Konnte man Michael Blume neulich noch „auf dem richtigen Dampfer“ reisen sehen, war er kurze Zeit später schon über Bord gegangen. Vielleicht mit einem eleganten Kopfsprung, vielleicht wurde er geschubst, vielleicht hatte er einen im Tee (was keine Schande wäre) und ist sodann übers Geländer gestolpert – ganz genau werden wir’s wohl nie erfahren.
Es hat etwas Unwürdiges, dämliche „Gefällt-mir-Angaben“ in einer virtuell-realen Welt, aus der sich wohl die meisten ihrer Bewohner öfters mal ausloggen sollten, in den Vordergrund zu rücken. Schließlich bedient man damit eine Atmosphäre des Anschwärzens und der akribischen gegenseitigen Beobachtung, die in ihrer Geistfeindlichkeit unangenehm an kleine Dorfgemeinschaften erinnert, in denen sich verbitterte Nachbarn am Gartenzaun ihre neuesten Beobachtungen erzählen.
Nun besteht das Problem aber auch gar nicht darin, dass Michael Blume als Antisemitismus-Beauftragter von Baden Württemberg „mausgerutscht“ ist und einem Beitrag zugestimmt hat, der die nationale Emanzipation der Juden mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt. Der Rede wert ist dieser Fauxpas erst aus zweierlei Gründen: zum einen wegen Blumes Unvermögens, diesen prinzipiell entschuldbaren Fehler einzuräumen, den er stattdessen mit einer Lüge kaschiert. Das wiederum wäre auch noch keinen Text wert, hätte Kritikabwehr beim Antisemitismus-Beauftragten nicht Methode. Zum anderen offenbart sich mittels Blumes „digitaler Tollpatschigkeit“ die Tendenz eines deutschen Mainstreams, der mit seinen Bekenntnissen gegen allerlei Radikalität die Parteinahme für Israel systematisch verweigert – und den Zionismus der Nähe zum „Extremismus“ verdächtigt.
Autoritäre Demokratiepädagogik
Blume „gefiel“ dieser Beitrag eines öffentlich bekennenden Israelfeinds: „Zionisten, Nazis und Radikale sollten sich schnell von meiner Freundschaftsliste verabschieden.“ Der Bearbeitungsverlauf zeigt an, dass in der ersten Version des Beitrags „Zionisten“ bereits enthalten war, erwähnenswert wegen Blumes Verschwörungstheorie, nach der „Trolle“ bewusst Fälschungen gegen ihn einsetzen würden. Dumm nur, dass die Screenshots von der EMMA-Autorin Birgit Ebel angefertigt wurden.
Offenbar ist er nicht in der Lage, sich in reflektierter Weise mit einer Wirklichkeit auseinanderzusetzen, die sein makelloses Selbstbild bedroht. Um dieses zu wahren, stülpt er der Realität die von ihm völlig überstrapazierten Begriffe aus dem aktuellen Repertoire autoritärer Demokratiepädagogik über („Hass“, „Trolling“, „Hetze“), womit er die Kritik an ihm von vornherein ins Unrecht setzt.
Auf das fragwürdige „Like“ öffentlich angesprochen, bedankt sich Blume für den Hinweis und gibt an, den Antisemiten blockiert zu haben, um schließlich „entschlossen“ zu verkünden, mit Gleichsetzern von Zionismus und menschenverachtender Ideologie nichts zu tun zu haben. Hielte er sich ernsthaft daran, würde sich in seinem eigenen „Expertenrat“ nicht immer noch Gökay Sofuoglu tummeln, den Emrah Erken als demütigen Anhänger von Necmettin Erbakan, dem wüsten Antisemiten und Gründer der rechtsextremen Milli-Görüş-Bewegung, entlarvt hat.
Der Menschheit weltoffen das Ende wünschen
Bis heute hat Blume nicht verstanden, dass „man Antisemitismus nicht mit Akteuren bekämpfen [kann], die selbst problematische Beziehungen in demokratiefeindliche und antisemitische Milieus haben“, so die hier von der WerteInitiative paraphrasierte zionistische Aktivistin Malca Goldstein-Wolf. Dies scheint auch Blumes Unterstützermilieu nicht einzusehen, was angesichts der dort vorherrschenden Lust an der Erledigung der Menschheit nicht verwundert. Mehr als die Hälfte derjenigen, die ihm auf eine Umfrage geantwortet haben, befürwortet das Aussterben der Menschheit. Das verweist auf die um sich greifende Zivilisationsmüdigkeit: Mit ihr zu vereinen ist zwar die weltoffene Phrasendrescherei, in die Leute wie Blume die Kritik des Antisemitismus öffentlichkeitswirksam verwursten, jedoch kein entschiedenes Vorgehen gegen Judenhass.
Michael Blume ist kein Antizionist, sondern ein intellektuell unredlicher Ideologe, der sich wegen seines Narzissmus und seines Karrierismus Aufgaben zutraut, denen er nicht gewachsen ist. Vom antizionistischen Ressentiment geleitete Menschen wären nicht in der Lage, die „Nakba“-Ausstellung so wie Blume zu kritisieren. Er betont richtigerweise die „hunderttausendfache Vertreibung von Jüdinnen und Juden aus der arabischen Welt“ sowie die „mörderische Geschichte des arabisch-deutschen Antisemitismus“, die in der Ausstellung verschwiegen werden. Ebenfalls plädieren Antizionisten nicht für die Streichung deutscher UNRWA-Gelder, was Blume tut und zu würdigen ist.
Die Gefällt-mir-Angabe ist vielmehr Ausdruck des denkfaulen Bedürfnisses nach Äquidistanz gegenüber allen Seiten, die als „extremistisch“ ausgemacht werden (ohnehin Jargon, da man „extrem“ nicht steigern muss). Das wiederum führt weg von Michael Blumes individuellem Fehlverhalten und hin zum deutschen Diskurs: Wo es zum Ausweis demokratischer Haltung gehört, sich in einer stets zeitgeistabhängigen Mitte zu positionieren, wird nicht nur der Nazi und Islamist, sondern auch der Zionist verdächtigt, ein Extremist zu sein.
Wer führte den Mauszeiger?
In seinem gedankenlosen Facebook-Eifer war weniger Blume selbst Herr seines Mauszeigers, sondern der deutsche Mainstream, der sich Blumes unnachahmlicher Missgeschicklichkeit bediente und so an ihm demonstrierte, auf was der deutsche Pazifismus im Kern zielt: auf die Gleichsetzung von Zionismus, Nationalsozialismus und anderer „Radikalität“. Weil der Zionismus in seiner militärischen Gestalt als israelische Selbstverteidigung für etwas „Extremes“ gehalten wird, verweigert man dem Judenstaat die nötige Solidarität. So tickt die deutsche Mitte.
Darum ruft das Auswärtige Amt nach Angriffen auf Israel beschämenderweise beide Seiten zur Mäßigung auf; deshalb verfängt überhaupt nur der Versuch, den Nahostkonflikt durch eine „Gewaltspirale“ zu erläutern. Weil die Distanz von „israelbezogenen Antisemitismus“ als ausreichend gilt, kommt die Bundesregierung so leicht damit durch, bei UN-Resolutionen nicht für Israel zu stimmen.
Von öffentlichen Personen sind in der Regel nur negative Bekenntnisse (gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, etc.) zu vernehmen, keine positiven für Israel und den Zionismus. Blume und andere Streberdemokraten scheinen ein Problem damit zu haben, wenn man sie als Zionisten wahrnimmt. Für aufgeklärte Menschen wäre das doch ein nettes Kompliment.
Michael Blume zieht inzwischen auch die Kritik der internationalen Presse auf sich, siehe den Berlin Spectator und die Jerusalem Post.