär, der einen Senegalesen in die bayerische Politik eingeführt und damit im Freistaat ein Erdbeben ausgelöst hat.
Dabei ist Scheuers Senegalese eher ein Zufallsprodukt. Er hätte auch einen Kongolesen oder einen Sierra-Leonesen nehmen können. Die Aufregung wäre genauso groß, wie sie jetzt um seinen Senegalesen tobt. Nun hat er sich aber einen Senegalesen herausgegriffen. Und dabei ist er auf seine Ministranten- und Fußball-Strategie gestoßen: „Einen Fußball spielenden, ministrierenden Senegalesen kriegen wir nie wieder los.“
Also, ich muss sagen, wenn ich ein Senegalese auf Asylsuche wäre, würde ich mich auch nicht allein auf die zuständige amtliche Prüfstelle verlassen. Ich würde mich, wenn möglich, rückversichern. Im Land der Christsozialen und des FC Bayern schiene mir eine ehrenamtliche Tätigkeit als Ministrant und die Mitgliedschaft in einem Fußballverein eine sichere Nummer zu sein. Ich bekäme elf Freunde: zehn Mitspieler und einen Pfarrer. Wenn das nicht hilft, hilft in Bayern gar nichts mehr.
Ich weiß nicht, wie viele Senegalesen in Bayern Fußball spielen und ministrieren
Ist Andreas Scheuer also ein Senegalesen-Versteher? Wenn ja, dann keiner im Sinne unserer Willkommenskultur. Er will ja den Senegalesen, dessen Taktik er so exakt erkundet hat, gar nicht bei sich in Bayern haben. Oder wenn er schon da sein sollte, würde er ihn gerne wieder los werden. Aber genau das scheint ihm nicht zu gelingen. Bleibt die Frage: Liegt der CSU-Mann mit seiner Lagebeschreibung falsch? Wohl kaum. Aber gerade das macht die Sache so brisant. Denn in Deutschland können Fakten in doppelter Weise als störend empfunden werden.
Scheuer hadert mit der Tatsache selbst. Also mit der Unmöglichkeit, einen Fußball spielenden Ministranten aus dem Senegal wieder aus Bayern vertreiben zu können. Seine grünen, roten und frommen Gegner hingegen haben ein anderes Problem. Sie ärgert, dass Scheuer so unhöflich ist, diese offenkundige Tatsache offen auszusprechen. Es gibt nun mal Dinge, die man in der Welt der politisch Korrekten nicht erwähnt. „Pas devant les enfants,“ sagten vornehme Eltern im viktorianischen England, wenn bei Tisch etwas Anrüchiges zur Sprache kam. Dabei vergaßen sie, dass die Kinder in der Schule französisch lernten.
Ich weiß nicht, wie viele Senegalesen in Bayern Fußball spielen und ministrieren. Die Zahl könnte niedrig sein. Einstellig? Gegen Null tendierend? Aber ich könnte mir vorstellen, dass es demnächst mehr sein werden. Dass die Aufregung um Scheuers Kick- und Bet-These in senegalesischen Kreisen möglicherweise als Anregung ankommt. Und ich würde mich nicht wundern, wenn der Run auf die Fußballvereine und in den Kirchendienst nicht auf Senegalesen beschränkt bliebe sondern auch Kongolesen und Sierra-Leonesen erfassen würde.
Die Lage erscheint im Scheuerschen Sinne aussichtslos. Sogar auf dem Oktoberfest sollen schon die ersten Senegalesen in Lederhose und Haferlschuhen gesichtet worden sein. Kann man derart integrierte Afrikaner noch abschieben? Ich sehe da schwarz.
Und die Grünen, die Roten und die Kirchfürsten? Die haben dank Scheuer eine unverhoffte Empörungs-Gaudi. Claudia Roth wird demnächst wohl mit einem Senegalesen an der Hand die Wiesen besuchen und/oder mit ihm zur Kirche gehen. Und der Senegalese wird ihr die Abseitsregel erklären.