Gastautor / 15.09.2012 / 22:38 / 0 / Seite ausdrucken

Beleidigte Muslime sind ein Thema, tote Christen kaum

Ulli Kulke

In Amerika hat jemand einen Film ins Internet gestellt, der den Islam und die Muslims beleidigt. Wer es war, steht noch nicht fest, nicht einmal zu 100 Prozent, ob es ein Amerikaner war. Tatbestand: Beleidigung. Die Folge: Mord und Totschlag.

Rund um den Globus marschiert in islamischen Ländern der Mob auf, um gegen westliche – nicht nur amerikanische – Einrichtungen und gegen Menschen aus dem Westen Gewalt anzuwenden, oftmals unbehelligt von den staatlichen Stellen vor Ort, bisweilen mit deren stiller Duldung und Sympathie. Viele Tote sind inzwischen zu beklagen, hunderte Verletzte. Ein Teil unserer Medien sucht zumindest die Mitschuld im Westen selbst, der Moderator des ZDF-Magazins, Claus Kleber, gehört dazu, auch die Süddeutsche Zeitung und viele andere.

Beleidigung einer anderen Religion, auch wenn sie von einem Unbekannten ausgeht – das geht nicht, ist in der muslimischen Welt für viele ein todeswürdiges Verbrechen. Dafür dürfen ganze Gesellschaften, Staaten, Hemisphären in Haftung genommen werden. Um wieviel ehrenwerter scheint es da offenbar für einen strammen Muslim zu sein, Angehörige einer anderen Religion nicht zu beleidigen, sondern gleich totzuschagen, zu verfolgen, zu vertreiben, einfach so. Es gibt ja auch den passenden Begriff des Ehrenmords. Ehrenbeleidigung gilt nicht.

Das christliche Hilfswerk “Open Doors” gibt an, das weltweit 100 Millionen Christen wegen ihres Glaubens von Verfolgung, Misshandlung oder Tod bedroht sind. Andere Angaben gehen vom Zweieinhalbfachen aus. Christen sind heute mit Abstand die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft. Laut dem Theologen Thomas Schirrmacher, Geschäftsführer des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen und der Österreichischen Evangelischen Allianz bekennen sich neun von zehn wegen ihres Glaubens verfolgte zum Christentum. In ganz überwiegendem Maße sind davon Christen in muslimischen Ländern betroffen (auch wenn Nordkorea hierbei an der Spitze stehen soll). Unfassbar: Jahr für Jahr müssen heutzutage 105.000 Christen wegen ihres Glaubens sterben, “alle fünf Minuten einer”, hat der Italiener Massimo Introvigne, Beauftragter der OSZE für Fragen der Religionsfreiheit, errechnet.

In vielen muslimischen Ländern hoffen Christen vergeblich auf den Schutz durch staatliche Stellen. In Nigeria, Somalia, auch im Iran gilt es nicht mal als Kavaliersdelikt, einen Christen zu erschießen, erdolchen oder erschlagen. Handelt es sich um einen konvertierten Muslim, gilt es oft geradezu als Pflicht. Abfall vom Glauben an Allah ist vielerorts ein Kapitalverbrechen. Auch in der Türkei ist es nach aller Erfahrung offenbar nicht schwer, nach Morden an Christen einfach unbehelligt abzutauchen, selbst dort werden Christengemeinden nicht als Körperschaften anerkannt, selbst dort dürfen sie keine Priester ausbilden.

Selbst in dem so unkomplizierten und angelich liberalen Indonesien werden Gemeinden mancherorts aufgefordert, ihre Kirchen wieder einzureißen. Auf den östlichen Außeninseln des Staates waren erst vor einem Jahrzehnt die Christen mehrere Jahre lang regelrechten Pogromen ausgesetzt, starben viele Hundert von ihnen. In Ägypten gelten die christlichen Kopten für viele als Freiwild. Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan, überall dort, wo man jetzt wegen der Beleidigung durch einen einzelnen Menschen mit Mordaufrufen massenhaft durch die Straßen zieht, sind sich ansässige Christen seit vielen Jahren ihres Lebens nicht mehr sicher.

Der große Unterschied: Während die Beleidigung durch den Film auf einen einzelnen Menschen zurückgeht, dessen Identität nicht mal hundertprozentig klar ist, wird die Christenverfolgung unserer Tage vielfach staatlich geduldet wenn nicht organisiert. Und: Wer einmal auch nur mit dem Gedanken gespielt hat, in Saudi Arabien oder im Norden Nigerias eine christliche Kirche zu errichten, wird manchen Streit hierzulande um die Höhe von Minaretten und anderen Details beim Bau von Moscheen mit ganz eigenen Augen sehen.

Man könnte in den Medien hierzulande natürlich auch diese Angelegenheit einmal näher beleuchten. Doch natürlich, das wäre absehbar, fänden sich auch da genügend Gründe, die Schuld dafür auch bei den Christen zu suchen. Ich würde mich nicht wundern, wenn Claus Kleber dann genüsslich ein paar Epochen zurückspringt, und die Christenmissionare des 19. Jahrhunderts für all das in die Verantwortung nimmt. Er kann sich ja dann nochmal mit dem iranischen Präsidenten darüber beraten. Den kennt er schon von seinem großartigen Interview im Frühjahr, in dem Ahmadinedschad endlich einmal seine Meinung zur Weltlage im ZDF unter die Leute bringen konnte, unbehelligt von bohrenden Nachfragen des Interviewers Kleber.

Und überhaupt: Irgendwie ist Beleidigung schließlich ein anderes Kaliber von Verbrechen als Mord. Alles eine Frage der Ehre.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes WELT-Blog

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