Peter Grimm / 29.05.2023 / 12:45 / Foto: Imago / 18 / Seite ausdrucken

Was folgt daraus, Herr Özdemir?

Cem Özdemir, führender Grünen-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister, beobachtet das Verhalten vieler Deutsch-Türken kritisch. Doch welchen Anteil daran hat gerade die rot-grüne Politik?

Viele in Deutschland lebende Türken mit und ohne deutschen Zweitpass haben in der letzten Nacht gefeiert, weil ihr großes politisches Idol, Erdogan der Mächtige, ein Land weiter regieren kann, in dem sie selbst nicht leben müssen. Für Cem Özdemir ist das verständlicherweise ein Ärgernis, weshalb er twitterte :

"Die #Autokorso|s sind keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr."

Eigentlich – und das weiß Cem Özdemir mit Sicherheit besser als viele seiner Parteifreunde – musste man bereits seit Jahren schon einen großen ideologischen Verdrängnungswillen aufbringen, um das zu übersehen. Was nun auf Deutschland zukommt, weiß Özdemir offenbar auch ganz genau, wie er in einem zwölf Stunden älteren Tweet nach Bekanntgabe der türkischen Wahlergebnisse andeutet:

"Um die vielen, vor allem jungen & gut ausgebildeten Menschen in der #Türkei, die jede Hoffnung verlieren, tut es mir leid. Sind wir darauf vorbereitet, dass Ultranationalismus  & Fundamentalismus nun noch stärker durch neue Imame aus Ankara hierzulande verbreitet werden?"

Die Antwort kennt der grüne Spitzenpolitiker natürlich: "Wir" sind nicht darauf vorbereitet. Warum nicht? Waren es nicht gerade rot-grüne Politiker, die jahrelang bemüht waren, jede Kritik an der Islam-Ideologie als "Islamfeindlichkeit" zu diffamieren und zu bekämpfen? Wer hat denn die Vertreter der DITIB, also der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" und de facto Ableger der türkischen Religionsbehörde, als Gesprächspartner in Sachen Islam jahrzehntelang hofiert? Es stimmt, das waren nicht nur rote oder grüne Regierende und Mitregierende. Aber sie standen über die Jahre am stärksten für den Kurs, solchen Organisationen die Mitsprache in der deutschen Politik möglichst zu erleichtern.

Ja, von der DITIB sind die politischen Verantwortungsträger inzwischen seit einigen Jahren etwas abgerückt und sehen sie mittlerweile mit verdientem Misstrauen. Doch ansonsten herrschen nach wie vor bei den meisten Politikern die jahrelang erlernten Reflexe in Sachen Islam und Migration. Es wäre schön, wenn sich Cem Özdemir dazu berufen sähe, dies endlich zu durchbrechen. 

"Übersehen geht nicht mehr" hat er ja geschrieben. Was folgt daraus? Seine Ministerkollegin Faeser möchte beispielsweise gern nach nur wenigen Jahren und äußerst niedrigschwellig Ausländer einbürgern. Niemand muss dafür auf seine bisherige Staatsangehörigkeit verzichten. Haben sie im Vergleich zu autochthonen Deutschen damit nicht ein Doppelstaatsbürgerschafts-Privileg? Aber darum soll es hier nicht gehen. Es geht darum, dass der deutsche Pass als Zweitpass für hier lebende Ausländer bald noch leichter zu haben sein wird. Da werden dann möglicherweise auch viele der Erdogan-Anhänger, die Özdemir nicht mehr übersehen wissen will, zugreifen, wenn sie noch keinen deutschen Zweitpass haben. Dann könnten all die Erdogan-Wähler auch hier mitwählen, trotz ihrer "nicht zu überhörenden Absage an unsere pluralistische Demokratie". All die vielen Fehler und Fehlsteuerungen bisheriger Zuwanderungs- und Einbürgerungspolitik zu korrigieren, mag kurzfristig nur schwer lösbar sein, aber die nächste fatale Fehlsteuerung mit dem neuen Einbürgerungsgesetz kann gerade noch ganz einfach vermieden werden, wenn man nur will. Dies unbedingt zu tun, wäre eine mögliche Konsequenz aus Özdemirs Erkenntnis. "Übersehen geht nicht mehr", hat er geschrieben. Aber solche Konsequenzen aus seiner Erkenntnis will er dann wahrscheinlich doch übersehen. 

Foto: Imago

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Klaus-Peter Gerlach / 29.05.2023

“Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen.” Wieso eigentlich “unseres Scheiterns?” Sind nicht eher die Türken in Deutschland gescheitert, wenn sie selbst in der dritten und vierten Generation Erdogan wählen, weil der “ihr Präsident ist”??

Klaus Keller / 29.05.2023

Herr Özdemir hat mehrfach bedauert das in der Türkei keinen Frieden mit der PKK zustande kommt. Er hat aber nie dazu gesagt das sich die PKK weigert ihre Waffen abzugeben. Herr Özdemir ist mit Sicherheit niemand den ich Fragen würde wie man mit der Türkei umzugehen habe. PS Der PKK-Chef wurde von Deutschland wegen eines Mordes in Rüsselsheim gesucht. Er wurde dann tatsächlich in Italien verhaftet. Die neue deutsche Bundesregierung, verzichtete aber auf die Auslieferung. Das ist lange her. Der neue Bundeskanzler war Herr Schröder, Außenminister Herr Fischer. Strafvereitelung im Amt würde ich das nennen. Mord verjährt nicht. PS Ich habe eher den Eindruck das Deutschland Ruheraum der PKK ist. PPS Zur türkischen Religionsbehörde: Man kann sich alternativ natürlich auch Leute aus Teheran, Riad oder Islamabad holen. Ich empfehle es nicht und erinnere mich gut an einen Exiliraner der die türkischen Ableger als relativ tolerant einstufte.

gerhard giesemann / 29.05.2023

Hoffentlich merkt die AfD nicht, dass die Türken/Moslems ihre idealen Wähler sind: Rechts, faschistisch, nationalistisch, schwulenfeindlich, LGBTQ dito, frauenfeindlich, Fleisch und Boliden heischend, usw. Dann gäbe es kein Halten mehr. Für den vegetarischen Cem eine harte Sache, oder? Aber so sind sie nu’ mal. die Söhne Allahs. Grün ist nur die Farbe des Propheten. Näheres beim Historiker, deutschlandfunkkultur: “de/ns-geschichte-wie-die-nazis-den-islam-vereinnahmen-wollten-100.html”. Zitat: „Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion“, schwärmte Heinrich Himmler. Im Zweiten Weltkrieg wollte das NS-Regime Muslime zum Kampf gegen die Alliierten aufstacheln. Doch diese Versuche waren weniger erfolgreich als von Berlin erhofft.

Franz Klar / 29.05.2023

“Dann könnten all die Erdogan-Wähler auch hier mitwählen”  und die leistungshungrigen AMG - Adepten wären natürliche Bundesgenossen beim Tuning von Lastenfahrrädern made in Osmanistan ...

dina weis / 29.05.2023

„Die #Autokorso|s sind keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr.“ Ein Scheitern mit Ansage und das “Übersehen” gehört jetzt noch zum Tagesgeschäft der Politik. Ein Weiterso ist garantiert. Der Özdemir gehört(e) dazu und weiß um Dinge schon lange. Nebenbei finde ich es immer erstaunlich, wie man innerhalb der Politik leicht die Berufssparten wechseln kann, auch ohne Ausbildung und mit wenig Ahnung, Gesundheitsminister, Verteidigungsminister oder Landwirtschaftsminister. Alles Unmögliche ist hier möglich.

RMPetersen / 29.05.2023

Hoffen wir, daß die türkisch geprägten Menschen als deutsche Wähler die Grünen hinweg fegen und a. eine konservativere Gesellschaftsordnung und b. eine an den Interessen der Arbeitnehmer orientierte Steuer gestalten helfen.

Helmut Meyer / 29.05.2023

Das ist der Fluch der böse Tat. Bei dem Cem sickert die Erkenntnis durch, das seine so geliebten Zuwanderer auf das sch….., Was er sich so als politische Ziele gesetzt hat. Was interessiert die Umweltschutz, Tierschutz oder Demokratie….ja lieber Cem sch### wa, dumm gelaufen…. Und die werden Sich zuerste zum Teufel jagen, Deine edlen Lieblinge.

Lutz Herrmann / 29.05.2023

Enthüllung: Özdemir hat noch einen türkischen Pass unter’m Bett gefunden und hat aus Versehen den Herrn Erdogan gewählt.

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