Ivo Bozic / 06.06.2012 / 18:47 / 0 / Seite ausdrucken

Augstein und die Seife

Nachdem der „Spiegel“ versucht, mit einer Prosa-Fassung der Grass’schen Tintenkleckserei Auflage zu machen, drohen alle Dämme zu brechen. Obwohl jederzeit bekannt war, dass Deutschland U-Boote an Israel liefert und obwohl immerzu darüber geredet wurde, dass Israel seine Atomraketen, wenn es denn welche hat, selbstverständlich auf U-Booten stationieren würde, obwohl also trotz all der vielen liebevoll recherchierten Details im Grunde rein gar nichts neu an dem vermeintlichen Scoop des „Spiegels“ ist, wird nun ein moralischer Aufstand geprobt, der dem antisemitischen Geschmiere Günter Grass’ in nichts nachsteht. Und es geht erst los.

War sich das Feuilleton bei Grass noch weitgehend einig, es mit Antisemitismus und Wahn zu tun zu haben, wagen sich nun als erste jene aus der Deckung, die schon Grass verteidigt haben. Während das Blatt vom verstorbenen Augstein Senior also in bewährter Manier so tut, als habe es ein Tabu gebrochen, obwohl nie eines bestand, legt Augstein (bzw. Walser) Junior vom „Freitag“ nach: „Wenn es um Israel geht, gilt keine Regel mehr: Politik, Recht, Ökonomie - wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen.“ Die Juden ziehen nämlich in Wirklichkeit alle Fäden, suggeriert er. “Damit trägt Deutschland Mitschuld an der Aufrüstung im Nahen Osten“, schreibt Augstein. „Damit“! Nicht durch die Waffenexporte an Syrien, Ägypten, Libyen, Bahrain, den Jemen und Saudi-Arabien, sondern nur durch die Waffenexporte an Israel.

Und Augstein sagt, was sich Grass nur verblümt zu reimen traute: Der Iran ist das Opfer, Israel der Aggressor. „Jede israelische Bombe, jedes deutsche U-Boot, das Atomwaffen abschießen kann, erhöht den Druck auf Iran und die arabischen Nachbarstaaten, selbst zum Mittel der nuklearen Aufrüstung zu greifen. Die iranische Atompolitik ist die Antwort auf die israelische Bombe.“ Der Iran kann also, Augstein zufolge, gar nicht anders, als auf die israelische Bedrohung zu reagieren. Er, Augstein, so können wir nunmehr gewiss sein, würde das auch machen, wenn er ein Nachbar Israels wäre, da würde er sich auch nach einer Atombombe umschauen, logisch.

Und dass Deutschland das Geschäft auch noch subventioniere, sei der größte Skandal. Man muss die Aufregung verstehen: Da hat man eine ganze Schar von diesen Juden überleben lassen, und nun sollen die für ihre Sicherheit auch noch ausgerechnet aus deutschen Steuermitteln Unterstützung erhalten? Dabei kosten uns die Afghanen doch schon so viel! Ja ,wenn man wenigstens wie bei Waffenlieferungen an Öl-Diktaturen ordentlich daran verdienen würde, dann hätte Augstein vielleicht keine Kolumne verfasst. Aber so, so sind die Juden nun sogar am Elend der Schlecker-Frauen schuld: „Pech für die Schlecker-Frauen: Mit Putzmitteln und Körperpflegeprodukten lässt sich kein Krieg führen. Würde der Staat Israel für die Durchsetzung seiner machtpolitischen Interessen auf Zahnpastatuben setzen und nicht auf Atomraketen, die berufliche Zukunft von rund 13.000 Drogistinnen wäre sicher.“ Das sind die Lehren, die Augstein aus der Geschichte zieht. Die Juden haben eine andere Lehre gezogen, nämlich niemandem mehr zu glauben, der ihnen Körperpflege ans Herz legt, und ihnen sagt, dass er’s gut mit ihnen meint.

Zuerst erschienen bei Jungle World: http://jungle-world.com/jungleblog/1708/

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