Annette Heinisch / 04.12.2023 / 10:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 70 / Seite ausdrucken

Warum kann Scholz so überheblich sein?

Die anhängigen Affären würden normalerweise dafür reichen, Olaf Scholz für den Posten des Kanzlers zu disqualifizieren. Es fehlt das, was man persönliche Integrität nennt. Warum aber kommt er damit durch? Und warum kann er sich so sicher fühlen? Dafür gibt es vor allem drei Gründe.

Als quasi professioneller Geist, der stets verneint (und das mit Recht!), bin ich natürlich ein treuer Leser des Schwarzen Kanals. Jan Fleischhauer bringt mit seiner typischen Süffisanz Probleme der Zeit auf den Punkt. In seinem letzten Artikel landete er einen Treffer mitten auf dem Scheitel des Kanzlers. Der Titel lautet: „Auf die krumme Tour: Kennen Sie schon die faulen Tricks des netten Herrn Scholz?“ und stellte die Frage in den Raum, ob das Bild des Biedermannes, das Scholz von sich zeichnet, wirklich zutrifft. „Aber was, wenn das alles nicht stimmt? Wenn sich hinter der demonstrativen Biederkeit ein Trickser und Täuscher verbirgt, der immer wieder ans Limit geht und darüber hinaus?“ Fleischhauer zeichnet die Cum-Ex-Affäre nach, attestiert Scholz Überheblichkeit und die Überzeugung, mit allem durchkommen zu können.

Dass es reiner Zufall sei, dass die Finanzbehörde die zunächst wegen unberechtigt erstatteter Steuer geltend gemachte Rückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro drei Wochen nach dem Gespräch der Warburg-Banker mit Scholz unter den Tisch fallen ließ, glaubt kein Mensch. Auch die Tatsache, dass weitere 43 Millionen Euro erst eingetrieben wurden, nachdem das damals von Wolfgang Schäuble geführte Finanzministerium eine ausdrückliche Weisung erteilte, ein völlig unüblicher Vorgang, erhellt den erkennbaren Unwillen der damaligen Hamburger Führung, sich rechtmäßig zu verhalten.

Es glaubt auch niemand, dass unser Kanzler sich nicht an die diversen Gespräche mit den Warburg-Banker erinnert. Mittlerweile häufen sich die Indizien, die gegen seine angeblichen Gedächtnislücken sprechen.

Im Hamburger Untersuchungsausschuss wurde das eigentlich erstklassige Gedächtnis des Kanzlers deutlich: Teils verweigerte Scholz die Aussage, teils konnte er sich angeblich nicht erinnern, nur um dann ein Ausschussmitglied anzugiften, er sei ihm auch früher schon bei Bürgerschaftssitzungen mit unguten Fragen aufgefallen. Ach ja, dachte sich der unbeteiligte Zuhörer, an solche Trivialitäten aus der Vergangenheit erinnert er sich, aber an wichtige Vorgänge nicht? Keiner hakte jedoch nach, was möglicherweise auch an dem Prozedere lag; erlaubt waren nur zwei Fragen pro Fragesteller.

Nicht nötig, eine schriftliche Anweisung zu geben

Ein anderer Punkt war auch interessant, nämlich die in Bezug genommene Aussage eines ehemaligen Finanzsenators, der gesagt hatte, es sei nicht nötig, eine schriftliche Anweisung zu geben; wenn die Behördenleitung deutlich macht, was sie erwartet, dann wird dies auf unterer Ebene entsprechend ausgeführt. Wer Behördenabläufe kennt, der weiß dies. Daher ist die weitere Suche nach einem entlarvenden Papier mit einer ausdrücklichen Weisung sinnlos.

Manche Fragen werden wohl aus Unkenntnis nicht gestellt. Beispielsweise, warum das Thema nicht im Senat besprochen wurde, was nach der Geschäftsordnung erforderlich gewesen wäre. Es wird auch das Argument nicht hinterfragt, dass die Warburg-Bank angeblich durch die Rückforderung von einer Insolvenz bedroht gewesen wäre, denn diesem Problem kann ganz legal durch Stundung begegnet werden. Damit gab es keinen Grund für das Fallenlassen der Forderung. Die Geschichte des netten Herrn Scholz, der ja eigentlich nur ein alteingesessenes Bankhaus retten wollte, fällt also in sich zusammen, wenn sich jemand damit befasst, der Verwaltungsvorgänge kennt und die eine oder andere Rechtskenntnis hat.

Für Journalisten scheint dies alles uninteressant, dabei sind Vorschriften wie die Vorlage bedeutender (und teurer) Vorgänge vor den gesamten Senat deshalb vorhanden, um Tricksereien und gegebenenfalls Korruption auszuschließen. Stundungsmöglichkeiten sind ebenfalls dafür gedacht, Existenzvernichtung zu verhindern. Wer nicht weiß, dass und warum es diese Regeln gibt, der wundert sich natürlich nicht über deren Nichteinhaltung. Aber allein schon die Missachtung dieser Regeln hätte ausreichen müssen, Scholz für den Posten des Kanzlers zu disqualifizieren. Es fehlt das, was man persönliche Integrität nennt. Warum aber kommt er damit durch? Und warum kann er sich so sicher fühlen? Dafür gibt es vor allem drei Gründe:

1. Weisungsgebundene Staatsanwaltschaft

Egal, was unser Kanzler in dieser Sache auf dem Kerbholz haben mag, zuständig ist die Staatsanwaltschaft des Tatorts und damit die Staatsanwaltschaft Hamburg. Staatsanwaltschaften sind in Deutschland weisungsgebunden. Nicht nur, aber ganz besonders Hamburg ist bekannt für den „roten Filz“, mittlerweile rot-grüner. Was also soll Scholz passieren? Alles wird unter den Teppich gekehrt.

Der Versuch der Staatsanwaltschaft Köln, die Vorwürfe unter dem Aspekt des Sachzusammenhangs zu untersuchen (vor den dortigen Gerichten wird Cum-Ex verhandelt), scheiterte auch. Der dortige Justizsenator ist ein Grüner, der sich engagiert bemüht, die Aufklärung durch die sehr verdiente Staatsanwältin Brorhilker zu verhindern. Er ist zwar zunächst damit gescheitert, aber dass der Kanzler angeklagt wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Ministerpräsident Wüst, wie Merkel einer der Sozialdemokraten der CDU, hat sich auch nicht stark gemacht für integre Politik oder seine Partei. Also – was soll Scholz denn passieren? In welchem Wolkenkuckucksheim leben diejenigen, die etwas anderes erwarten? 

2. Die politische Zwickmühle

Die zweite theoretisch reinigende Kraft ist die politische Konkurrenz. In früheren Zeiten mussten Politiker zurücktreten, weil ein Skandal die Macht kostete. Aber das hat die Politik geschickt ausgehebelt: Ein Machtwechsel ist nicht mehr möglich. Egal, wer mit wem koaliert, am Ende kommt immer dasselbe heraus und alle schützen sich untereinander.

Es werden Brandmauern hochgezogen, generell Andersdenkende diffamiert bis zum Abwinken. Damit haben die Parteien mit Ausnahme der AfD den Staat unter sich aufgeteilt. Dass die AfD so einen Stimmenzuwachs erhält, ist genau darauf zurückzuführen, denn vielen Bürgern schmeckt diese „Demokratur“ nicht. Wenn es keine politischen Alternativen gibt, dann gibt es auch keine politische Hygiene. Also wovor soll Scholz sich fürchten? Wer wollte ihm an den Karren fahren?

3. Die Medien

Nein, an dieser Stelle möchte ich keine generelle Medienschelte betreiben, denn es sind Journalisten, die tatsächlich ihre Aufgabe ernst nehmen und die Ungereimtheiten bei Cum-Ex ans Tageslicht bringen.

Nur: Zu lange haben zu weite Teile der Medien Jubelarien gesungen. Sie waren glücklich, dafür gesorgt zu haben, dass seit dem Abgang Helmut Kohls rot-grün regiert wurde, denn nichts anderes tat auch die in geradezu peinlicher Weise angebetete Angela Merkel. Viele Medien (und hier speziell die öffentlich-rechtlichen) haben ihre eigene politische Agenda durchgesetzt, gezielt dafür gesorgt, dass abweichende Ansichten ausgegrenzt wurden. Damit haben sie sich im Endeffekt weitgehend ihrer Macht beraubt. Denn wenn sie das Ziel einer alternativlos rot-grünen Politik durchgesetzt haben, sind sie überflüssig. Nur dann, wenn Skandale Wirkung haben können, haben Medien Macht. In ihrem Eifer, ihre Macht auszuleben, etwas „zu bewirken“, haben sie diese eingebüßt. Die Sicherungsmechanismen unseres Systems wurden weitgehend ausgehebelt. Scholz weiß, warum er sich sicher fühlt.

 

Annette Heinisch hat Rechtswissenschaften in Hamburg studiert, Schwerpunkt Internationales Bank- und Währungsrecht und Finanzverfassungsrecht. Sie ist seit 1991 als Rechtsanwältin sowie als Beraterin von Entscheidungsträgern vornehmlich im Bereich der KMU tätig.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Arthur Sonnenschein / 04.12.2023

Die Politik handelt im Eigeninteresse und in einer Stadt wie Hamburg gehört der Staat seit 45 komplett den den Sozis, so dass alles intern geklärt werden kann. Der Kanzler hat in diesem Umfeld die maskenhafte Figur entwickelt, die sich nur noch zur Not an die Öffentlichkeit wendet, um Verlautbarungen aus dem Setzkasten abzugeben. Dahinter verbirgt sich ein Profi, der seine Pappenheimer kennt. Die sollte man allerdings nicht mit dem Wahlvolk verwechseln, dem gegenüber er sich erst in zweiter Linie verpflichtet fühlt. Die alte Bank-Geschichte ist eine Sackgasse und Ausdruck der Unfähigkeit seiner Kritiker, die entweder nichts zu melden haben oder bis hin zur blauen Partei total einfallslos im Umgang mit der jetzigen Regierung auftreten.

Gerdlin Friedrich / 04.12.2023

Lüge durchzieht dieses System, dem es um Geld und Macht geht, versehen mit den Etiketten hehrer Ziele, die Schwindel sind, wie immer bei Hochstaplern und Wahnsinnigen, die Jemanden brauchen, der sie finanziert, dem sie das Geld aus der Tasche ziehen können, jenen, die es redlich erwerben.  Dieses System hat eine Sympathie für Gesetzesbrecher, so sie sich auf der Seite derer befinden, die die Koordinaten bestimmen wollen. Weil sie selbst Lügner sind akzeptieren sie Lügen, die in ihr “Konzept” passen, z.B. wenn Leute von der ersten Sekunde in der sie dieses Land betreten lügen, indem sie ihre Pässe wegwerfen. nicht aus Verzweiflung, aus purer Berechnung, sich mehrere Identitäten zulegen und abkassieren. Mit Lügnern wollen sie einen Staat, eine Gesellschaft bauen, . , .wozu sie Geld brauchen viel Geld. um die,Lügen, den Schwindel, den Wahnsinn mit Geld zuzuschütten. In Zeiten des grassierenden Wahnsinns haben Redlichkeit, Fleiss, pers. Integrität,  keine Konjunktur, auch deshalb haben wir ein marodes Schulsystem, marode Schulen, und klar lügen sie weiter, so lange das Geld reicht, es Jene gibt, denen es abgenommen werden kann, sei es durch die höchsten Steuern, von denen man sich ja immer neue ausdenken kann.  ,

Paul Ehrlich / 04.12.2023

Das GG hat da einen Paragraphen 20 den müsste man nur anwenden. Und dann kommt es darauf an, ob sie sich trauen aller Welt zu zeigen was für eine tolle Demokratie wir sind.

Knut Wuchtig / 04.12.2023

Doch, Medienschelte tut Not! Ich kann mich an Zeiten erinnern, da wäre die Ampel nach solchen Skandalen freiwillig zurück getreten! Die Medien müssten jeden einzelnen dieser nichtskönnenden Politik Darsteller in einer Tour durch den Kakao ziehen! Stattdessen versuchen die Medien alles um diese Pfeifen im Amt zu halten! Wie konnte sich offensichtlich solch ein Ungeist an den Unis einnisten, dass nur noch verstrahlte Traumtänzer nachkommen?

Petra Horn / 04.12.2023

Gibt es SPD-Politiker oder Grüne oder Linke, die nicht von sich glauben, über den Menschen zu stehen und unantastbar zu sein? Kühnert, Klingbeil, Hofmeister, Trittin, Roth, Göring-E. ? Buschmann, Lindner und M-A S-Z sind kein bißchen bodenständiger. Allein Lindners Hochzeitsfeier ist eine Frechheit. Mit den CDU-Bonzen fange ich gar nicht erst an. Die haben alle spätestens bei Corona gemerkt, was man mit der duldsamen Masse machen kann. Das ganze polititische Personal muß vom Sockel gestoßen werden.

R. Matzen / 04.12.2023

Richard von Weizsäcker hatte wohl schon in den 90-er Jahren darauf hingewiesen, daß es eine Gefahr für unsere Demokratie sei, wenn sich die Parteien inhaltlich zu sehr annäherten. Das haben wir jetzt. Und sind auch schon darüber hinaus!

G. Lohhoff / 04.12.2023

Auch wenn es spätestens seit Ukraine auch auf Hrn. Broder selbst (und Fr. Heinisch) zutrifft: »Wenn ihr euch fragt, wie das damals passieren konnte: weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.« Geschichte wiederholt sich. Die gleichen Verbrecher, die fast gleichen (Inter-)Nationalsozialisten, die gleichen Faschisten, die gleichen Denunzianten, die gleichen Hetzmedien und die gleichen Schlafschafe. Gute Nacht, Deutschland!

Marc Munich / 04.12.2023

@A. Schröder: “Das Kaspertheater Deutschland hat alle Figuren, den Teufel Putin, Islam..” Beim Islam gehe ich mit. Aber “Teufel Putin”? Da würd ich Mal lieber bei den Elefanten im Raum West anfangen, anstatt das helldeutsche Sündenbock-Narrativ “Teufel Putin” zu bedienen.  Da gibt es immerhin Belege (Stichwort: “The great Reset”) und Zitate in (zwecks “Pandemie”) einst virtuellen Locations stattfindenden Konferenzen westlicher “Eliten”, in welcher der “Herr Bundeskanzler Scholz” dem “Lieben Klaus Schwab treu ergeben versicherte: “Lieber Klaus Schwab, Deutschland wird auch in Zukunft fest an Ihrer Seite stehen und” (zitiere hier sinngemäß, da dieses Zoom-Meeting unserer “Eliten” West aus Mediathek und youtube entfernt wurde, haha) “alles nötige für die Transformation leisten.”  Man sollte aber dennoch nicht beim WEF (und schon gar nicht seinem filmreifen Haumeister Schwab) stehenbleiben.  Alles nur klebrige Tentakel der globalsozialistischfaschistischen KRAKE WEST - resp. der heute - zum großen Teil verschmolzene, DIGITALE-FINANZIELLE Komplex.  Und bevor dieses “illegale Regime” (Steve Bannon; Team Trump) HIER nicht zerstört wird, brauchen wir auch kein selbstschädigendes Schattenboxen gegen den “Teufel” OST führen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com