Henryk M. Broder / 15.07.2013 / 10:24 / 5 / Seite ausdrucken

Der doppelte Jürgen und die beiden Testamente

Welt online berichtet heute über ein Interview, das Jürgen Trtittin (früher KB, heute grüne Volksfront) über die skandalösen deutschen Reaktionen auf den NSA-Abhörskandal SPIEGEL online gegeben hat. Darin geriert sich Trittin wie ein Superpatriot, nennt Kanzlerin Merkel, Innenminister Friedrich und Außenminister Westerwelle “die drei Affen”, die “nichts sehen, nichts hören, nichts sagen” und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger “einen Papagei, der immer dazwischen plappert”. Außerdem legt er die Grenzen der zulässigen Zusammenarbeit mit den Amerikanern fest: “Unsere Wirtschaft darf nicht ausspioniert werden. Und unser geistiges Eigentum muss geschützt bleiben.” - Ja, unsere Wirtschaft, unser geistiges Eigentum - zu beiden nationalen Assets der Deutschen hat unser Jürgen wesentlich beigetragen.

Nach dem Griff zu Brehms Tierleben zeigt unser Jürgen, dass er nicht nur was von Zoologie versteht, sondern auch ein Fachmann fürs Theologische ist. Innenminister Friedrich, sagt er, habe es versäumt, bei seinem Besuch in Washington gegen “die millionenfache Verletzung unserer Bürgerrechte” zu protestieren. Offenbar habe die Bundesregierung vor, “auf alttestamentarische Art die andere Wange auch noch hinzuhalten”. So stehts auf Welt online als Zitat aus dem Interview auf Spiegel online.

Schaut man dann bei Spiegel online nach, steht da nur noch als O-Ton Trittin: “Da erwarte ich von der Bundesregierung ein Engagement. Stattdessen scheint sie die andere Wange auch noch hinzuhalten.” Irgendjemand bei SPON muss den Satz nachredigiert und den Hinweis auf die “alttestamentarische Art”, mit der die deutsche Regierung auch noch “die andere Wange” hinhält, rausgenommen haben, ohne ihn, was nur konsequent wäre, mit dem Zusatz “auf neutestamentarische Art” zu ergänzen. Möglicherweise hat die andere Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die als “Theologin” gilt, weil sie ein paar Semester Theologie studiert hat, dafür gesorgt, dass Trittins Fauxpas korrigiert wurde. Im Alten Testament steht nicht, dass man auch die andere Wange hinhalten, sondern dass man “Auge um Auge, Zahn um Zahn” Strafe üben soll, was übrigens für damalige Zeiten ein enormer Fortschritt war. Die Sache, dass man auch die andere Wange hinhalten soll, wenn man geschlagen wird, steht im Neuen Testament.

Aber das muss der andere Spitzenkandidat der Grünen nicht wissen. Denn das Alte Testament unterscheidet sich vom Neuen Testament etwa so wie der KB von den Grünen. Also etwa so wie der neue Jürgen von dem alten.

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Erik R. Horter / 16.07.2013

Ob nun Kommunismus oder Ökologismus - Ersatzreligionen sind beide. So gesehen ist Trittin selbst ein echter Prediger, wieso sollte er sich dann noch mit Allgemeinbildung belasten und das Wahlprogramm der Konkurrenz kennen? Dass ein Grüner zum Patrioten wird, wenn es darum geht, dem Antiamerikanismus zu frönen, verwundert auch kaum. Erstens wäre es nicht auszudenken für Trittin und Co., die deutsche Wirtschaft könnte Schaden nehmen, am Ende könnte für die Grünen nicht mehr genug übrig bleiben, was mit deren Steuerplänen zu zertrümmern wäre. Zweitens gehört der Antiamerikanismus neben dem Sozialismus, der Gentechnikverachtung, der Verbundenheit zum heimischen Boden und dem allgemeinen Hang zum autoritär Bevormundenden ohnehin zu den Gemeinsamkeiten der Grünen mit der NPD. Da der Antiamerikanismus in Deutschland auch generell zum guten Ton gehört, in manchen akademischen Kreisen könnte man diesbezüglich meinen, dass die Idiotie proportional zum akademischen Grad steigt, an der Uni Trier findet man „Snowdon Asyl“ und „Stopp NSA“ Aufschriften, kann sich das Thema des Daten – „Skandals“ eigentlich keine Partei entgehen lassen. Damit kann die Regierung Autorität und die Opposition Moral heucheln, SOKOs und Ausschüsse werden gefordert, ohne am Ende ein Ergebnis vorzuweisen zu müssen, der Gegner ist im Zweifel gar so mächtig. So kommt man bequem durch den Wahlkampf 2013, ohne sich die Frage gefallen lassen zu müssen, ob die bundestagsweite Harmonie in Sachen Euro-Rettung angebracht ist, angesichts von Meldungen, dass Zypern das Sparprogramm nicht erfüllen kann und Griechenland auch nur 60% der Vorgaben erfüllt, dort nach dem 22.09. ein weiterer Schuldenschnitt droht, für den auch Deutschland bezahlen müsste. Da hört Trittins Patriotismus dann vermutlich auf.

Lutz-Michael Henjes / 15.07.2013

Herr Trittin hat ja nun erreicht was er im kommunistischen Bund nicht geschafft hat: eine Diktatur. Eine Diktatur der angeblichen Ökologie. Wenn ich durch Sachsen-Anhalt fahre, weiß ich was auf uns zukommt (Windräder ohne Ende und Solarparks mit über 50 Hektar auf dem besten Boden für Grundnahrungsmittel, die es gibt). Früher dachte ich, dass zu den Organismen der Ökologie auch Menschen gehören. Das habe ich mir inzwischen abgeschminkt.

Jemeljan Pugatshow / 15.07.2013

Interessant, dass Trittin jetzt den Wahrer deutscher Interessen mimt, während er bei der jahrelangen Industriespionage durch China, die u. a. auch für den kompletten Zusammenbruch der von den Grünen so geliebten (und subventionierten) Solarindustrie mitverantwortlich ist, auffällig geschwiegen hat. Ein Heuchler reinsten Wassers, der ein bisschen Wahlkampf spielt, weil er ein Aufreger-Thema wittert. Das ist so durchschaubar, dass es langweilig ist. Und im Polit-Theater Deutschlands ist nichts übler als Langeweile. Setzen, Herr Trittin, 5-, Thema verfehlt. Das sage ich in alttestamentarischer Strenge.

Paul H. Ertl / 15.07.2013

Unser Jürgen weiß ja auch, wie viele Gigabytes man braucht, um die “Energiewende” erfolgreich zu gestalten. Wissen ist Macht, wenn man nichts weiß, macht’s auch nicht; jedenfalls nicht, wenn man als Altsektierer Liebling der Qualitätsmedien ist.

Maria-Anna Konietzko / 15.07.2013

Mich ärgert an den Aussagen Trittins besonders die Unverschämtheit, mit der er von der völligen Verblödung der Wähler ausgeht. Aber leider hat er damit ja großenteils recht: unsere Politiker können unaufhörlich den größten Mist von sich geben, lügen, daß sich die Balken biegen, der Wähler - vor allem der rot-grüne Wähler - geht trotzdem schön brav zur Urne und gibt ihnen seine Stimme. Trittin, der selbst Mitglied einer deutschen Regierung war, ist mit Sicherheit über die Praxis der US-Überwachung genauso informiert wie alle übrigen Politiker, die uns heute die Überraschten vorspielen (und meiner Meinung nach kann man sich auch ohne entsprechende Information, nur mit dem gesunden Menschenverstand, diese Überwachungspraxis vorstellen. Die natürliche Aufgabe aller Geheimdienste ist nun mal Spionage!). Dieses Schauspiel ist erbärmlich, wie es aber genauso erbärmlich ist, dass der deutsche Michel es wohl genau so hören möchte.

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