Jesko Matthes / 20.06.2018 / 10:00 / 9 / Seite ausdrucken

Wenn der Deutschlandfunk Jordan B. Peterson liest

Auf der Fahrt zu einem Hausbesuch, kurz nach sechzehn Uhr, da durfte ich es wieder einmal hören: Man muss den Deutschlandfunk nicht mögen, zuhören aber sollte man ihm. Es gibt Dinge, die darf man einfach nicht sagen, ohne dass der Deutschlandfunk geistigen Schluckauf bekommt. Beispielsweise darf Jordan B. Peterson offenbar nicht „Gott“ sagen: Gott taucht immer wieder in seinen Ausführungen auf. Der Glaube an seine Existenz wird vorausgesetzt. Für einen atheistischen Skeptizismus ist kein Platz. 

Wie neutral sich Peterson über seinen eigenen Glauben äußert, und dass er damit wohl niemand irgendeinen Glauben aufzwingen kann, ist dem Rezensenten des DLF nicht aufgefallen. Störend genug ist für ihn wohl schon, dass Peterson auch den Atheismus für einen Glauben hält. So geht es munter weiter: Wenn man das Leben als Leiden begreift, ist man laut Deutschlandfunk nicht möglicherweise Buddhist oder zitiert wenigstens die Erste Edle Wahrheit, sondern vollkommen unterbelichtet. 

Der Psychoanalytiker und Schüler Sigmund Freuds, C.G. Jung, arbeitete mit den Archetypen und Mythen, auf die sich auch Jordan B. Peterson bezieht. Es sind jene Ur-Geschichten, die beinahe weltweit in irgendeiner Form überliefert sind, wahrscheinlich schon seit der Jungsteinzeit. Wenn man mit C.G. Jung diese Ur-Geschichten für bedeutender hält als rein soziale Erwägungen, wie sie in Deutschland die „Frankfurter Schule“ oder in Frankreich die „Dekonstruktivisten“ propagierten, dann ist man laut DLF „rechtskonservativ“, vor allem, wenn man diese Strömungen als das bezeichnet, was sie waren: neomarxistische Philosophenzirkel. Das ist natürlich mindestens ignorant (denn man müsste doch wenigstens „Adorno“ sagen!) oder gefährlich. Mit C.G. Jung sogar gefährlich in der Nähe von „Nazi“, denn das war C.G. Jung eine Zeit lang ja auch. Bis die Nazis ihn auf den Index setzten, weil er ihren eigenen germanischen Archetypen und Mythen zu nahe getreten war. Das allerdings erwähnt der Rezensent nicht.

Nur Antigone hat nix davon

Kennt der Mann Antigone? Die des Sophokles oder die des Jean Anouilh? Antigone hat, bei nicht „rechtskonservativer“, neo-marxistischer Betrachtung, gar keinen moralischen Zwiespalt auszuhalten zwischen dem von ihr geforderten Gehorsam gegenüber der Staatsraison der Regierenden und ihrem natürlichen Gehorsam gegenüber den Gesetzen. Solche „archetypischen“ Konflikte gäbe es damit heute gar nicht mehr… oder sie wären rein sozio-ökonomisch zu lösen. Klappt derzeit doch prima mit solchen „europäischen“ oder gar „globalen“ Lösungen… Nur Antigone hat nix davon.

Immerhin kommt der Deutschlandfunk, quasi nebenbei, auch zu einer wirklichen Erkenntnis:

Es scheint ein Bedürfnis nach autoritären Strukturen zu geben, hervorgerufen durch eine Politik, die Jordan Peterson kaum etwas entgegenzusetzen zu hat. Stattdessen warnt sie zum Beispiel vor verstörenden Inhalten, gibt sogenannte Trigger-Warnings. Sie überlegt, ob es sinnvoll sei, Toiletten für Menschen des dritten Geschlechts zu bauen und besteht auf eine gegenderte Sprache. Niemand soll verletzt werden, sich benachteiligt oder ausgeschlossen fühlen. Dass dieses um Identität und persönliche Befindlichkeiten zentrierte Denken zwangsläufig zu einer Infantilisierung des politischen Diskurses und der daran teilnehmenden Menschen führt, wird nicht erkannt oder schlichtweg ignoriert.

Richtig! Ein großer Teil autoritärer, antidemokratischer Sehnsüchte entsteht sehr wahrscheinlich daraus, dass es sich längst ganz andere autoritäre Sehnsüchte und deren Nutznießer unter dem Deckmantel der Demokratien breit und denkfaul gemütlich gemacht haben auf ihren offiziellen Posten und Nicht-Regierungs-Pöstchen, und dass sie nun antreten, ihre geistigen und geldwerten Pfründe notfalls auch mit infantilen Denkverboten und Diffamierungen zu verteidigen – wo sie der Lange Marsch durch die Institutionen doch endlich an die ersehnten Fleischtöpfe der Macht gebracht hat.

Nur eines entgeht dem Rezensenten, dass gerade Jordan B. Peterson gerade kein wie auch immer geartetes „Bedürfnis nach autoritären Strukturen“ hat, sondern dass er die Autarkie, Autonomie und Autorität des einzelnen denkenden Menschen gegen diese denkfaulen Sehnsüchte stärken möchte, allerdings nicht allein auf der Basis sozioökonomischer Überlegungen, sondern auf der Grundlage eines mythischen, sozialen und ethischen Erbes, das sich nicht über Nacht abschaffen lässt, weil es älter ist als alle die zweifelhaften Geschenke des 19. Jahrhunderts, Marxismus, Liberalismus, Nationalismus und Konservatismus zusammen. Peterson verweist darauf, dass eine Aufklärung, die in diesen -ismen ihr Ende findet, schon gescheitert ist. Und dass man Gegner braucht, um sich unangenehme Wahrheiten sagen zu lassen.

Und so endet auch der Rezensent des Deutschlandfunk, nur eine Spur versöhnlicher gegenüber Peterson:

Es scheint selbstverständlich zu sein, ihn ob seiner rechtskonservativen Ansichten abzulehnen und sich damit auf der moralisch richtigen Seite zu wähnen. Darin manifestiert sich ein gefährliches Symptom unserer Zeit: Die Verkürzung von Diskursen, die Unterbindung von Antagonismen und die Ächtung von Meinungen, die nicht ins eigene Weltbild passen. Man muss Peterson nicht mögen, zuhören sollte man ihm trotzdem. Denn nur so kann man ihm widersprechen.

Und was schrieb der „rechtskonservative“ Jordan B. Peterson selbst?

Deshalb ist es nützlich, mit dem Feind zu sprechen. Ihr Feind kann Ihnen nämlich Dinge sagen, die Sie nicht wissen, und es wäre unklug, sie nicht in Erfahrung zu bringen. Ihr Feind mag Ihnen sagen, dass Sie ein Idiot sind und vieles, was nicht wahr ist. Aber wenn nur eines von dem stimmt, was er Ihnen sagt, dann sollten Sie dankbar sein. Sie können dann nämlich daran arbeiten und brauchen nicht weiterhin den gleichen Fehler zu machen.

Man darf gespannt sein, wer Jordan B. Peterson sonst noch missverstehen will.

Jordan B. Peterson: „12 Rules for Life – An Antidote to Chaos“, Random House Canada; deutsche Ausgabe angekündigt.

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Mario Bernkopf / 20.06.2018

Deutschlandfunk und Deutschlandradio: aufgeregter Kleinmädchenjournalismus.

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