Die Reform der Finanzverfassung steht auf der Agenda der Großen Koalition. Bis Mitte dieser Legisla-turperiode soll eine Bund-Länder-Kommission unter Einbeziehung der kommunalen Ebene Reform-vorschläge entwickeln. Folgende Aufgabenstellungen sind im Koalitionsvertrag für diese Kommission benannt:
• Europäischer Fiskalvertrag
• Schaffung von Voraussetzungen für die Konsolidierung und die dauerhafte Einhaltung der neuen Schuldenregel in den Länderhaushalten
• Einnahmen- und Aufgabenverteilung und Eigenverantwortung der föderalen Ebenen
• Reform des Finanzausgleichs
• Altschulden, Finanzierungsmodalitäten und Zinslasten
• Zukunft des Solidaritätszuschlags
Unter der Überschrift „Föderalismusreform III“ wird diese Kommission arbeiten. Der Begriff klingt so sperrig, wie die Materie kompliziert ist. Journalisten und Politiker tun sich schwer, das komplexe Thema in eine Sprache zu übersetzen, die emotionalisiert und damit Reformdruck entwickelt. Die Intransparenz der deutschen Finanzverfassung ist sprichwörtlich. Nur wenige Experten in den Fi-nanzministerien überblicken unsere organisierte Verantwortungslosigkeit. Statt Einnahmen- und Ausgabenverantwortung auf den jeweils zuständigen staatlichen Ebenen zu bündeln, gibt es unzähli-ge Mischfinanzierungen. Weder die Politiker der jeweiligen Ebenen, erst recht nicht die Bürgerinnen und Bürger müssen sich an so selbstverständliche Grundsätze wie Verantwortung und Haftung hal-ten. Denn meist sind andere Ebenen mitbefasst, immer stärker auch das europäische Regime.
Ich will in diesem Beitrag nur zwei Grundpfeiler für die anstehende Reformdebatte setzen:
1. Wer bestellt, bezahlt! Egal, welches Parlament neue gesetzliche Leistungen oder Investiti-onsausgaben beschließt, es hat gleichzeitig die Rechnung dafür zu präsentieren. Ausgaben- und Einnahmenverantwortung gehören gebündelt. Das gilt für jede Kommune wie für Länder und Bund. Nur wo diese politische Verantwortlichkeit klar zugeordnet ist, entsteht eine ehrli-che Aufgabenkritik. Dann werden die Wünsch-Dir-Was-Kataloge der Politiker und Bürger kleiner, weil im Gegenzug höhere Steuern und Abgaben zu beschließen oder mitzutragen sind – oder auch Sparmaßnahmen an anderer Stelle.
2. Solidarität zwischen Reich und Arm ist durchaus geboten, aber nicht als Haftungsgemein-schaft mit Erdrosselungscharakter. Stellen Sie sich bitte vor, wie begeistert Sie wären, wenn Ihnen von jedem zusätzlich verdienten Euro nicht einmal 25 Cent fürs eigene Portemonnaie übrig blieben. Doch genauso verhält es sich, wenn wirtschaftsstarke Länder zusätzliche Steu-ereinnahmen erzielen. Sie haben „Grenzsteuersätze“ um die 75 Prozent zu tragen, damit die wirtschaftsschwächeren oder ausgabenfreudigeren Länder alimentiert werden können. Dann gibt es plötzlich kostenfreie Kitaplätze in sogenannten Nehmer-Ländern, während Baden-Württemberg als Geber-Land selbst unter Grün-Rot Kitagebühren erhebt. Oder die Steuer-hebesätze in den Kommunen der Nehmer-Länder sind deutlich geringer als in den Geberlän-dern. Übertriebene Solidarität generiert Mitnahmeeffekte und reduziert die volkswirtschaft-lich und gesellschaftlich so dringende Wettbewerbsdynamik.
Auf europäischer Ebene erleben wir derzeit im Großen, wie Haftungsgemeinschaften entstehen, weil die Nehmerstaaten sich zunehmend durchsetzen. In der deutschen Föderalismusdebatte besteht der gordische Knoten in einem Zahlenverhältnis: 13:3. Drei Länder bezahlen aktuell in den Finanzaus-gleich ein, dreizehn profitieren. Welchen Preis hat eine echte Reform, die auch im Bundesrat eine Mehrheit erhält? Viel gesamtstaatliche Verantwortung ist gefragt, wenn die traditionellen Ländere-goismen neutralisiert werden sollen. Ob das überhaupt gelingen kann?
Zuerst erschienen auf dem Ökonomenblog