Demnächst dürfen oder sollen wir wieder wählen. Das kann ich an einem der großen CSU-Plakate erkennen, die mich auf dem Weg in meine Stadt ansprechen. Ich weiß auch genau, wann ich wählen soll. „25. Mai“ steht da in riesigen Lettern. Gut, ist notiert. 25. Mai.
Aber was ist am 25. Mai? Im Vorüberfahren lese ich ganz groß: „Für Bayern wählen.“ Was? Schon wieder? Ich hab doch gerade erst für Bayern gewählt. Komisch. Steht noch was da? Ja, natürlich. „CSU“. Es ist ein CSU-Plakat, also soll man wohl diese Partei wählen. Das ist keine Überraschung. Und selbst wenn auf dem CSU-Plakat „SPD wählen!“ stünde, würden die meisten trotzdem CSU wählen. Wir sind schließlich in Bayern.
Jetzt weiß ich also, für wen ich wählen soll, nämlich für Bayern, und dass es möglichst die Schwarzen sein sollen. Aber was soll ich denn nun wählen? Welches Parlament? Steht da irgendwas? Ich sehe nichts. Es hilft nichts. Ich muss den Wagen anhalten und genauer hinschauen. Gibt es da vielleicht doch irgendeinen Hinweis? Oder bleibt es bei dem Wahlgeheimnis?
Ok, ich hab’s. Das Geheimnis ist gelüftet. Es gibt einen Hinweis. Oben rechts in der Ecke. Ganz klein. So dass man es kaum lesen kann. „Europa“ steht da.
Ach so, Europa. Da sinkt sofort der Adrenalin-Spiegel. Irgendwie macht sich Enttäuschung breit. Europa. Ich hab schon gedacht, es wäre was wichtiges. Für Bayern wählen! Ja, das wär’s gewesen, auch wenn man es gerade erst getan hat. Aber Europa? Hätten sie das nicht einfach weglassen können?
Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich gibt es ein Gesetz, das verlangt, dass man den Leuten sagen muss, welches Parlament sie wählen sollen. Das ist wie mit der Medizin und mit den Kaufverträgen. Im Kleingedruckten muss irgendwo stehen, worum es wirklich geht.
Und man muss der CSU zu Gute halten: Sie haben den Europa-Hinweis wirklich klein gedruckt. Kleiner geht es kaum. Im Vorbeifahren hätte ich ihn kaum entdeckt. Da hab ich nur den 25. Mai gesehen und Bayern und die CSU. Das kleine Europa rechts oben in der Ecke habe ich erst gesehen, als ich den Wagen angehalten habe.
Ich finde, damit hat die CSU getan, was sie tun konnte. Sie ist der idealen Europa-Wahlwerbung ziemlich nahe gekommen. Was soll man denn machen, wenn sich keiner für Europa interessiert? Ja, was wohl. Man tut einfach so, als ginge es gar nicht um Europa. Europa ist für die Wähler nun mal ein Abtörner. Warum soll man sich damit belasten? Null Europa für die Europa-Wahl. Schlauer geht’s nicht.
Leider lässt es sich nicht durchhalten. An meiner Straße sind jetzt die ersten CSU-Plakate aufgetaucht, auf denen Europa doch vorkommt. „Bayern stärken. Europa verbessern.“ Na gut. Europa verbessern. Ein schönes, großes Ziel. Aber irgendwie hätte ich es schicker gefunden, wenn die Werbeleute hart geblieben wären. Wenn sie einfach weiter so getan hätten, als ginge es gar nicht um Europa. Augen zu und durch.
Dann würden am 25. Mai wahrscheinlich viel mehr Bayern aus Versehen zur Europawahl gehen. Das wäre doch ein wunderbarer Wahlerfolg.