Henryk M. Broder / 05.09.2020 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 77 / Seite ausdrucken

Willkommen in Kalkutta!

Vor zehn Jahren, am 30. August 2010, erschien Thilo Sarrazins erstes Buch: „Deutschland schafft sich ab – wie wir unser Land aufs Spiel setzen“. Dass es vom Start weg die Bestsellerlisten stürmte und in den folgenden 16 Monaten, also bis Anfang 2012, mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft wurde, hatte das 464 Seiten umfassende Opus Magnum einer „Rezension“ durch die Bundeskanzlerin zu verdanken.

Bereits am 25. August gab Regierungssprecher Steffen Seibert bekannt, die Kanzlerin sei über Sarrazins Buch „empört“. Es enthalte „Darstellungen, die die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin nicht ganz kaltließen“, Formulierungen, „die für viele Menschen in diesem Land nur verletzend sein können, die diffamieren, die sehr, sehr polemisch zuspitzen und die überhaupt nicht hilfreich sind bei der großen nationalen Aufgabe in diesem Land, bei der Integration voranzukommen“.

Schützenhilfe leistete auch der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit seiner Ankündigung, er werde Sarrazins Buch auf „rassistische Inhalte“ prüfen lassen; der auf Abwege geratene Genosse sollte „freiwillig“ aus der SPD austreten. Der damalige Innenminister, Thomas de Maizière, riet im Umgang mit Sarrazin einerseits zur „Gelassenheit“, andererseits meinte er auch, die Gesellschaft könne „keinen Ratschlag und keinen Anstoß von einem Provokateur brauchen, der mit der Provokation auch noch Geld verdient“. 

Schäumende Verrisse

Für Thilo Sarrazin waren die letzten zehn Jahre eine gute Zeit. Er schrieb sechs Bücher, die sich nicht nur – sehr zum Ärger von Thomas de Maizière – gut verkauften, sondern auch viel Beachtung fanden, und sei es nur in der Form schäumender Verrisse. 

„Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft“, hatte der Bayerische Arzt und Schriftsteller Oskar Panizza schon vor über 100 Jahren festgestellt. Und der Satz gilt immer noch oder mehr denn je in Zeiten einer Pandemie, die aus Bürgern Patienten und aus Politikern Sanitäter macht. 

Um den Wahnsinn, der Vernunft heißt, wenn er epidemisch wird, geht es auch in Sarrazins neuem Buch: „Der Staat an seinen Grenzen“. Es geht um Migration und Integration, um die Frage, ob es möglich ist, einen Wohlfahrtsstaat bei freier und unkontrollierter Zuwanderung zu unterhalten, was so ein Projekt kostet und welche Kollateralschäden es mit sich bringt.

Sarrazins Position ist klar, sie widerspricht allen Glaubenssätzen einer bunten, toleranten und weltoffenen Willkommenskultur. Es sei nicht wahr, schreibt er, dass es „Einwanderung“ schon immer gegeben habe; ebenso wenig treffe es zu, dass Einwanderung der Gesellschaft „nutzen“ würde. Auch die Behauptung, Einwanderung lasse sich nicht verhindern, entspringe unserem Wunschdenken. Sarrazin spricht aus, was andere kaum zu denken wagen.

Kein Mensch ist illegal

„Migration ist häufig ein Vehikel, mit dem dysfunktionale Gesellschaften einen Teil ihrer Probleme durch Auswanderung auf andere Gesellschaften ableiten.“ Oder: „Die ungehinderte Wanderung von Wissen und Waren und eine arbeitsteilige weltweite Warenproduktion sind möglich, ohne dass Menschen dazu in großer Zahl wandern müssen.“ Und: „Was in Südafrika oder Somalia schief läuft, kann nicht in Deutschland oder Europa geheilt werden.“

Dennoch bin ich nicht grundsätzlich gegen die Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturen. Ich finde es nur verlogen, wenn Zuwanderung idealisiert („Kein Mensch ist illegal“) und als eine Art Frischzellenkur für den altersmüden deutschen Volkskörper verschrieben wird, als „nationale Aufgabe“ und eine „Bewährungsprobe“, mit der das deutsche Volk über sich selbst hinauswachsen und zeigen soll, dass es aus der Geschichte gelernt hat.

Einwanderung, Migration ist – im Gegensatz zum Internet – kein Neuland, sondern ein gut erforschtes Terrain. Wir wissen, warum sich vor den deutschen, holländischen, österreichischen, schwedischen Vertretungen in den Krisenländern lange Warteschlangen bilden, während niemand aus Europa in eines der Länder migrieren möchte, aus denen die Migranten kommen. Migration ist eine Einbahnstraße, Integration auch. Die Forderung, die aufnehmenden Gesellschaften sollten den Zuwanderern entgegenkommen und die Regularien des Zusammenlebens täglich neu aushandeln, ist eine Anleitung zum sozialen und kulturellen Selbstmord. Um es mit Peter Scholl-Latour zu sagen: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta!“  

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

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Leserpost

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Jan des Bisshop / 05.09.2020

Warum kommen die Migranten nach Europa, weil es wirtschaftlich und rechtlich besser da steht als ihre Heimatländer, die unsinnige Forderung den Migranten entgegen zu kommen, bedeutet, dass deren Unsitten bei uns Einzug halten und damit werden die Werte zerstört weswegen die Menschen gekommen sind. Das BVerfGE hat dem Staat mit dem Kopftuchurteil einen Bärendienst erwiesen.

Karla Kuhn / 05.09.2020

“Migration ist häufig ein Vehikel, mit dem dysfunktionale Gesellschaften einen Teil ihrer Probleme durch Auswanderung auf andere Gesellschaften ableiten.“ WIE wahr ! „Was in Südafrika oder Somalia schief läuft, kann nicht in Deutschland oder Europa geheilt werden.“ Es ist der pure Wahnsinn. Danke für Ihren Kommentar Frau Margit Broetz,  nur frage ich mich, die Sizilianer sind doch etwas “feuriger” als viele   “lahme Deutsche”, WARUM haben sie sich nicht gewehrt ?? Zumal da auch die Mafia zu Hause ist. Dr. Joachim Lucas, “Kranke Hirne produzieren eben kranke Gedanken und daraus folgend zerstörerische Taten.” Das ist eine Tatsache, die ich noch aus dem Unrechtsstaat kenne, genau so wurde regiert. Daß viele Politiker Hirne krank waren wußten die meisten DDR Bürger. Spätestens 1989 auch viele Wessis, leider wurden keine Konsequenzen aus diesem Wissen gezogen !!  “....ist eine Anleitung zum sozialen und kulturellen Selbstmord.”  WIE WAHR !  Frank Royale, doch, das haben etliche Leser schon vorgeschlagen, vor allem für die afrikanischen aber auch arabischen Länder.  Nix mit Börek, nee, unter die KNUTE mit Kopftuch oder Burka ! Und in vielen afrikanischen Ländern sind es die FRAUEN, die den Laden einigermaßen am Laufen halten. Das würde vielen deutschen Politikerinnen richtig gut tun, mal täglich mehrere Kilometer zum Wasser holen laufen und wieder zurück. Ich habe den Eindruck, daß die Dekadenz schon derart ausgeufert ist, daß wir bald dem Ende entgegen gehen. Dann kann Merkel sagen “Ich habe es GESCHAFFT ! ”  WENN MERKEL oder andere Typen ein Buch o. a. verreißen, ist es MIT SICHERHEIT HÖCHST INTERESSANT und eine KAUFEMPFEHLUNG.

D. Schmidt / 05.09.2020

Kalkutta liegt am Ganges und Deutschland am Rhein oder Elbe. Kleiner Unterschied. Alles was hier unter dem Decknamen Flüchtlinge ins Land sickert müsste eigentlich schon an der libyschen Küste gestoppt werden (sogar mit Gewalt), würde es nicht diese linken NGO-Schlepper-Banden, ähh Schiffe geben. Alles was da zu uns kommt sind Glücksritter die auf legale Weise nie ein Visa für Deutschland bekommen würden. Deswegen versuchen sie es mit dem Wort “Asyl”. Das funktioniert zu 100%. Ich sage dazu nur: Armes Deutschland das so blöd ist, bis hinein in die Politik, um zu begreifen und entsprechend aktiv zu werden das sowas nicht geht. Amen. Handel jetzt, oder bleibt für immer blöd.

Karsten Dörre / 05.09.2020

Ich handle auch jeden Tag meine Beziehungen, mein Gehalt und meine Gewohnheiten/Rituale neu aus. Auf mich ist Verlass.

Silvia Orlandi / 05.09.2020

Mir ist es egal woher jemand kommt, solange er seinen Lebensunterhalt selbst verdient, die Gesetze achtet, bereit ist ,seine Kinder zu erziehen und das Gastland nicht mit Forderungen belästigt. So haben es alle Migranten bisher gehalten. Attentäter, Drogendealer,Clan Kriminelle, Vergewaltiger, Sozialbetrüger braucht D nicht.

Volker Voegele / 05.09.2020

Für Verhältnisse wie in Kalkutta gäbe es vielleicht noch eine gewisse Hoffnung für die Zukunft. Was sich in Deutschland anbahnt, ist aber eher eine Mischung aus Kabul, Beirut und Lagos. Es ist allerdings kein Selbstmord Deutschlands, es ist eher ein Mord. Die geschäftigen, verantwortlichen Schleuser der dysfunktionalen Einwanderung sitzen nämlich in der deutschen Regierung und werden von vielen Propagandisten in den öffentlichen-rechtlichen & Mainstream-Medien unterstützt. Das Wahlvolk verhält sich derweilen recht apathisch, als ginge es nicht um sein Wohl und seine Zukunft. Es wirkt so als ob man einer Viehweide vorbeiläuft und von allerlei frohgemuten „Muhen“ von Hornviechern begleitet wird.

Andreas Mertens / 05.09.2020

Dem Land steht unweigerlich eine sehr sehr unangenehme Katharsis bevor .... und das ist auch gut so. Die Realität läßt sich nicht durch das Absingen des Pipi-Langstrumpf-Liedes bezwingen. 2+2 ergibt überall im Universum 4.  Millionen Unintegrierbarer + ein Land im demographischen Sturzflug und wankender Wirtschaft ergibt überall im Universum Aufruhr, wenn nicht gar Mord & Totschlag bis hin zum Bürgerkrieg. Die Demographie (wenn spätestens ab 2030 die geburtenstarken Jahrgänge in die Altersarmut gehen) zerreißt die soziale Hängematte. All Jene die nur wegen jener sozialen Hängematte gekommen sind (+ die in 2er und 3er Generation darin lebenden Indigenen) werden ins Nichts fallen. Dann beginnt der Kampf um die letzte Dose Ravioli im geplünderten Laden/Land. Kein Wohlfühlaroma mehr, nie wieder Teddybärwerfer und eine Armlänge Abstand reicht dann auch nicht mehr .. es sei denn der Arm hält eine geladene Waffe. Viele denken, Peter Ustinov als Nero im Film Quo Vadis sei der Böseweicht wenn er zum brennenden Rom die Lyra spielt. Au contraire. Er ist der einzig Nichtwahnsinnige im brennenden Rom. Der Einzige der begreift das Rom brennen muss wenn der Wahnsinn ein Ende finden soll.

Franck Royale / 05.09.2020

Warum ist eigentlich noch nie jemand auf die Idee gekommen, Angela Merkel und die ganzen Minister für 4 Jahre nach Südafrika oder Somalia zu schicken um die Probleme dort vor Ort anzugehen? Das wäre doch die beste aller Lösungen, die Menschen bräuchten sich dann nicht mehr auf den Weg nach Europa machen. Angela würde mit wehenden Fahnen willkommen geheißen und könnte sofort anfangen. Sie schafft das doch, oder? Ich meine, Deutschland kann jeder regieren, das ist keine Herausforderung.

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