Ivo Bozic / 02.01.2015 / 13:19 / 3 / Seite ausdrucken

Dasselbe in Braun

Die wenigsten Dummen sind so dumm, dass sie nicht zumindest ahnen oder befürchten würden, dass sie etwas übersehen haben könnten bei ihrer Erklärung der Welt. Es bedarf des Schutzes der Masse und eines ganz besonders Dummen, der dazu noch schamlos ist und die Öffentlichkeit sucht, dann erst trauen sich auch die Normaldummen aus ihrer Deckung. Die Montagsmahnwachen mitsamt Esoterikern, Verschwörungsideologen und dubiosen Reichsbürgern hatten den Mumm, ihre Dummheit zur Schau zu stellen. Hooligans und Pegida-Rassisten folgten. Das Jahr 2014 war das Jahr, in dem die Vollpfosten auf die Straße gingen.

Worum geht es bei Pegida? Dem Namen nach »gegen die Islamisierung des Abendlandes«. Doch im Positionspapier von Pegida tauchen Worte wie das Wort »Islam« oder »Islamismus« nicht ein einziges Mal auf. Von den 19 Forderungen beschäftigen sich nur vier im allerweitesten Sinne mit dem Islam, wenn man denn eine Forderung wie »Für sexuelle Selbstbestimmung!« so deuten will. Anstoß für ihren Protest war nach Auskunft der Organisatoren eine Demonstration der »Antifa«, die »Waffen für die PKK« gefordert hatte. Statt sich dieser Demonstration für den Kampf gegen Islamismus anzuschließen, sah man sich durch Antifaschisten und Kurden überfremdet. Auch den Plakaten und den Äußerungen der Pegida-Anhänger zufolge sind diese weniger über eine Islamisierung besorgt, vielmehr lehnen sie die »Lügenpresse«, Ausländer allgemein und Flüchtlingsheime in der Nachbarschaft ab. »Wir sind das Volk«, behaupten die Demonstranten. Dem ARD-Magazin »Panorama« gelang es, einige von ihnen zu interviewen. Vom Islam war da kaum die Rede, stattdessen gab es dumpfen Rassismus und antisemitische Verschwörungstheorien. »Die Befehle kommen aus Tel Aviv!« war da zu hören. Und: »Wir sind ein besetztes Land. Nur weil wir zwei Kriege verloren haben, müssen wir uns alles gefallen lassen!«

Insgesamt entsprechen die Äußerungen ungefähr dem, was die deutsche Facebook-Seite »Anonymous.Kollektiv« bereits im April 2014 durchs Internet raunte: »Die Zeit ist gekommen, dass sich das deutsche Volk erheben muss. Wir sind in einem Teufelskreislauf aus Selbsthass, Schuldbewusstsein, Tabuthemen, Geschichtsfälschung, politischer Korrektheit, Zensur, Manipulation, Gehirnwäsche und Propaganda gefangen. Deutschland ist ein besetztes Land, wird von der BRD-GmbH verwaltet und die Deutschen sind das Personal.« Deutschland solle sich erheben gegen »Feminismus-Wahn«, »Multikulti und Masseneinwanderung«. Das »Anonymous.Kollektiv« rief damit aber nicht zu einer Pegida-Demo auf, sondern zu den »Friedensmahnwachen«, aus denen jetzt der »Friedenswinter« hervorgegangen ist.

Mitte Dezember hat die neurechte Facebook-Seite ihre Einstellung angekündigt. Die »Mission« sei beendet, weil die »Deutschen erwacht« seien. Ob die vermeintliche Anonymous-Gruppe die Deutschen beim Friedenswinter-Auftakt vor dem Schloss Bellevue erwacht sah oder bei den Pegida-Demonstration in Dresden (»Deutschland wacht auf!« hieß es stolz auf der Pegida-Website), ist unklar – aber vermutlich meinte sie beides. Weshalb sollte sie da Unterschiede machen? Jürgen Elsässer und sein Magazin Compact tun das ja auch nicht. Sie wirbelten erst für die »Friedensmahnwachen« und dann übergangslos für Pegida. Es gibt mehr Ähnlichkeiten als Verschiedenheiten. Das völkische Aufbäumen wird nur einmal eher links, und einmal eher rechts kodiert, so können alle mitmachen. Beide klagen, das deutsche Volk werde fremdbestimmt, ausgenommen und marginalisiert. Bei Pegida sind diese Fremden die Ausländer und Flüchtlinge, beim Friedenswinter das internationale Kapital, die Fed, Brüssel, die USA und Israel. Die Pegida-Organisatoren gaben gegenüber n-tv freimütig zu, dass Kontakte zur Mahnwachenbewegung bestehen.

»Anonymous.Kollektiv« macht jetzt übrigens doch weiter – mit Putin-Propaganda, Antiamerikanismus und Pegida-Unterstützung. Die Mahnwachenbewegung wird ausdrücklich als »Konkurrenz zur Pegida« bezeichnet, denn man buhle »um die selbe Zielgruppe«. Da heißt es: »Wir müssen die Gelegenheit am Schopfe packen und uns – falls notwendig auch mit russischer Hilfe – aus dem Korsett befreien, dass uns die amerikanischen Okkupanten 1945 aufgezwungen haben.« Auch auf Pegida-Veranstaltungen wurde die »Kriegstreiberei« der Bundesregierung gegen Russland kritisiert, auf Plakaten war zu lesen: »Frieden mit Russland« und »Putin, hilf uns!« Auf Russlands Hilfe baut auch der Friedenswinter: Die Großkundgebung Mitte Dezember in Berlin wurde von einer Reporterin des russischen Propagandasenders Russia Today moderiert.

Bei Pegida von einer »islamfeindlichen Bewegung« zu sprechen, wie es die sogenannten Systemmedien in trauter Eintracht mit Russia Today landauf, landab tun, ist völlig unangebracht. So wenig wie es Pegida um den Islam geht, geht es der Mahnwachen- und neuen Friedensbewegung um Frieden. Wir haben es vielmehr mit einer völkischen Bewegung zu tun, die derzeit noch zwei Flügel hat und die insgesamt der Putinschen Paranoia folgt, von fremden Mächten umzingelt zu sein. Lediglich in ihrem Rassismus gegenüber Migranten unterscheiden sich beide Flügel – vordergründig. Jede völkische Bewegung ist in der Konsequenz rassistisch. Und die rassistische Migrations- und Flüchtlingspolitik Russlands erfährt von den Mahnwachen-Demonstranten folglich auch keinerlei Widerspruch.

Zuerst erschienen in der JUNGLE WORLD

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Leserpost

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Ellen Daniel / 02.01.2015

Danke für diesen Beitrag. Wer den offiziellen Forderungskatalog von Pegida für deren tatsächliche Stoßrichtung hält, glaubt wahrscheinlich auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Christine Schuler / 02.01.2015

Guter Beitrag, Ivo! Mir ist schon vor längerer Zeit aufgefallen, dass sich bei Kommentaren auf YouTube - speziell Broder-Clips betreffend - die rechten, linken und islamischen Ultras nicht mehr durch den Inhalt, sondern nur noch durch ihre Wortwahl unterscheiden. Auch die Panorama-Interviews mitt Pegida - Demonstranten waren recht aufschlussreich. Die Pegida-Fans hier auf der Achse möchten das aber lieber nicht zur Kenntnis nehmen, sondern weiter gegen einen gefühlten rot-grün-feministisch-vegetarisch (und was ihnen sonst noch alles auf die Nerven geht) “versifften” Mainstream anpöbeln (Siff = Dreck). Wahrscheinlich ist es besser, ich lese direkt die Jungle World.

Martin Wehlan / 02.01.2015

Lieber Herr Bozic, Lesen hilft weiter ! Ich zitiere aus den 19 Punkten von PEGIDA: 10. „Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime“ 15. „gegen das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.“ 18. „gegen Radikalismus egal ob religiös oder politisch motiviert“ Also außer der Forderung nach sexueller Selbstbestimmung, sind es noch drei andere Forderungen, die direkt etwas mit dem Islam zu tun haben. Warum schreiben Sie wissentlich etwas Falsches ? Warum halten Sie das Panorama-Magazin für glaubhaft ? Viele deutsche Journalisten suchen nicht mehr ansatzweise nach der Wahrheit, sondern möchten nur noch ihre Vorurteile bestätigen. Die Krönung war wohl der RTL-Reporter, der Panorama genau die Antworten gab, die sie hören wollten. Es ist nicht fair, seinem politisches Gegner etwas zu unterstellen, das dieser nicht gesagt hat. Und nur weil ein Verschwörungstheoretiker (Elsässer) für PEGIDA ist, ist PEGIDA als Ganzes weder Braun noch völkisch noch antisemitisch. Natürlich laufen dort auch verkappte Nazis mit und wenn man denen mit einer Israel-Fahne begegnet, fragt man sich ob man am falschen Ort ist. Die überwiegende Zahl der Demonstranten sind aber normale Bürger. Herr Bozic, Sie messen leider bei PEGIDA mit zweierlei Maß.

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