Die Verzahnung des halbamtlichen („öffentlich-rechtlichen“) Rundfunksystems mit regierungsaffinen linken Privatmedien macht Fortschritte. Vorreiter des Leuchtturmprojekts ist der 2014 gestartete „Rechercheverbund NDR, WDR und ‚Süddeutsche Zeitung’“. Sobald der Verbund irgendetwas ausgebuddelt hat, und sei es auch nur ein so gut wie folgenloses Panama-Aufregerchen, läuft das Zitierkartell des Staatsfunks zur Hochform auf.
Tage-, manchmal wochenlang wird dann auf einschlägigen Sendern der vermeintliche Scoop ausposaunt. Leiter des Verbunds ist Georg Mascolo, einer aus der mittlerweile schwer überschaubaren Riege geschasster „Spiegel“-Chefs. Er bringt das Kunststück fertig, ohne einen Lachanfall zu bekommen, in die Kamera zu gucken und dem Zwangsgebührenzahler zu erzählen, er, Mascolo, sei recht eigentlich im Auftrag des Geschröpften unterwegs.
Spitzeninvestigator Mascolo traf sich kürzlich mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum einvernehmlichen Gespräch für „Schwarzrotgold“, eine vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebene Propagandabroschüre. Sie liegt unter anderem der aktuellen Ausgabe des „Stern“ bei.
Von Grütters wurde unlängst ihre freimütig geäußerte Ansicht bekannt, das Internet biete „mehr Freiheit als die Demokratie verträgt“, ein kaum kaschiertes Bekenntnis zur Zensur schuftiger Inhalte. Was allen, denen es ums betreute Denken durch gesinnungsfeste Volksnannys zu tun ist, runter ging wie Arganöl.
Da saßen zwei beisammen, in denen es sorgt. Um den „unabhängigen Journalismus“, „die demokratischen Strukturen“, ja, um die „Einhaltung der Grundrechte“ an und für sich. Konkret kam beim Phrasenpingpong („Demokratie lebt vom Zuhören“) zwischen Mascolo und Grütters ungefähr so viel heraus wie weiland beim Empfang des DDR-Journalistenverbandes durch den Staatsrat der DDR.
Harmonisches Kamingeplauder
Bemerkenswert hingegen, wie selbstverständlich sich Journalisten mit Politikern gemeinmachen, von denen sie nach dem Kodex ihrer Zunft etwas Abstand halten sollen. Letzteres war nicht zu verspüren, im Gegenteil. Das Netz als Speicher mannigfaltigen Übels (Grütters über das Internet: „Wir müssen wieder lehren und lernen, misstrauisch zu sein“), diese Nummer war eine Steilvorlage für Mascolo.
Er: „Das Wort (gemeint war „Lügenpresse“, WR) ist eine Unverschämtheit.“ Grütters hatte zuvor mal wieder die Fake News bemüht, der Begriff „Lügenpresse“ habe „seinen Ursprung im Nationalsozialismus“. Selbstredend korrigierte der Schorsch die Moni mit keinem Wörtchen. Kurz, harmonischer dürfte nicht mal ein Kamingeplauder zwischen dem legendären Schauspielerehepaar Nadja Tiller und Walter Giller verlaufen sein.
Dazu passt, dass in Zeiten schrumpfender Auflagen die branchenintern diskutierte Frage, „Stütze vom Staat für ‚systemrelevante’ Medien?“ in Medienkreisen zwar noch auf einiges Geziere stößt. Doch hier und da wagt sich schon mal ein Blatt aus der Deckung und fordert, was in Österreich, Schweden und anderswo längst üblich ist: Staatsknete für prekäre private Medien (allerdings sind Schwedens „Hassmedien“ seit einigen Jahren von Förderung ausgeschlossen).
Was in Europa staatlicherseits bereits so alles zwecks „Erhaltung der presserechtlichen Meinungsvielfalt“ unternommen wird, hat ein Saarbrücker Professor detailliert (und grundsätzlich affirmativ) aufgeschlüsselt. Es ist in der Tat beachtlich. In Deutschland erhält eine staatlich erwünschte Sprachpolizei, der Verein „Neue deutsche Medienmacher*innen“, jährlich fast 2,4 Millionen Euro aus Steuereinnahmen. Und dem linken Rechercheportal „Correctiv“ steckte die „Bundeszentrale für politische Bildung“ 83.000 Euro zu, wie Correctiv stolz meldete.
Das sind aber Peanuts gegen die Summen, mit denen der Staat auserlesene Medien durch Schaltung von Anzeigen beglückt. 60 Millionen Euro verballert das Bundespresseamt allein für die Selbstdarstellung diverser Ministerien. In Publikumszeitschriften finden sich regelmäßig eingeheftete Beilagen mit Regierungswerbung. Um diesen Kuchen zankt die Medienmeute heftig. Vor allem Lokal- und Regionalmedien bejammern, nichts davon abzubekommen.
Mainstreammedien mehr oder minder unter Staatskuratel
Für eine Prognose muss man daher nicht sehr verwegen sein. Also, in zehn Jahren oder so – auf jeden Fall bei der nächsten großen Wirtschaftskrise – wird sich in den meisten Verlagen die schon heute prekäre Erlössituation ins Dramatische drehen. Einnahmen aus digitalen Feldern werden die Verluste des Holzgeschäfts nicht auffangen, abgesehen vom schon jetzt weitgehend digital aufgestellten, kaum noch auf klassisch-journalistische Produkte setzenden Springer-Konzern. Auch immer neue „Sparrunden“ und das Kegeln von weiteren Mitarbeitern werden den drohenden Kollaps von Verlagen nicht abwenden können.
In dieser Situation wird das Zaudern von Teilen der Journalistenschaft, sich an die Zitzen des Staates zu schmeißen, natürlicherweise dahinschmelzen wie Eis im Sonnenschein. Der Staat seinerseits dürfte sich die Chance kaum entgehen lassen, als Weißer Ritter aufzutreten. Er wird potenzielle Kritikplattformen freundlich übernehmen, indem er ihnen steuerliche und andere Wohltaten angedeihen lässt. Und er wird dies als Rettung von systemrelevanten Leitmedien verkaufen, welche unsere Demokratie unabdingbar als Vierte Gewalt benötigte.
Fortan werden auch die privaten Mainstreammedien mehr oder minder unter Staatskuratel stehen. Und zwar nach einem Muster, das die SPD bei ihren zahlreichen Medienbeteiligungen praktiziert hatte. Wie sagte Inge Wettig-Danielmeier, einst Bundesschatzmeisterin der Partei und Kontrolleurin des SPD-Pressekonglomerats DDVG: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“
Finstere Aussichten? Ach was! Auch der SPD hat ihr Medienwust letztlich nicht viel genützt. Sie hängt fast überall in den Seilen, trotz des Einflusses auf viele regionale und lokale Blätter und Onlineportale. Informationen, Analysen und Meinungen transportiert zunehmend auch das Netz, im Schlechten wie im Guten.
Visionär gegen die unerträgliche Freiheitlichkeit des Netzes
Könnte man Grütters’ eingangs erwähnten Satz, das Internet böte mehr Freiheit, als die Demokratie vertrage, nun als Ankündigung lesen, bald würden noch mehr Daumenschrauben angezogen? So, wie es Jean-Claude Junckers in einem berühmten Spruch formulierte:
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.
Waren etwa auch das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ und die sogenannte „Urheberrechtsreform“ im Kern visionäre Maßnahmen gegen die unerträgliche Freiheitlichkeit des Netzes? Andererseits, ist deutschen Politikern, die von einer versemmelten Wende in die nächste schliddern, die keine Vorstellung von den Folgen ungezügelter Einwanderung besitzen, die in 13 Jahren einen Flughafen nicht hinkriegten, der in China nach drei Jahren betriebsbereit gewesen wäre – wäre solch traurigen Vollpfosten eine strategisch raffinierte, ja nachgerade souveräne Denkweise überhaupt zuzutrauen?
Ach, lassen wir das. Man gelangt da schnell in die Abteilung Verschwörungstheorie.